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Die letch beft
Aus unserer Bewegung
Die Washingtoner Konferenz.
Auf der Washingtoner Weltfonferenz für Arbeiterfragen wurde beschlossen, daß Frauen zur Konferenz bei Behandlung wichtiger Fragen zugelassen werden können. Weiter soll der Vertrag vers bessert werden, indem bei der Abordnung, jeder Nation eine Frau als Vertreterin der Arbeiter und eine Frau als Vertreterin der Regierung zugelassen wird. Uns mutet diese Beschluß an wie ein Klang aus ferner Vergangenheit. Für uns ist es heute eine Selbstverständlichkeit, daß Frauen an allen Verhandlungen teilnehmen fönnen. Darüber wird fein Wort mehr verloren. Aber wir brauchen uns nur um em Jahr zurückzuperfeben: 1918 mar es noch feineswegs felbstverständlich. Erst im neuen Deutschland hat sich die Stellung der Frau von Grund auf geändert. Und daß wir heute darin weiter sind als die meisten anderen Länder, beweist die Weltkonferenz, auf der die Zulassung der Frau erst ausdrücklich beschlossen werden mußte. K. H.
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Die erste städtische Arbeiterin Bürgerdeputierte von Berlin . Auf Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Arbeiterräte beim Magistrat Berlin " ist die Operationsdienerin im Krankenhaus im Friedrichshain , Fräulein Martha Krajezti, als Bürgerdeputierte in die Krantenhausdeputation gewählt worden. Fräulein Kra jetfi ist langjähriges Mitglied des Verbandes der Gemeinde. und Staatsarbeiter. Sie ist bereits zu einer Beit, als noch Mut dazu gehörte, in den städtischen Anstalten Berlins für die Ausbreitung der Organisation zu mirfen, als Vertrauensperson des Verbandes tätig gewesen und hat während der Kriegszeit den Vorsiz im Arbeiterausschuß geführt. Nach der Revolution wurde sie als eine der wenigen Frauen Verlins zum Arbeiterrat gewählt und schloß sich der Fraktion der S. P. D. an. Nun ist sie als Ar beiterrat Mitglied der Krankenhausdeputation geworden.
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Ein Jahr ist dahingegangen feit Beendigung des Krieges, ber so unsäglich viel Kummer und Verzweiflung über die Menschheit gebracht hat und an deffen schlimme Folgen wir Deutschen am härtesten zu tragen haben, weil wir ja die Besiegten sind. Als das Waffenstillstandsangebot die hoffnungslose. Lage unseres Bandes erkennen ließ, fiei es dem deutschen Volte wie Schuppen von den Augen, Lawinenartig war der Unmille im Proletariat angewachsen und brach sich Bahn. Der Zweibund, den Junker und Pfaffen bildeten, murde gesprengt, die Revolution hatte sich über die ganzen Gaue Deutschlands vollzogen,
Bücherschan
Ein Buch bringt der Vorwärts- Verlag foeben heraus, welches auf jedem Weihnachtstisch liegen sollte. Clara Müller- Jahnke : „ Ich bekenne", ist, nachdem es vier Jahre vergriffen war, neu aufgelegt worden, und zwar erscheint es jetzt in den Hausbüchern des Vorwärts- Verlages. Der Dedel ist mit einer Zeichnung Oskar Jahnfes, des Gatten der verstorbenen Dichterin, geschmückt und alles, was in dem Buch von dem großen liebenden Verstehen gefagt wird, auf welches sich die Ehe gründet, spricht zu uns aus diesem einfachen Dornenzweig, der durch einen Sonnenstrahlenfranz geht. So war das Leben Clara Müller - Jahnkes; dieses starfe, schmerzensreiche, durch tiefste Tiefen führende und auf stolzesten Höhen des Menschentums endende Leben, und so führt sie es uns in ihrem Buche„ Ich bekenne" vor Augen. Ju der Sprache einzig schön, würde es dennoch nicht seine Bedeutung erlangt haben, wenn es nur die Schilderung eines Einzelschicksals wäre. Aber der Lebensweg der Wilma in dem Buche ist der Weg der um ihre Befreiung ringenden Frau überhaupt. In einem ihrer Gedichte( ebenfalls im Vorwärts.Berlag er Schienen) fagt die Dichterin:
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Nichts Menschliches ist mir fremb geblieben, Aus dem Becher trank ich ber bitteren Not. und ein wetterfturmwildes. gewaltiges Lieben Hat wie sengende Flamme mein Haupt umloht. Aber sie verbrennt nicht zu Asche in dieser wahnsinnigen Glut, fondern sie geht geläutert und geftählt daraus hervor, und sie weiß nun, daß die Lüge im Menschen selbst und in der Gesellschaft die Quelle aller Schuld und alles Unglücs ist. So wird sie eine Berkünderin der Wahrheit und in hellem Licht erscheint the ganzes weiteres Leben und Schaffen, das sie dem Manne
Nr. 41
Das rote Sachsen, das die Mehrzahl der sozialistischen Ver. treter im Reichstag stellte, vollzog die Ablösung des alten Regi ments ohne große Schwierigkeit. In dem nicht allzu großen Städtchen Großenhain hatte sich die revolutionäre Gewalt zuerst Bahn gebrochen. In Chemnitz , Leipzig hatte die Arbeiterschaft am Morgen des 9. November bereits die Macht in den Händen, Vom Königlichen Schloffe in Dresden wehte die robe Fahne, eine neue Zeit verkündend. Mein Heimatstädtchen Döbeln durchstreifte ein Dußend Matrosen, die Kieler Beschlüsse anschlagend, nachdem die Kasernen des 139. und 106. Infanterieregiments gestürmt waren, Offiziere und Mannschaften fapituliert hatten. Bis in die kleinsten. Opte des Erzgebirges waren die Wogen der Nevolution geschlagen. Arbeiter- und Soldatenräte hatten die Ge. walt, sozialistische Regierungen wurden auf paritätischer Grund. lage gebildet.
In Sachsen hätte Kulturarbeit geleistet werden können, denn bas freieste Wahlrecht der Welt brachte dem sächsischen Volle die Mehrheit im Landesparlament. Doch der selbstmörderische Bruder. tampf läßt Sachsen mit schlechtem Beispiel vorangehen. Anstatt gemeinsam die Errungenschaften der Revolution zu sichern, mußte die Regierung mit den Demokraten gebildet werden.
Der Rückblick über das vergangene Jahr muß uns zeigen, daß mur Geschlossenheit, Selbstvertrauen und das alte Solidaritäts gefühl halten kann, was wir uns errungen haben.
Minna Schilling
Nach langem schmerzlichen Warten ist ein Teil unserer Gefan genen in der Heimat eingetroffen. In großzügiger Weise sind von der Regierung alle Maßnahmen getroffen, die unseren be bauernswerten Volksgenossen den Wiedereintrit in die Volks gemeinschaft erleichtern sollen. Die Durchgangslager, bie die Burüdgefommenen auf einige Tage aufnehmen, find so organis fier, daß alle Förmlichkeiten, die sich als nötig erweisen, in furzer Beit erledigt sind und die langersehnte Heimkehr in die engere Heimat erfolgen kann. Darüber hinaus sind aber auch überall eifrige Hände am Werke, bemüht, den Zurückkehrenden die ersten Stunden in der Heimat angenehm zu gestalten. Wenn man bieses geschäftige Treiben sieht, fühlt man sich untvillkürlich in die Herbsttage vor 5 Jahren zurüdverseßt. Die großen Bahn, höfe und Durchgangsstationen der Truppen zeigten dasselbe Bild wie heute die Empfangsstationen, wo die Langersehnten zum erstenmal heimatlichen Boden betreten. Wenn bei der Liebestätigkeit, die damals entfaltet wurde, als das große Unglück über unser Vaterland hereinbrach, die meisten unserer Genofsinnen
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entgegenführt, dem sie sich in einer Liebe verbindet, die wie ein helleuchtendes, unverlöschbares Feuer diese Ehe durchstrahlt.
Clara Müller- Jahnke ist eine Bastorentochter. Ueber die Mystik bes Natholizismus entwickelt sie fich zur Atheistin, um zuletzt die Verkünderin des menschheitsbefreienden Sozialismus zu sein. Das ist der Ausklang dieses besten Frauenbuches, welches ich tenne. Die Dichterin ruht seit 18 Jahren in märkischer Erde, jäh und unerwartet fam der Tod, als sie faum 45 Jahre alt, in der Vollkraft des Schaffens stand. Ihr Bekenntnisbuch ist, als ob es heute geschrieben wäre, und wenn in fernen, glücklicheren Zeiten die Frauen dank ihrer politischen Freiheit auch freie Menschen sein werden, dann wird dieses Buch ein Kulturdokument unserer Beit und unseres Kampfes sein.
Ich bin allein! Nun gehe ich einfam über das Feld,
Grau, wie im Пehel erfcheint mir die Welt, Dein lieber Schritt nicht neben mir klingt. Deine weiche Stimme nicht mehr für mich fingt!- Ich bin allein!
War immer der Tag denn fchon fo lang, Schlug immer das бerz fo fchwer und bang, Und hab' ich in allen Stunden
So bart und klar es empfunden: Daß ich allein?
Du gingit fo mutig und tapfer von mir, Das will ich, mein Kind, nun danken Dir, Will stolz meine Einfamkeit tragen, Sag' felt und ohne zu klagen:
Ich bin allein!
Lotte Möller.