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Die Gleich beit
Gesetzbuch, das häufig abgefürzt nur das B.G.B. genannt und geschrieben wird, in Frage; ebenso für Bestimmungen über Mic ten von Wohnungen, über Erbrecht, über Ehescheidungen uno anderes.
Diese Dinge müssen direkt gelehrt und gelernt werden, denn sie Es wäre Tommen immer wieder in der Fürsorgetätigkeit vor. jedoch meines Erachtens sehr unpraktisch, wenn man hierüber den Arbeiterfrauen einfach Vorträge halten lassen wollte. Zunächst ist es recht ermüdend und vielen schwer möglich, einem längeren Vortrag von Anfang bis zu Ende aufmerksam zu folgen. Danu behält man nicht, was so einmal schnell am Ohr vorübergeht, und rasches Mitschreiben des Wichtigsten ist schwer, oft unmöglich. Ferner wird auch leicht das eine oder das andere mißverstanden, besonders wenn sich der Redner nicht ganz klar ausdrückt. Dess halb empfiehlt sich eine andere Form, wie sie auch an Universt täten üblich ist, und dort als Seminar, als praktische Uebungen oder ähnlich bezeichnet wird.
E3 müßte bei solchen Uebungen für Arbeiterinnen zunächst die gesetzliche Bestimmung mitgeteilt werden, dann ein praktischer Fall aus dem Leben, auf den die betreffende Bestimmung past, und dann wird dieser Fall mit den Arbeiterinnen besprochen, die möglichst an der Besprechung sich beteiligen, vielleicht auch selbst ihnen bekannte ähnliche Fälle heranziehen sollen. Dadurch wird auch der Scheu vieler Arbeiterinnen, zu sprechen und ihre Metnung zum Ausdruck zu bringen, entgegengewirkt werden. Diese müssen sie verlieren, wenn sie in der Allgemeinheit mitwirken wollen.
Um Anstalten, in denen Hilfsbedürftige untergebracht werden, beurteilen zu können, dazu ist die Besichtigung dieser Anstalten nötig. Möglichst soll man nicht nur die in Frage kommenden Anstalten selbst, sondern auch ähnliche sehen, wenn es irgend möglich ist, besonders gute, die an Nachbarorten bestehen. Mit jeder Bes fichtigung muß eine Erklärung der Einrichtungen verbunden sein. Natürlich können auch außerdem Beschreibungen von Anstalten gegeben werden. Um Anstalten für Kranke oder zur Unterbringung von Kindern, um überhaupt die Versorgung von Kindern beurteilen zu können, dazu sind gewisse Kenntnisse des Gesund heitswesens, ber Hygiene, erforderlich, wie sie auch für Beurtei lung der Wohnverhältnisse notwendig find. Hierin gerade sind die Kenntnisse der Arbeiterin oft recht lüdenhaft, weil sie m engen, ungesunden Wohnungen gar nicht die Möglichkeit hat, die Anforderungen fennen zu lernen, die vom gesundheitlichen Standpunft aus an jede Wohnung gestellt werden müssen.
In bezug auf Schulverhältnisse werden wohl eigentlich fachliche Kenntnisse weniger in Frage kommen. Hier wird mehr die na türliche Empfindung und die Erfahrung der Mutter zu sprechen haben. Vielleicht wird bei der bevorstehenden Ausgestaltung des Fortbildungsschulwesens etwas über die verschiedenen Pläne für solche Schulen, insbesondere die für Mädchen, zu sagen sein. Aber von der Jugendpflege, die sich mit den normalen schulentlassenen Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren, und der Jugendfürforge, die sich mit den nicht normalen im gleichen Alter, mit Gefährdeten und Straffälligen beschäftigt, sollte jede Arbeiterfrau etwas wissen, vor allem jede, die für das Gemeindewohl arbeitet. Diese heranreifende Jugend ist durch die Kriegsverhältnisse be= sonders gefährdet worden, und wir haben traurig viel jugendliche Verbrecher. Gerade der Einfluß guter Frauen würde hier von besonderem Segen sein. Er würde auch der gewissenlosen kommunistischen Verhebung entgegenwirken können, denen diese jungen, noch nicht reifen und leicht erregbaren Menschen oft allzu schnell zugänglich find.
Praktisch werden sich am einzelnen Ort wahrscheinlich noch eine ganze Reihe verschiedener Dinge ergeben, an deren Ausgestaltung die Arbeiterfrau mitzuwirken berufen ist, über die sie sich demgemäß unterrichten muß. Am einen Ort ist dies, am anderen jenes von mehr Wichtigkeit. Ueberall werden heut von besonderer Bedeutung Beleuchtungs -, Heizungs- und Ernährungsfragen sein. Diese müssen natürlich praktisch nach den örtlichen Verhältnissen gelöst werden, aber es spielen doch die allgemeinen Gesichtspunkte, die Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse, eine bedeutende Rolle, und diese wieder greift über in allgemeine Fragen des Sozialismus, insbesondere die der Sozialisierung von Betrieben. So wird man Arbeiterfrauen hier nur zu vollem Verständnis schulen können, wenn man sie mit Ser Grundlehre des Sozialismus und mit deren Verwirklichungsmöglichkeiten in der gegen= wärtigen schweren Wirtschaftslage befannt
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macht. Diese Bekanntschaft wird sie dann wieder überleiten in das große Gebiet des politischen Lebens überhaupt, auf dem mitzutun die Arbeiterfrau hoffentlich in immer steigendem Maße berufen sein wird. Auch hier wird ihr die allgemeine soziale Schulung und die praktische Vorarbeit in der Gemeinde von erheblichem Nußen sein, denn ein umfassender Ausbau der sozial politischen Gesetzgebung dürfte vor der Tür stehen. Damit die Frauen, insbesondere die Arbeiterfrauen auf die Entwicklung Einfluß ausüben können, sind erweiterte Kenntnisse und möglichst gute soziale Schulung unerläßlich. In den Formen, die ich andeutete, wird sie sich mehr oder weniger ausgedehnt fast überall ermöglichen lassen.
Jahreswende
Von Clara müller- Jabnke Am altersgrauen Baum der Zeit Ift eine Blume aufgeblüht, Und eine Knofpe tut fich auf.
Die Menichheit feufzt in gleicher Fron; Von ihrer müden Stirne fällt Der Schweiß in Tropfen erdenwärts.
Ihr Glaube aber träumt im Licht: Vor ihren Sebnfuchtsblicken schwimmt Das Morgenrot des neuen Tags.
Wie auch die Kette klirrt und drückt, Der Zukunft Sturm zerbricht fie doch,- Und jedes Jahr löft einen Ring. Und jede Knofpe, die erblübt Am altersgrauen Baum der Zeit, Birgt einen Keim der künftigen Frucht.
So grüß ich dich, du neues Jahr; Du junge Knofpe tu dich auf, Und blüh' im lichten Rofenrot!
Des Friedens milder Maienwind Umipiele deinen vollen Schoß. Der Liebe Geilt befruchte dich!
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Und deine Düfte gieße aus, Mit Blütenblättern kränze du Der Menschheit tiefgefurchte Stirn. Und in der Zeiten Niedergang Sei du ein lichter Zukunftstraum, Sei du ein Gruß der neuen Zeit!
Revolution des Geistes
Von Carl Diesel
( Schluß)
Aus dem Vergangenen läßt sich das Werdende erkennen, es gilt nur, das Vergangene zu fennen! Wir Träger der Gegenwart aber sind, einem Zeitalter angemessen, das mit allen Mitteln an der Einenging, der Trockenlegung des Geistes arbeitete, zu beschränkt, zu nüchtern, zu bureaukratisch, zu unpraktisch- praktisch, als daß es uns möglich wäre, unser Herz restlos dem ganz Großen, dem ganz Gewaltigen zu öffnen, erst recht nicht, wenn es vergangen ist. Müssen doch selbst die, denen es gegeben ist, die befähigt sind zu vertiefenden Einbliden, weiten orientierenden Ausblicken,- müssen doch auch sie sich erst frei machen von einem Bann, der alles niederzwang.-
Es zeugt von geringem Verstehen, wenn überragende Geister, die den Blick fühn und seherisch ins Weite senden, die unbeirrt bleiben vom Augenblidsgeschehen, als Schwärmer und Träumer verhöhnt, als Verräter gebrandmarkt werden. Aber die Kleinlichkeit ist der Fluch der Masse, unter dem sie selbst am meisten zu leiden hat.
Weder Goethe noch Schiller entgingen den Verständnislosig feiten und Anwürfen dieser Art, und doch waren beide weit mehr Revolutionäre, als es bei den notariell beglaubigten