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Die Gleichheit
Widerhall sehr beschränkter Art crweden. Eine Rede aber, frei gehalten, über einen Gegenstand, eine Arbeit usw., die man be= herrscht, durchwärmt von dem Ton der Ueberzeugung, beseelt von der Hingabe des Herzens, muß wirken und wird es auch stets fun. Bon begabten Rednern kann man hören, daß ihnen sich ihre Rede als Bild, Gebäude usw. darbietet und sie im Sprechen selber Sak um Cab aneinanderreihen in dem Bewußtsein der Bildung eines Ganzen; wenn man sich eines Bildes bedienen will, im Bewußtsein des Bauens eines Hauses. Satz reiht sich an Say. Gedanke an Gedanke und wird schließlich seine Krönung entp= fangen. Ein solches Reden ist Befreiung eines Schaffenden, ist Schaffen selber.
Nicht jeder Redner, nicht jede Rednerin fann gleichzeitig Meister oder Künstler sein. Vielen versagte Mutter Natur eine oder die andere hierzu notwendige Gabe. Sie können aber sehr oft trotz dieser Versagung durch Fleiß und Ausdauer Redner oder Rednerinnen werden, die nicht nur das, was sie sagen wollen, flar zum Ausdrud bringen, sondern auch fesseln und mitreißen. Ohne Schulung aber wird das nicht erreicht. Nur Arbeit unter be= stitamien Gesichtspunkten führt zum Ziel.
Schon in der Schule muß freier Vortrag, freier Austausch des Mortes, Rede und Gegenrede geprüft werden. Begabten Menschen und all denen, die im öffentlichen Leben stehen und ihres Wortes Einirud und Macht mit zu bauen haben, sollte eine fortlaufende Echulung in der Kunst der Rede, die ein Beherrschen der Sprache bedingt, ermöglicht werden.
Lotte Möller, Fürstenberg i. Medlog.
Akkordarbeit
ist Mordarbeit. So urteilte in Friedenszeiten die organifierie Arbeiterschaft über ein Arbeits- und Lohnsystem, welches woh! dem fleißigsten und geschidiesten" Arbeiter neben färglicher Lohnsteigerung häufig schwerste förperliche Schäden brachie, dagegen dem Arbeitgeber bei Anwendung aller technischen Hilfsmitiel reiche materielle Gewinne abwarf. Schwere gewerkschaftliche Stämpje wurden geführt, um die Affordarbeit vollständig verschwinden zu lassen, oder wenigstens auf ein für den Arbeiter erträgliches Maß einzuschränken. In den Kriegsjahren forderte das Schwitzsystem unter den schlecht ernährten, zur höchsten Arbeitsleistung ge= peitschten Arbeiterinnen die schwersten Opfer an Frauenleben. Beschäftigte doch die mit den ausgeflügeltsten Spezialmaschinen affordarbeitende Metallindustrie hauptsächlich Frauen Mädchen.
und
Die Novembertage des vorigen Jahres räumten dieses Uebel mit einem Schlage hinweg. Fast resilos verschwand die Affordentlohnung, um dem Stundenlohn Platz zu machen, und damit verjant eine der Haupigrundlagen jeder intensiven Höchstleistung. Der Mangel an Kohlen und ähnlichen Betriebsstoffen sowie an den aus dem Ausland einzuführenden Rohstoffen aller Art zwingt uns, durch Höchstleistungen im Bergbau und in der Industrie einen Ausgleich dieser Mängel herbeizuführen. Das fann aber nicht durch Verfügungen irgendwelcher Regierungsorgane, sondern nur durch verständnisvolles Zusammenwirken der Hauptbeteiligten, also der Arbeiter und Arbeitgeber, erreicht werden.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Wiedereinführung der Afordarbeit, wenn auch nicht begrüßt, so doch geduldet trerden. Wer dem Kopfarbeiter es nicht verargen will, mehr als Das Existenzminimum zu verdienen, darf dem geschickten Handwerfer oder ausdauernden Arbeiter nicht den höheren Affordlohn verwehren. Da dauernde geistige und förperliche Höchstleistungen gesundheitliche Nachteile in sich bergen, muß das Streben nach mehr als durchschnittlichem Berdienst seine Grenze finden in dem Interesse der Allgemeinheit an der Gesunderhaltung der Arbeiterschaft, vor allem der Arbeiterinnen. Andererseits muß grundlegend gefordert werden, daß dem Affordarbeiter der größte Teil des aus seiner Mehrarbeit sich ergebenden materiellen Gewinnes zufließt. Ist doch nicht nur die geleistete Arbeit an sich, sondern auch die sparsame Verwendung und pflegliche Behandlung von Material und Werkzeug mit zu berechnen.
In den für die Wiedereinführung der Affordarbeit besonders geeigneten Berufszweigen beraten Vertreter der Arbeiter und Unternehmer über diese Fragen und suchen eine Lösung, die den berechtigten Interessen aller Beteiligten entspricht. Ginen praltischen Versuch, der an dieser Stelle nicht näher behandelt werden fann, machen im Einverständnis und unter tätiger Mitarbeit des Betriebsrates die Märkischen Industriewerfe in Golm bei Pots
Nr. 45/46
damn. In den letzten Tagen fam es nach langen Verhandlungen zur Abstimmung über die Einführung der Affordarbeit auf den großen Werften in Hamburg , Stiel und anderen Seestädten. Ueberall wurde allerdings gegen erhebliche Minoritäten der Afordcrfeit zugestimmt.
To liegt die lehte Entscheidung über die Einführung der Afford arbeit bei den möglichst sämtliche Berufsangehörige umfassenden Gewerkschaften. Denn nur diese bieten uns die Gewähr, daß bei vernunftgemäßer, den allgemeinen Intereffen Rechnung tragender Durchführung der Affordarbeit das Wort von der Mordarbeit seine Berechtigung verliert. Hermann Schröter .
Zwangsgesetze
Von Joh. Fer ch- Wien
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Es gibt Kulturforderungen die ja immer zugleich solche der Menschlichkeit sind, die über Parteipolitik und Weltanschauung hinweg die Denfenden einen und sie eine gemeinsame Straße be= fchreiten lassen. Es sind zumeist Forderungen, dem unerträglich werdenden Massenleib sich entringend, vorwärts gedrängt von dem 8: aftbewußtsein der Masse, daß es nur an ihr liegt, Zustände 3: beseitigen, die die Menschenwürde schänden und nur unter dem System aufrechterhalten werden konnten, das in schamloser Entartung im November 1918 niedergebrochen ist.
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Wir werden aber noch mit den Gesetzen dieses Systems regiert. S: Unfruchtbarkeit des ersten Jahres der Republik offenbart sich insbesondere auf diesem Gebiete. Nun befinden sich aber darunter Gejeße, die ein Hohn auf die Gegenwart sind und auch auf die im wei politische Umwälzung, welche die Unfreiheit der Frau teren des Individuums fortbestehen lassen und nicht auf die allgemeine Reform der Gesetzgebung warten dürfen, sondern raschestens verschwinden müssen. Eine der unwürdigsten Gesetzesbestimmungen ist, die jene Frauen mit Zuchthaus bestraft, die der Mutterschaft zu entrinnen versuchen. Und es ist einer der größten Fehler der Politik der arbeitenden lasse, daß sie bisher diesem Stiavengesetz für ihre Frauen feine Peachtung schenkte..
Es erübrigt sich eigentlich jedes Wort über die wirtschaftliche Vedeutung der Kindesschöpfung in der Gegenwart. In den furchtbaren Verhältnissen, die eine menschenwürdige Ernährung, Befleidung und Erhaltung des Kindes der breiten Massen ausschließen und das Elend der Familie mit jedem Kind verschärfen, in denen sich der Staat als unfähig erweist, das Leben des geborenen Kindes zu sichern, ist das mit Sterker drohende Gesetz unsinnig und unfittlich. In meiner Broschüre Kerker oder Zwangsmutterschaft"( Verlag Wiener Volfsbuchhandlung, 40 HelTer) habe ich eingehend diese Widersinnigkeit aufgezeigt. Und habe darin immer wieder darauf verwiesen, daß nur der imperialistische Etaat ein Interesse an dem unbeschränkten Kindersegen bejaj. Freilich war auch dessen Rechnung falsch, denn die Kindersterblich feit hob die Geburten auf, ohne daß der Staat dieser Selbstver nichtung zu steuern vermochte.
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In der ethischen Erwägung des Vermeidens eines unbeschränften Kindersegens sie wird gerne von den Salten und Sorgenlosen angeführt gelangt man bei nur flüchtigem Betrachten zum gleichen Schlusse. Die Eltern sind die allein Verantwort lichen dem geschaffenen Kinde gegenüber. In einem grauen, Such Not, Elend und Unterernährung verwüsteten Leben wird das Kind zum Antläger gegen die Schöpfer, die es mit Recht als leichtfertig und gewissenlos bezeichnen kann. Die dentenden Eltern, beseelt von dem Verantwortlichkeit3= gefühl gegenüber dem Ungeborenen, werden die Sindesschöpfung vermeiden, zur Selbsthilfe greifen, wenn fie der Frau eine durch die chaotische Lebensführung muilos werdende Mutterschaft ersparen wollen, vor allem im Proletariat.
Dann ist noch die Persönlichkeit der Frau und Mutter mit der ungewollten Schöpfung des Kindes innig verbunden. Das Leben der Frau ist der Einfah. Echon aus diesem Grunde ist es das alleinige Recht der Frau, zu entscheiden, cb sie Mutter werden will, kann und darf. Sie trägt die Leiden, seelisch und körperlich, sie bleibt vont Staat unbeachtet, menn die Frucht ihres Leibes Hunger- und Entbehrungsseuchen erliegt, wenn sie feine Säuglingsnahrung bejizt.
Die Frau, die an ihrer Mutterschaft zur Märihrerin wird, ist mun gleichberechtigt geworden. Damit aber beginnt ein Problemt der Lösung zuzuschreiten, das bestimmt ist, cine tausendjährige Soverei der Frau auszuheben und eine Revolutionierung des