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Die Gleich beit

Blockade verdammte, die Zufuhr von Rohstoffen und Nah rungsmitteln auf ein Mindestmaß beschränkte und uns nö­tigte, unsere letzten Güterreserven anzugreifen und aufzu­zehren.

So stehen wir nun am Ende des Krieges als ein Volk von Bettlern. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß niemals der zahlenmäßige Reichtum in unserem Lande größer war als heute. Man springt mit Milliardenwerten um wie früher nicht mit Millionen. Während aber früher diese Millionen auf der festen Grundlage wirklicher Werte ruhten, während sie ein anderer Ausdruck waren für Bodenschätze und Verkehrs. mittel, für industrielle auf der Höhe der Technik stehende An­lagen, für im Land lagernde Rohstoffe, Halb- und Fertig­fabrikate, für Erlös aus dem Transportgewerbe( siehe Ham­ burg- Amerika- Linie und Norddeutscher Loyd), für Zins. ansprüche an das Ausland, für werbende deutsche Auslands­unternehmungen oder in deutschem Besitz befindliche Aus­landspapiere, sind sie heute zu einem nicht unwesentlichen Teil nichts anderes als Produkte einer gefälligen Notenpresse.

Nach den Angaben des Stocholmer Professors Cassel ver­hielt sich die Beziehung zwischen dem Friedensnotenstand und dem vom Oktober 1918 mie 100 zu 440. m Oktober 1919 wie 100 zu 800. Aus dieser Feststellung erklärt sich unschwec der Tiefstand unseres Geldwertes im Ausland. Unschwer aber nicht restlos. Zu seiner Sentung trägt daneben die durch ge­wissenlose Schieber und Vaterlandsverräter auf Schleichtwegen bewerkstelligte Abschiebung großer Vermögen ins Ausland bei. Er ist ferner mitverschuldet durch das Treiben in- und ausländischer Spekulanten, die aus durchsichtigen, hier nicht zu erörternden Gründen ein Interesse daran haben, den Markfurs niedrig zu halten und ihn jeweilig wieder zu werfen.

Wir sagten, daß in Friedenszeiten unser Notenumlauf durch Gold und andere Werte reichlich überdeckt war und die Noten Das waren, was sie immer einzig und allein sein sollten: eine Erleichterung des Austauschverkehrs, der Produktions- und Konjumtionsbedingungen durch bequeme Wertzeichen.

Der heutige Tiefstand der ausländischen Schätzung dieser Wertzeichen entspricht aber trotz allem, was wir selbst geltend

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Feuilleton

Vergänglich find der Erde reichlte Gaben, nur, was wir außer dem Gebiet der Zeit Gewirkt als Geilter auf die Geifter haben, Das währt und bleibt in alle Ewigkeit.

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Goethe.

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gemacht haben, darum nur teilweise den Tatsachen, weil wir immer noch über ansehnliche volkswirtschaftliche Innemverte und ferner über etwas verfügen, das von je und das auch heute noch die unbedingte Anerkennung der ganzen Welt fin­det: unsere Arbeitskraft, unsere Wissenschaft und Arbeits­tüchtigkeit.

Hier gilt es anzuknüpfen. Von diesem Punkte aus muß das Problem der Geldentwertung, des damit gegebenen hohen Preisstandes aller lebensnotwendigen Gebrauchsgüter und des daraus folgenden Mißverhältnisses zwischen Einkommen und Auskommen der Lohn- und Gehaltsempfänger angefaßt werden. Henr. Fürth .

Vorläufige Wirkungen des Frauen­stimmrechts

Als im Frühjahr 1914 in Belgien der sozialistische Wahl rechtskampf den herrschenden Merikalismus zum Einlenten zwang, erklärten sich die Klerikalen Parteihäupter zu einer neuen Wahlreform auf der Grundlage des gleichen Wahlrechts bereit unter der Bedingung, daß dann auch das Frau en stimmrecht eingeführt werde. Die schlauen Politifer wusten, warum. Gerade die Herital beherrschten Gebiete Belgiens find fulturell rückständig; die Schulbildung steht auf tiefer Stufe, bie Allgemein bildung ist erschreckend gering. Das Frauenstimmrecht würde unter solchen Umständen durchaus reaffionär gewirkt haben. Selbst in Deutschland beobachten wir trok seines zweifellos höheren Kulturstandes, daß die Verleihung des Stimmrechts an die Frauen zunächst den Rechtsparteien zugute kommt. Bei den Wahlen zur deutschen Nationalversammlung wählten it mehreren Städten, darunter Köln und Bruchsal , Männer und Frauen in getrennten Lokalen, mit überraschender Schärfe zeigte sich, daß die Frauen zu einem viel höheren Prozentsatz den Mittel- und Rechtsparteien folgen als die Männer.

Genau die gleiche Beobachtung wurde neuerdings bei den am 5. Oftober in Köln getätigten Stadtverordnetenwahlen ge­macht. Bei einer Wahlbeteiligung von etwas mehr als 50 Pros. wählten 105 747 Männer und 97 012 Frauen. Davon wählten 8entrum: 34 000 Männer und 51 259 Frauen( 89,8 und

Zu ihren Erholungen gehörte der Besuch von Kinkels Borlesungen über Kunstgeschichte. Neben Johanna Kinkel trat ihr Therese Pulsky sehr nahe, die mit ihrem Gatten den Mittelpunkt der ungarischen Emigration bildete. Gleich Johanna Kinkel trug sie das Los der Verbannung mit be­wundernswerter Energie und beteiligte sich mit Eifer an der ungarischen Agitation. Bei ihr traf Malvida Kossuth, der aber durch den Nimbus, mit dem er sich selbst zu um­

Frauengestalten des 19. Jahrhunderts geben liebte, feinen günstigen Eindruck auf fie machte.

Bo

Bon Anna Blos , M. d. N.

( Fortsetzung)

on tief eingreifender Bedeutung in Malvida von Mey­fenbugs Leben war die Bekanntschaft mit dem Russen Alexander Herzen . Sein Buch Bom andern Ufer" hatte schon in Deutschland einen tiefen Eindruck auf sie gemacht. Ein Feuerstrom lebendiger Empfindungen, leidenschaft licher Schmerzen, brennender Liebe, unerbittlicher Logik, bei­Bender Satire", das alles brauste ihr aus diesem Buch ent­gegen und beleuchtete ihr im erbarmungslosen Lichte der Wahrheit die Frühlingshoffnungen vom Jahre 1848 und ihre traurige Zerstörung. In Kinfels Haus traf sie zuerst mit ihm zusammen, und eine seltene Uebereinstimmung ihrer Gesinnungen stellte sich von der ersten Unterhaltung an Heraus. Dieses Finden verwandter Seelen brauchte fie, um ihr Leben erträglich zu finden, denn sie mußte hart arbeiten, um sich ein bescheidenes Dasein zu ermöglichen, um sich in den Sommerferien auszuruhen und um einen Sparpfennig übrig zu haben. Ihre Gesundheit litt unter der aufreiben­den Tätigkeit des Stundengebens, aber sie fühlte sich immit ten der Strömung eines großen, politisch freien Lebens, und sie bewahrte sich die so schwer errungene innere Frei­heit.

Eine tief eingreifende Aenderung trat ein in dem Leben der Verbannten, als Herzen die Aufforderung an Malvida richtete, die Erziehung seiner mutterlosen Rinder zu leiten. Die tätige Freundschaft, die sie allen ihr Rahestehenden er­wies, bestimmte sie, sich der Waisen anzunehinen und ihren Unterricht zu leiten. In Herzens Haus fand sie Gelegen­heit, in freundschaftliche Beziehungen zu Joseph Mazzini zu treten, dessen Bescheidenheit in Haltung und Auftreten sie im Gegensatz zu Kossuth angenehm überraschte. Er irug den von den italienischen Fürsten so sehr gefürchteten Ver­schwörer niemals zur Schau.

Während der Sommerferien, die Malvida am Meer ver brachte, vertiefte sie sich immer mehr in das Studium der weiblichen Erziehung. Heiß wünschte sie sich, ein weibliches Geschlecht heranbilden zu können, in dem alle sittliche Feigheit verschwände, das sich nur der fittlichen Freiheit unterwirst, indem es die Notwendigkeit einer sittlichen Welt­ordnung anerkennt." In einer eifrigen Korrespondenz mit Herzen entwickelte sie ihre Gedanken und erhielt von ihm manche wertvolle Anregung. Die Korrespondenz hatte zur Folge, daß Malvida nach ihrer Rüdfehr nach London ganz in das Herzensche Haus übersiedelte, um die Erziehung sei­ner Kinder und seinen Haushalt vollständig zu leiten. Beide