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Die Gleich beit
gütiges Eingeben auf ihre Intereffen, durch Heranziehung zur Arbeit mit gutem Erfolg hinzuwirken versuche. Sie rühmt, und zwar im Gegensatz zur gebildeten Krankenschwester", wie treu ihr dabei eine dem Volf entstammte Wärterin zur Seite stand, welch guten und dauernden Einfluß diese ausübte und in wieviel Fällen es ihr gelang. Verirrte wieder ihren Eltern und einem geordneten Leben zuzuführen. Dr. Bender würde es daher ganz allgemein als einen Gewinn ansehen, wenn es Aerztinnen vergönnt wäre, in solchen Heimen als Hilfskräfte nur Frauen der Bolfsklasse zu haben".
Ich bin hier mit Absicht etwas ausführlicher geworden. Geseb, und sei es noch so human, ist toter Buchstabe, wenn ihm die lebendigen und willigen Kräfte zur sinngemäßen Verwirklichung fehlen. So wird auch die Prostituierte von der Möglichkeit der Heilung im Krankenhause abseits von allen Polizeischikanen nur dann gern Gebrauch machen, wenn sie sicher sein kann, dort wie ein Mensch behandelt zu werden. Sowie sie sich auch der sittlichen Einwirkung cher erschließen wird, wenn sie nicht im Gewande tugendhafter Ueberhebung einhergeht.
Ein anderer nicht zu unterschätzender Vorteil des zu schaffen. den Gesetzes wird sein, daß es die kostenlose Behandlung aller Bedürftigen und selbst Ersatz von Reiseanslagen, Lohnaus. fall usw. bringen soll. Henr. Fürth .
Von Dr. phil . Bertha Kipfmüller - Nürnberg Keines Mannes Name der Vergangenheit wurde während des Weltkrieges so oft genannt wie der des großen Königsbergers Kant , der in seinem 1795 erschienenen kleinen Werte Bum ewigen Frieden" der Menschheit jene geistige Brücke bauen wollte, die ihr das Glück der Völkerversöhnung bringen sollte, das große Glück, das durch Wilsons ständige Reden wirklich geschaffen hätte werden können, wenn des Amerikaners Charakterstärke der inneren Geistesgröße des deutschen Philosophen gleich gewesen wäre. Stants Name umstrahlt der Kranz Ser Unsterblichkeit, doch wie wenige tennen ihn selbst unter den Gebildeten, wie noch viel weniger unter dem Wolfe. Und dieses sollte ihn fennen, sollte wissen, was es dem Größten zu danken hat, sollte überhaupt erfahren, aus welchem Gedanken- und welchem Wirtschaftskreise die bedeu
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Feuilleton
Viel Klagen hör ich oft erheben Vom бochmut, den der Große übt.
Der Großen Hochmut wird fich geben, Wenn unfere Kriecherei fich gibt.
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Bürger.
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tendsten Geister hervorgegangen sind, um aus diesen Umständen selbst Hoffnung zu schöpfen für die eigene Zukunft. Und insonder heit den Frauen müßten diese Verhältnisse bekannt sein und sie zu der Frage anregen: Wie, sollte es mir nicht auch möglich sein, der Welt einen Sohn, eine Tochter zu schenken, die der Menschheit Erlöser werden könnten? Wahrlich, der Menschheit Sehnsucht geht auf Erlöser. Und die Urschöpfer der Menschheit sind, wie Goethe in seinem zweiten Fauftteile klar erfannb hat, sind eben die Mütter".
Kants Mutter. Sie war feine von jenen berühmten Frauen wie Johanna Schopenhauer , des Philosophen Mutter, mit ber er in ständigem Gegenjak lebte, sie war feine von der Art Frau Ajas", der Mutter Goethes, die aus vornehmem Patriziergeschlecht stammte und ob ihres berühmten Sohnes Größe Fürstinnen zu Besuch hatte und mit Fürstinnen in Briefwechsel stand. Sie war etwas ganz anderes: Sie war eine einfache, schlichte Bürgersfrau und lebte mit ihrem Manne, dem Riemer Stant, in der Sattlergaffe zu Königsberg , wohin sie ihm nach der Trauung gefolgt war. Das Leben war ernst und die große Familie verlangte das Busammenfassen aller Haushaltungsfräfte: Fleiß, Sparsamkeit, Ausdauer bis ins kleinste. Das Gewerbe des Vaters gab gerade den notwendigsten Unterhalt. Der Geistliche, welcher das Kantsche Paar seinerzeit eingesegnet hatte, Tegte den Text vom„ Tau des Simmels und von der Fettigkeit der Erde" zugrunde. Von dieser war aber in der Ehe nichts zu spüren, während sich jener äußerte in der großen Frömmigkeit der Familie, aus der die Mutter immer wieder Kraft, Trost und Hilfe sog, wenn ihr das Herz voll Sorge war.
Die Eltern Rants gehörten dem strengen Pietisten furs an, dem die Frömmigfeit nicht äußerer Schein, sondern wirkliche Tugend war. Der Vater zeichnete sich durch Rechtlichkeit und Fleiß aus, ohne besondere hervorstechende Eigenschaften. Die Mutter hatte einen mehr ausgezeichneten Charakter". Der Vater verlangte Wahrheit, die Mutter forderte noch Höheres: fie verlangte eiligteit. Die täglichen Gebetsübungen, die sie durch Pastor Schulz kennen lernte, waren ihr fein Lippendienst, sie waren ihr tiefinnerstes Gemütserlebnis und ließen sie mit ahnungsvollem Blick hineinschauen in das Ueberfsinnliche, sie ließen sie in heiligem Sehersiun Gott erkennen. Ihre Seele ging hinaus, weit hinaus über das Jrdische und in der scharfen Klarheit ihres Geistes, in der vollen und reinen Tiefe ihres Gemüts schenkte sie einent Sohne das Leben, der der Menschheit eine Philosophie, eine Weisheitslehre, gab, von einer Tiefe und Weite, von einer Höhe und Erhabenheit, wie sie nicht vor und Man lese nicht nachher ein zweiter Denker schenken fonnte.
ratur hat es zu allen Zeiten Vertreter gegeben, die volles Verständnis für die bedrängte Lage der moralisch und wirt schaftlich geächteten Mutter und ihres Kindes gehabt haben. Das Magdalenenmotiv nach der bekannten biblischen Büßerin benannt hat in unserer Dichtung von jeher seinen Plat beansprucht. Das Schicksal der Mutter wie des Kindes wurde dichterisch im Drama sowohl wie im Roman gestaltet, und auch jene zwei ungliidlichen Wendungen, dem Kindesmord wie der Selbsttötung, begegnen wir sehr häufig. Aber
Vom Magdalenenmotiv in der deutschen wie das proletarische Klassenempfinden gegenüber solchen
Dichtung
Von Josef Kliche, Misiringen
Kin
Die moralisch- rechtliche Stellung der außerehelich gebärenden Mutter ist noch heute nach Krieg und Revolution eine äußerst ungünstige. Noch immer glaubt prides Philister tum gegenüber einer solchen Frau gefittet Pfui fagen zu müssen und auch die Gesetzgebung hat erst die ersten zaghaften Schritte unternommen, um jenen Müttern und ihren in dern Schutz und Recht des Gesetzes zukommen zu lassen. Denn wie der Mutter ergeht es dem Kind. Ja in noch stärkerem Maße hat dieses den ihm vom Slaffenstaat umgehängten Mantel des Makels zu tragen. In der Beurteilung durch oberflächliche Mitmenschen aber trifft auf beide sehr häufig das Wort des Dichters zu: und schuldig hörst du ausge sprochen, wo Unschuld nur sich selber schützt.
Indes ist eine solche Beurteilung von Mutter und Kind nie so recht Allgemeingut in der Denkweise unseres Voltes geworden, und besonders in der deutschen schöngeistigen Lite
Müttern, so ist auch der Dichter meist mild und verstehend ge worden. Wagner, Bürger, Schiller, Goethe und andere weih< ten die Märtyrerin und nahmen sich auch der Kindesmörderin an.
Goethe hat in seinem" Faust" die Körper- und Herzens. Vont Hein der Schmerzensmutter ergreifend geschildert. kleinstädtischen Abendgespräch der zungenfertigen Nachbarinnen am Brunnen bis zur Kirchen- und Kerkerszene gleitet das große Leid der jungen, ach so unschuldigen Mutter an uns vorüber, und wem ist wohl nicht schon in unseren Tagen der Gedanke gekommen, daß die harten Anklageworte, die der sterbende Bruder Valentin gegen die Supplerin schlendert, eigentlich ins Gesicht der Gesellschaft gehörten. Ein halbes Jahrhundert später schuf Friedrich Sebbel seine Klara in der„ Maria Magdalena " und gab seinem Werk den speziellen Namen der Gattung. Was sich bei Goethe laut und ver zweifelnd gebärdet, geht bei Hebbel , dem ehemaligen Maurerjohn aus Wesselburen , stumm und rettungslos feinem Schicksal entgegen. Ja, die Tragödie will uns hier noch düsterer