Nr. 4

Die Gleichheit

Eine der feinsten Blüten des Menschenherzens ist der Sinn für Freundschaft, das Gefühl der Hingabe und Aufopfe rung für ein anderes Wesen. Ich möchte dafür eine Erklärung wählen, die Ktant in seiner Abhandlung Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" einer andern Empfindung gibt und sie auch das Gefühl von der Schönheit und der Würde der menschlichen Natur" nennen. Dieses Herrliche Gefühl lebte wie im Sohne, so auch in seiner Mutter, wovon ihr Tod, ihr Opfertod ein Beweis ift.*) Frau Kant hatte eine Freundin, die sie zärtlich liebte. Diese war mit einem Manne verlobt, dem sie ihr ganzes Herz, doch ohne Verlegung ihrer Unschuld und Tugend, geschenkt haite. Ungeachtet der gege­benen Versicherung, sie zu ehelichen, wurde er aber treulos und gab bald danach einer andern die Hand. Die Folge davon für die Getäuschte war ein tödliches, hißiges Fieber, in welches Gram und Schmerz sie stürzten. Sie weigerte sich in dieser Krankheit, die ihr verordneten Heilmittel zu nehmen. Ihre Freundin, die sie auf ihrem Sterbebette pflegte, reichte ihr den angefüllten Löffel hin. Die Kranke weigerte sich, die Arznei zu nehmen und schützte vor, daß sie einen widerlichen Geschmac habe. Kants Mutter glaubte sie nicht besser vom Gegenteil überzeugen zu können, als wenn sie den selben Löffel mit Medizin, den die Kranke schon gekostet hatte, selbst nehme. Etel und falter Schauer überfielen fie aber in dem Augenblide, als sie dieses gelan hatte. Die Ein­bildungskraft vermehrt und erhöht beides, und da noch der Unt­stand hinzufam, daß sie Flecken am Leibe ihrer Freundin entdeckt hatte, so erklärt sie sofort: diese Veranlassung sei ihr Tod, legt fich noch an demselben Tage hin und stirbt bald danach als ein Opfer der Freundschaft."

Mit dem Tode der Mutter war des Hauses Stern erloschen. Die Berhältnisse bewegten sich abwärts. Kant selbst war tief ergriffen, ihr früher Berluft hatte ihm das beste Gut, die ver­ständnisvolle Seele eines werdenden hohen Geistes, geraubt. Noch im Alter gedachte er ihrer mit der ganzen Liebe seines reichen Herzens.

Ein großer, starter Geist, eine reine Persönlichkeit war mit ihr aus dem Leben geschieden. Die einfache, schlichte Frau des Handwerkerstandes mit ihrem unverfälschten, gefunden Menschen­verstand", auf den der Sohn so viel hielt, daß er ihm in seiner Kritik der reinen Bernunft", seinem Hauptwert, eine besondere Beachtung gibt, sie hat der Menschheit das Eine geschenkt: den größten Philosophen des Erdballs. Ihr sei die Ehre.

*) Ich folge hier ganz der Darstellung Wafianstis.

Welt. Und diese derben, aber ehrlichen Leute, die auf solche Weise Zeugen eines gräßlichen Mutterschmerzes wurden, fie übernehmen die Nächerpflicht: zwei Tage später, als der heuch lerische Priester die in den Wehen Gestorbene ins Grab seg net, trifft ihn die rächende Kugel. Aug um Auge, Zahn um Bahn. Es ist eine ergreifende Dichtung, dieser Magdalenen­roman von der Gertraud Sonnweber.

Lebensbejahender, dem Wesen des Viebigschen Buches ver­wandt, hat der zeitgenössische Realist Alfred Bock , ein eindringlicher Schilderer des hessischen Voltslebens, in seinem Roman Kinder des Volkes" das Schicksal seiner Heldin ge­faltet. Nach trüben Tagen fiegt hier ein starker Wille und der Glückszufall des Lebens. Bock hat übrigens das Problem mehrfach, wenn auch nicht mit besonderer Tiefe, behandelt. Eine der besten Schilderungen- weil das Mädchen nicht an der Schande" zerbricht, sondern den Weg aufwärts findet gibt uns Clara Müller- Jahnke in dem Roman Ich bekenne".

So hat die ernste deutsche Dichtung, soweit sie sich über­haupt mit Boltsleben und Bolfspsyche befaßte, auch die Tragik der außerehelichen Mutterschaft in wahrstem Wortsinne geadelt. Und das mit Recht, denn es ist kein geringes Heldentum, das uns zumeist in solch einer Märtyrerin ent­gegentritt. Man soll auch solch eine" ehren, denn der Be­griff Mutter ist ein heiliger. Möchte die Zeit nicht fern sein, in der außereheliche Geburt weder in Volksmund, noch im allgemeinen Recht als ein Makel angesehen wird. Eine Zeit, in der der reine Menschheitsgedanke im Sinne der besten Vertreter deutschen Schrifttums Geltung erlangt,

Beibehaltung der Frauenreferate*)

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Bon Dr. Marie Elisabeth Lüders, M. d. N. Die unter obiger Ueberschrift erschienenen Ausführungen von Hedwig Wachenheim in Nr. 40 der Gleichheit" können nicht gut unbeleuchtet bleiben, da sie zahlreiche Irrtümer enthalten oder hervorzurufen geeignet sind, und letzteres vielleicht um so mehr, wenn die in jenem Aufsatz zitierte Schreiberin dieser Zeilen zu den erwähnten Ausführungen schweigt und man ihr Schweigen als Zustimmung deutet.

Die Verjafferin des Auffakes fann zweifellos niemals im Rahmen der Organisation der sogenannten Frauenreferate" mit­gearbeitet haben, sonst wäre z. B. nicht das Verhältnis der Frauenarbeitszentrale beim Kriegsamt- Stab"( später Referat Frauen beim Kriegs- Erjah- und Arbeitsamt) zum Nationalen Ausschuß für Frauenarbeit im Kriege" so grundfalsch und für jeden, der in dem üblichen Kompetenzverhältnis zwischen behörd licher Instanz und frei gebildetem Sachverständigenausschuß Be­scheid weiß, unmöglich dargestellt worden. Ein Blick in die jedem zugänglichen Veröffentlichungen der Zeitschrift" Das Kriegsamt" konnte darüber belehren.

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Auch kann nur Unkenntnis der von den Frauenreferaten verfolg ten Ziele, Aufgaben, Methoden und der von ihnen erreichten Er­folge zu der apodiktischen Behauptung verleiten, es sei in alles hineinregiert" worden und wie Ludendorff die Kriegsbeschädigten­frage vom Standpunkte des Endfieges behandelte, so sie die Kinder­gärten". Genau das Gegenteil ist geschehen im allge­meinen und auf dem Gebiete der Kinderfürsorge noch im be sonderen Sonst wäre es auch völlig überflüssig, für die Fort­fegung der begonnenen Arbeiten- einerlei unter welchem Namen zu wirken, sondern gerade aus der von der Leitung der Frauenarbeitszentrale von vornherein ganz bewußten und den von ihr geschaffenen Frauenreferaten immer wieder ein­geimpften leberzeugung, die Gelegenheit des an sich unglück­lichen Augenblids für organisatorische und prat­tische Zukunftserfolge auszunuzen, und die unter diefem vom Kriege und seinem Ausgange völlig un­abhängigen Gesichtspunkte erzielten Erfolge berechtigen überhaupt nur zu der Forderung, den beschrittenen Weg zu verfolgen. Wenn a. B. Städte die ehemaligen Frauenarbeitsmeldestellen zu weib­lichen Abteilungen des Arbeitsnachweises ausgebaut haben; wenn diese eine organische Arbeitsverbindung mit der vorbeugenden und nachgehenden Wohlfahrtspflege suchen, wie z. B. die über 30 *) Vgl. Gleichheit" Nr. 40.

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Die Ehebrecherin

folgedessen ist auch der Ehebruch häufiger, während die Berurtei Ohne Frage sind die ehelichen Sitten loderer geworden. Ina lung des Ehebruches und dementsprechend seine Bestrafung weniger

streng ist als in früheren Zeiten,

Bei dem Unterschied, den man zwischen Mann und Frau in Sitte, Recht und Gefeß macht, nimmt es nicht wunder, daß auch der Ehebruch verschieden streng beurteilt wird und der Chebrecher

meist biel glimpflicher davon kommt als die Ghebrecherin.

Bei zahlreichen Völkern muß die Frau den Ehebruch mit dem Lode büßen. So bei einigen australischen Stämmen, bei den Papuas, in Neukaledonien ( hier wird auch der Ehebrecher ge­tötel), in Amerika bei den Pampas- Indianern, wo ebenfalls der Verführer dem Tode verfällt, wenn es ihm nicht gelingt, seinen Gegner durch Geschenke zu beschwichtigen. Auch bei den Arau­kanern und bei den Turkmenen erhielt die Ghebrecherin früher die gleiche Strafe.

Im alten Rom hatte nicht nur der Gatte das Recht, sein Weib und den Ghebrecher zu töten, sondern das gleiche Recht stand dem Vater zu gegenüber seiner Tochter und ihrem Verführer. Später wurde die Todesstrafe gemildert in Landesverweisung und Zucht­haus, noch später in Gefängnis, oder sie wurde gar in eine Gelds strafe verwandelt.

Bei anderen Völkern ist die Todesstrafe noch verschärft durch ihre graujame Form. Bei den alten Juden wurde die Ehes brecherin gesteinigt. Der Ghebrecher nur dann, wenn er die Hand­lung mit einer Verheirateten begangen hatte. Der Mohamme daner hat das Recht, wenn der Ehebruch durch vier Zeugen er