9.6
Die Gleichheit
land, sondern auch an Rußland ! An den russischen Bolschewisten! Die sich genau so sehnen, zu friedlichen, ruhigen Verhältnissen zu fommen wie wir.
2. Die Versuche unserer Kommunisten und Hinabhängigen, die Ergebnisse der russischen Revolution möglichst naturgetreu auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen, erscheinen in ihrer ganzen Halt- und Sinnlosigkeit in dem Augenblick, in dem wir erkennen, daß in Rußland unter 100 Menschen 86 Bauern sind, während Deutschland ein ausgesprochenes Industrieland ist.
Es kann also nicht unsere Aufgabe sein nur um möglichst rrrevolutionär zu sein oder zu scheinen, die russische RevoTution nachzuahmen, die Fehler, die dort gemacht wurden, zu wiederholen, sondern wir müssen alles daran sezen, die dort ge= machten Fehler zu vermeiden und aus ihnen zu lernen. Im übrigen aber die deutsche revolutionäre Bewegung, die noch lange nicht abgeschlossen ist, in ihren eigenen Bahnen vorwärts zu treiben! Kurt Heilbut .
Was unsere Volksschuljugend werden will
Die Zentrale für Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung beim Leipziger Arbeitsamt sucht sich durch Fragebogen, die von den zu Ostern die Schule verlassendea Schüler und Schülerinnen in der Schule ausgefüllt und dann ihren Eltern zur Einverständniserklärung vorgelegt werden, über die Berufswahl der Volksschüler zu unterrichten, um so eine Uebersicht über den Bedarf an Lehrstellen zu erhalten. Nach dem Ergebnis der Umfrage wollen bon den Schülern werden: 502 Schlosser, 296 Elektriker, 258 TischTer, 223 Bäder, 228 Kaufleute, 199 Mechaniker, 107 Fleischer, 81 Buchdrucker und Schriftseher, 69 Dreher, 48 Schreiber, 46 Schuhmacher, 41 Buchhändler, 40 Zeichner, 36 Buchbinder, 31 Sattler und Tapezieret, 30 Maurer, 29 Kürschner, 28 Köche, 25 Gärtner, 24 Friseure, 23 Klempner, 22 Schneider , 21 Drogiften, 15 Maler, 15 Schmiede, 14 Zimmerer, 14 Konditoren, 13 Zahntechniker, 12 Stellmacher, 12 Sellner, 11 Gürtler, 10 Mufifer. Für alle übrigen Berufe liegen. weniger als 10 oder nur bereinzelte Meldungen vor. Für die Landwirtschaft zeigen 167 Schüler Neigung. 135 geben schlechthin an, Arbeiter zu werden und 399 waren in der Wahl eines Berufes noch unentschieden. Von den Schülerinnen wollen 664 Stellen im Haushalt annehmen, 292 Kontoristinnen, 214 Schneiderinnen, 177 Verkäuferinnen, 100 Kindergärtnerinnen, 98 landwirtschaftliche Scholarinnen, 60 Putmacherinnen, 52 gewerbliche Arbeiterinnen, 33 Frisensen, 19 Blumenbinderinnen, 19 wissenschaftliche und Fachlehrerinnen und 17 Weißnäherinnen werden. 94 wollen zu nächst die Frauenberufsschule besuchen und vereinzelte wollen Musik studieren, Schauspielerin, Uhrmacherin, Photographin, Dentistin, Sozialbeamtin und Zeichnerin werden. Bei 1989 ist die Berufswahl noch unbestimmt.
Aus unserer Bewegung
Am 6. Januar d. J. fand in der Zentrale für Arbeiterbildung zu Duisburg eine Streistonferenz der agitatorisch tätigen Geossinnen für den Unterbezirk Duisburg- Mülheim( Ruhr ), Ober Hausen , Hamborn- Sterkrade- Wesel unseres Wahlkreises statt. Diefelbe war von 40 Teilnehmerinnen besucht und wurde um 10% Uhr mit folgender Tagesordnung eröffnet: 1. Geschäftliches; 2. Organisation und Agitation; 3. Die Frau in der Republik , unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und politischen Lage.
Im Namen des Kreisvorstandes begrüßte Genoffin Arning. Duisburg die Teilnehmerinnen und führte aus, daß es nach 5 Jahren, in denen die Frauen körperlich und seelisch Großes erduldet haben, das erste Mal sei, wo die agitatorisch tätigen Frauen aufammengefommen seien, um einen Rüdblid über unser Wirken feit unserer Gleichberechtigung zu halten, und was das wichtigste fei, Richtlinien für unsere Arbeiten in der Parteibewegung auf
zustellen.
Nachdem der geschäftliche Teil, Konstituierung der Konferenz, Festjehung der Tageszeit u. a. m. erledigt war, nahm die Gehossin Arning zu ihrem Referat: Organisation und Agitation das Wort. Sie schilderte in furzen Klaren Worten den Aufbau unferer Frauenbewegung im hiesigen Bezirk. Während der letzten Stiegsjahre habe die Frauenagitation fast vollständig geruht, weil ja die Frau durch die Ernährungsschwierigkeiten, durch die Sorge
41
um die Lieben im Felde, fast ganz in Anspruch genommen sei, so daß sie für Politik nicht Auge noch Ohr übrig hatten, und für Organisation gar nicht zu gewinnen waren. Erst als der Zujammenbruch des Militarismus und damit der der herrschenden Gewalten tam, erwachte bei den Frauen wieder das Bewußtsein, daß auch sie jetzt nicht müßig sein dürften und daß es ihre Pflicht sei, mitzuhelfen am Aufbau des neuen Vaterlandes. Go fam es dann, daß bei Ausbruch der Revolution Frauen in großer, Zahl ihren Beitritt zur politischen Organisation erklärten. Aber schon recht bald erlosch dieses Strohfeuer wieder, weil ja die große Mehrzahl der Frauen von der sozialistischen Weltanschauung nicht durchdrungen war. Das sei auch der Hauptgrund, daß der Nußen des Frauenwahlrechts den bürgerlichen Parteien und vor allem dem Zentrum augute fam.
Sodann gab die Referentin einen Ueberblick über den Stand unserer Frauenorganisation und unserer Frauenzeitschrift, der „ Gleichheit". Durch die Aufhebung der obligatorischen Lieferung derselben sei die Gleichheit" bedauerlicherweise sehr zurückges gangen, weil die Frauen neben dem erhöhten Parteibeitrag das Abonnement der„ Gleichheit" nicht tragen können. Ein erheb= licher Fortschritt sei allerdings auch hier erreicht, weil die„ Gleich heit" statt 14tägig wöchentlich erscheint.
Alsdann wurden von der Rednerin praktische Winke zur BeTebung der Agitation gegeben und auf die kommenden Wahlen hingewiesen, wo es gelte, der Welt zu zeigen, ob der internationale Kapitalismus oder der Sozialismus für die Zukunft in Deutsch land herrschen solle. Der Platz jeder Arbeiterfrau sei in unseren Reihen, mit den organisierten Männern gemeinsam, zu streiten für die Befreiung der Menschheit.
Unser soll die Zukunft sein!
Hierauf folgte eine recht rege Diskussion. Fragen politischer und wirtschaftlicher Natur wurden erörtert. Es wurde gewünscht, daß, wenn es nicht möglich sei, eine Frauenzeitung für unsern Bezirk herauszugeben, so doch in unserer Tagespresse mehr Raum für Frauenfragen freizustellen. Ein Antrag ging ein, welcher lautet:
„ Die Frauen der Konferenz verlangen vom Kreisvorstand eine tatkräftige Unterstützung bei der Agitation. Unbedingt müssen in jeder Filiale givei Genojjinnen bestimmt werden, die die Agi. totionsarbeit übernehmen. Der Kreisleitung wird anheimgegeben, dafür Sorge zu tragen, daß die„ Gleichheit" wieder obligatorisch eingeführt wird mit einem vierteljährlichen Extrabeitrag..
Zu Punkt 2 nahm Genossin Ege Frankfurt, Mitglied der Landesversammlung, das Wort. Sie verstand es, die Frauen vom Anfang bis zum Schluß mit ihren Ausführungen zu fesseln. Als Parlamentarierin fonnte sie unseren Frauen sagen, welche wertvollen Arbeiten Sozialdemokratinnen für unsere Frauen ge leistet haben. Wie sie tapfer die Rechte des unehelichen sindes und seiner Mutter gefordert und zum Teil auch erreicht haben. als weiterer Fortschritt sei zu verzeichnen die Aufhebung des Bölfbats der Lehrerinnen, die Zulassung der Frauen zur Zeitung der Fürsorge- und Erziehungsanstalten, die Verankerung der Frauenrechte in der deutschen Reichsverfassung, das neue Sied lungsgesetz, welches auch für Frauen von besonderer WichtigTeit ist..
Nach längeren Ausführungen sprach die Referentin noch über den schmachvollen Frieden, den wir zu schließen gezwungen waren. Mit welcher Unbarmherzigkeit uns die Entente ihre harte Faust spüren läßt. Dann mahnte sie zur Einigung des gesamten Proletariats, denn nur ein einiges starkes Volk kann sich wirtschaftlich und kulturell wieder erheben, nur ein einiges starkes Proletariat kann die Ziele des Sozialismus verwirklichen!
Eine Diskussion hierzu war nicht erwünscht. Genossin Arning faßte noch einmal in ihrem Schlußwort alles Gehörte zusammen und betonte besonders, wie notwendig die Teilnahme der Frau ant politischen Leben sei. Die Bahn sei frei, nun läge es an den Frauen, durch tatkräftige, intensive Arbeit zu zeigen, daß sie die ecrungene Freiheit im richtigen Sinne anguivenden vermögen. Mit einem Hoch auf die deutsche Republik schloß die Konferenz, welche hoffentlich für unsere Bewegung reiche Früchte tragen
wird.
Druckfehlerberichtigung. In dem Leitartikel der Nummer 5 muß es in der zweiten Spake, Beile 28, anstatt Möglichkeit"„ Unmöglichkeit" heißen.