Nr. 17

30. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Haus

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis: Monatlich 1,20 Mart, Einzelnuminer 30 Pfennig Durch die Post bezogen vierteljährlich ohne Bestellgeld 3,60 Mart; unter Kreuzband 4,25 Mart

Berlin

24. April 1920

Zuschriften sind zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morisplay 147 40 Expedition: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Feinde ringsum

Das politische Barometer steht auf Sturm. Die Draht zieher des Butsches vom 13. März haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Deutschland vollkommen in Grund und Boden wirtschaften zu können. Ob neues Leben aus den Ruinen blüht, ist ihnen anscheinend vollkommen gleichgültig. Die Hauptsache bleibt ihnen, erst mal alles in Trümmer zu schlagen, so, wie es der Sänfer in sinnloser Betrunkenheit tut. Als die Arbeiterschaft sich in einmütiger Entschlossenheit den Kapp- Putschisten entgegenstellte und ihnen durch den Generalstreif- die Lebensbedingungen nahm, folgte dem mon­archistischen Nausch der Katzenjammer. Was hatten die Kapp und Lüttwizz für Furcht, daß das Bolf ihnen nun die gerechte Bestrafung diftieren könnte. Aber das deutsche Volk ist fried­liebend und großmütig; es fühlte seine stolze Straft und hielt es-- wie das Pferd in der Fabel vom Tod des Löwen- für niedrig, Nache zu üben. Es wollte Gerechtigkeit. Es ver­langte geredte Bestrafung der Schuldigen, aber es unterließ, die flandrechtliche Aburteilung der Landesverräter und Auf­rührer zu fordern. Zwar wurde das Standrecht einige Taje später an unschuldig- schuldigen Totschlägern ausgeübt, aber diejenigen, die diese Bestie in den einzelnen Menschen ge­wedt hatten die Ludendorff- Kapp- Lüttwig und Genossen gingen frei aus. Sie hatten die Flucht als der Zapferkeit befferen Teil erwählt. Wir Frauen verwerfen das Stand­recht, wie wir überhaupt das Töten von Menschen durch Menschen ablehnen; aber wenn das Standrecht überhaupt noch ausgeübt werden konnte. Dann mußte es die Urheber all der grauenvollen Bluttaten treffen, welche aus dem Putsch er­wachsen sind.

Politischer Fanatismus ist deshalb so gefährlich, weil er ansteckend wirkt und so erlebten wir es, daß den Wahn­finnigen und Verbrechern von rechts die von links folgten. Mit Politik und Parteien haben diese Dinge längst nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit Räubertum. Zwischen diesen Auswüchsen von beiden Seiten den richtigen Weg zum Schuße der anständigen Bevölkerung zu finden, war für die Regierung äußerst schwer, und so bedauerlich die Fehler sind, die hierbei gemacht wurden, so sind sie doch für jeden ehr lichen Menschen verständlich. Aus den Ruhrgebiet gelangten Rufe um Hilfe durch Soldaten, und Abwehrruse gegen den Einmarsch von Militär in bunten Durcheinander an die Ne­gierung, aber die Hilferufe überwogen. Es wurde verhandelt und Militär geschickt. Und in den Soldatenröden steckten neben anständigen Menschen, solche mit vichischen Instinkten, die an dem Blutranjch des Krieges frant geworden sind und nie mehr gefund werden können. Es find furchtbare Dinge in den betroffenen Gebieten geschehen, aber die Schuldigen find die verantwortungslosen Aufrührer von rechts und links, die im Hinterhalt siten und deren blutige Opfer zum großen Leil die Arbeiterschaft geworden ist, die Freiheit und Re­Publif schützen wollten.

Just in diesem schweren Augenblick fiel es Frankreich ) ein, den Friedensvertrag von Versailles durch den deutschen : Militarismus gefährdet zu sehen und es schickte uns deshalb seine Soldaten in den Maingau um u. a. die Städte Frank­ furt a. M. und Darmstadt zu besetzen. Die Kappisten wollten die Monarchie, die Kommunisten die Rätediktatur errichten, und die Franzosen möchten noch einen weiteren Teil blühen­den deutschen Landes zum dauernden Wohnsiz erwählen, und alle nennen sie es: die Freiheit schützen, alles um des dent­schen Volkes willen und zu seinem Wohle tun. Und alle be­dienen sich der gleichen Mittel: der Militärmacht, der Mord­werkzeuge. Bei uns wäre der Militarismus zum Sterben verurteilt, wenn nicht immer wieder die Volksbeglücker von rechts und links mit tatkräftiger Unterstügung Frankreichs das Lebensflämmchen von neuem anbliesen. Und Frankreich hätte doch soviel bei sich zu tun; wir aber würden viel besser fertig, wenn man uns alleine ließ. Senegalneger hatten Frankfurt befekt. Diese eine Tatsache gibt den Kappisten mehr Boden, als sie in angestrengtester Agitationsarbeit hätten erobern können. Und sie fühlen ihren Stern int Steigen. Ueberall in Deutschland haben sie die Fäden für einen neuen Butsch gesponnen, und obwohl der Plan befannt einstellen können, sind die Drahtzieher diesmal von dem Ge­ist, Regierung und Bevölkerung sich also auf seine Abwehr lingen überzeugt. Das zeigt uns die Größe der Gefahr.

Unser Militärwesen muß und soll reformiert werden. Das ist nur möglich mit tatkräftiger Unterstützung der organi­sierten Arbeiterschaft. Nur dann, wenn die ehrlichen Repu­blifanec im Waffenrod sich mit denen im Arbeitstittel zu­sammenfinden. Das heißt also, wenn sie bereit sind, im Not­falle mit der Waffe in der Hand die Republik zu verteidigen. Wird das möglich sein? Das hängt zum großen, wenn nicht zum größten Teil von den Frauen ab. Die Verant­wortung, die damit auf uns fällt, ist so riesengroß, daß sie fürchte ich von keiner Frau getragen werden kann. Welche Frau, die Gatten, Sohn oder Freund im Kriege batte, ist fähig, heute zu sagen: Stelle Dich in die Neihe der Kämpfenden, wenn es sein muß!?

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Wir Frauen haben bisher so wenig bedeutet in der großen Politik, denn Bolitif macht man mit dem Verstande, nicht mit dem Gefühl", sagt die Männerlogit, die Deutsch­ lands Berderben geworden ist. Diese Politik des Verstandes ohne Denken, die sich nie auf die Mentalität anderer Völker einstellen fonnte, weil sie so gefühlsarm war.

Die Abwehr des Kapp- Putsches hat gezeigt, daß es für den inneren Frieden kein besseres Schutz- und Kampfmittel gibt, als die Einigkeit der Arbeitnehmerschaft. Die Kappisten find jetzt nur so siegessicher, weil sie diese Abwehrfront durch­brochen glauben. Und tatsächlich ist sie durch die Vorgänge im Ruhrgebiet ins Wanken gekommen, es wäre Torheit das nicht einzugestehen. Daß der General von Watter mit dem Oberkommando betraut wurde, hat große Bedenken in der Arbeiterschaft hervorgerufen, die hier bereits geäußert wurden.