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Die Gleichbeit

bei der Fürsorgeerziehung, führen die Aufsicht über alle Einrich tungen und Anstalten der Jugendfürsorge usw.

Den Frauen wird die Möglichkeit wirkungsvoller Tätigkeit in ben Jugendämtern eingeräumt. Sie müssen in den Jugend. ämtern wie in den Beiräten vertreten sein, sind als hauptamtliche Bezirksfürsorgerinnen und als freiwillige Selferinnen anzu ftellen, fönnen Geschäftsführerin eines Jugendamtes werden.

Die Wichtigkeit des Jugendfürsorgegefeßes liegt auf der Hand, ebenso die Wichtigkeit der Mitarbeit dabei wie bei den Durch führungsbestimmungen von möglichst viel sachverständigen Frauen. Ibsen sagt irendwo: Die Jugend flopft heute an unsere Tür und wünscht gebieterisch die Erfüllung ihrer idealen Forderung, zu einem tüchtigen Menschengeschlecht erzogen zu werden." Die Frauen der Nationalversammlung haben geholfen, die Tür zu öffnen. Möchten die Frauen im Reichstag die Jugend durch diese Tür hineinführen in das Land, in dem ihre ideale Forderung erfüllt wird. Dann lösen die Frauen ihre vornehmste Aufgabe, Indem sie der Jugend helfen, die Not der Zeit zu überwinden und fie zu einem tüchtigen Menschengeschlecht zu erziehen.

Die Wochenhilfe

Jm alten Deutschland war es trop größter Anstrengungen unserer Partei nicht zu erreichen, daß der Staat seine Pflicht gegenüber der Mutter und ihren Kindern erfüllte. Die im Kriege geschaffene Kriegswochenhilfe erlosch mit seiner Beendigung; fo war es Sache der Nationalversammlung, endlich der dringendsten Not abzuhelfen.

Seit 1. Oftober vorigen Jahres haben wir die Reichs. wochenhilfe, die durch eine jebt in Kraft tretende Novelle noch verbessert worden ist.

Worin besteht die Wochenhilfe? Für die ver­ficherte Wöchnerin in einem Wochengeld in Höhe des Kranten­geldes für 10 Wochen, von denen 4 in die Zeit vor der Entbin bung und 6 in die Zeit nach der Geburt fallen,

einem Beitrage zu den Kosten der Entbindung von 50 m., einem Beitrage für Hebammendienste und ärztliche Behand lung bei Schwangerschaftsbescpverden von 25 Mt.,

fowie einem Stillgeld in Höhe der Hälfte des Krankengeldes für 12 Wochen.

Für die nicht durch Versicherung gedeckte Wöchnerin, deren Familienoberhaupt versichert ist:

in einem Wochengeld von mindestens 1,50 Mt. täglich, einem Beitrage zu den Kosten der Entbindung in Höhe von 50 Mt.

wissen sollte, hatte sie immer furzweg Friß unter Briefe und Starten geschrieben. Der Liebste hatte sie dann immer Frißi ge­nannt, bis nach vielen Jahren er diesen Namen, der Kinder wegen, in Frieda verivandeln mußte. Die 4- und 5 jährigen tonn­ten es nicht begreifen. daß ihre Mutti einen Jungennamen hatte. Doch ich will auf die Aussteuer zurüdfommen. Frißi wollte Heiraten und brauchte eine Aussteuer. Sie wandte sich bittend an ihre Eltern, denen sie stets ihren Verdienst gesandt hatte. Einige Tage darauf kam dann ihr Vater zu ihrem Verlobten, und er flärte, er könne seiner Tochter weder Geld noch Möbel geben. Er wolle versuchen, ihr auf andere Art zu helfen, was er denn auch redlich getan hat. Mit Wäsche hatte Frißi schon etwas vor­gesorgt, denn während der 10 Jahre, in denen sie in Stellung war, hatte sie sich stets Wäsche zu Weihnachten schenken lassen. Mit Bettwäsche hatte sie sich selbst beglückt und hoffte nun mehrere Jahre mit ihrem Vorrat auskommen zu können. Für gute Betten hatte Mutter schon lange gesorgt. Mutter jagte oft: Wenn ich sterbe, bevor ihr euch verheiratet, so will ich euch wenigstens an­ständige Betten hinterlassen, damit ihr ein nützliches warmes Andenken von eurer Mutter habt." Es wurden denn schließlich ein paar alte Bettstellen, ein alter Tisch, ein kleiner Koffer, wie ihn damals die besseren Handwerksburschen mit in die Fremde nahmen, und ein alter Waschtisch, der schon 1% Zentimeter breite Fugen aufwies, neu lackiert, oder wie man richtiger sagt, eigen­händig angepinselt. Eine Kommode besaß Friki, es war dieselbe, mit der einst Fribis Mutter in die Fremde gezogen war. Mit einer großen Weduhr, die ihren Eltern in den ersten 14 Jahren ihrer Ehe als einzige Uhr den Ablauf der Stunden- zeigte, war bie eigentliche Aussteuer beendet. Etwas, was bei den heutigen Lebensverhältnissen am wertvollsten wäre, fommt noch hinzu: ber Handwerksburschenkoffer war gefüllt mit Schinken, Sped, Mettwürften, Bütter und Schtveinskopf. Fürs erste waren beide

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einem Beitrage für Hebammen- und Arzttosten tim Falle von Schwangerschaftsbeschwerden bon 25 MI.,

sowie einem Stillgeld von 75 Bf. täglich.

Durch diese zweite Kategorie werden also nicht nur die ver ficherungsfreien Ehefrauen der Versicherten, sondern auch die fonstigen weiblichen Familienmitglieder erfaßt, soweit sie nicht aus eigener Versicherung gededt sind und mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben.

Die minderbemittelte, nicht durch Versicherung ge­redte Wöchnerin erhält die gleiche Unterstüb.mg wie die Frau des versicherten Mannes, falls sie zusammen mit ihrem Mann oder, wenn sie alleinsteht, allein ein Einkommen von nicht mehr als 4000 Mt. bat. Für jedes vorhandene Kind kommen hierzu 500 Mt. Diese Verordnungen bedeuten einen bemerkenswerten An­fang auf dem Wege einer durchgre: fenden Mutterschaftsfürsorge, die bom fünftigen Reichstage zu schaffen sein wird. L. Sch.

Das uneheliche Kind in der ,, Weimarer Verfassung "

Bon Elisabeth Röhl

Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlagt ihr ihn der Bein!

Und alle Schuld rächt sich auf Erden.

Ob Goethe an die Not der unehelichen Mütter und Kinder dachte, als er diese Verie schrieb, ist fraglich, ist aber auch im Grunde gleich. Doch es gibt auch heute noch fein feineres Wort, in dem der ganze Jammer der schon im Mutterleib gefennzeichneten unebelichen Kinder umrissen wird als dies. Vergegenwärtigen wir uns, daß mehr als 200 Jahre ins Land gingen, seit Goethe im 1. Teile der Faustdichtung die Tragödie der unehelichen Mutter fchrieb. Rönnen wir fagen, daß die Auffassung eine wesentlich andere wurde? Ist es nicht so, daß auch heute noch die Gretchentragödie fich tausendmal wiederholt?

Mit ein paar modernen Sägen ist natürlich nun nicht aus der Welt geschafft, was jahrhundertelang die Frau, das Mädchen entrechtete, unter dem fie schlimme Qualen durch­litt, das fie abftumpfte gegen das Gefühl: Ein Heiliges foll in meinem Schoße werden, ein Kind, ein Mensch! Moralbegriffe formen fich aus dem gesellschaftlichen, wirt.

mit Lebensmittel versorgt. Glücklich in dem Bewußtsein, ein ander anzugehören, begannen sie mit dem Wenigen ihr heim einzurichten. Frisch gewagt ist balb gewonnen. Die Arbeit be gann. Tischlerwerkzeug besaß der junge Ehemann, und was er nicht hatte, wurde zum Teil durch andere Gegenstände ersetzt. So murde der alte Tisch geichwind zur Hobelbank. Friki hielt das Solz fest und ihr Mann hobelte tüchtig drauf los. In vier' Wochen war die Schlafstubeneinrichtung fertig. Damals gab es noch 10ftündige Arbeitszeit, daher standen nur die Abendstunden und Sonntage für die Anfertigung der Aussteuer zur Verfügung. Ein Gegenstand nach dem andern wurde angeschafft, denn für Lebensmittel sorgten die Eltern. Jedes Etüd Möbel wurde mit vielen Küssen bezahlt. Nach und nach waren die alten Gegen­stände durch neue ersetzt, bis auf die Kommode und den Tisch. Die Kommode sollte als Andenken an die inzwischen verstorbenen Eltern dienen. Der Tisch dagegen, den sie dazu gebraucht hatten, alles andere neu zu schaffen, fonnte doch unmöglich zum Dank da für in die Rumpeftammer wandern; dazu war seine Leistung zu groß gewesen. Er sollte als stimmer Zeuge all der glücklichen Arbeitsstunden jetzt schauen, was durch ihn entstanden war und nun noch seinen Dienst als Tisch erfüllen.

Der Krieg hätte nicht kommen und die Schaffensfreude des fich glücklich fühlenden Paares zerstören dürfen. Vier Kinder hatte Frizzi während der Kriegszeit geboren. Das war für ihren früher so gesunden Körper denn doch zu viel gewesen, sie war alt ge­worden, bevor noch die besten Lebensjahre begonnen hatten. Die Lohnforderungen fonnten nicht so schnell bewilligt werden, wie die Preise stiegen, es mußten immer erst Berhandlungen statt finden, bevor der Lohn erhöht wurde. Da galt es eben, sich einzu schränken, um auszufommen mit dent, was der Mann heimbrachte. Nicht immer gelang es. Die Preise stiegen dauernd fort, es kommte nicht gekauft werden, was zur Erhaltung der Familie notwendig