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Die Gleid beit

gänzliche Umgestaltung des wirtschaftlichen und öffentlich gefell. schaftlichen Lebens.

Jedes Glied der menschlichen Gesellschaft soll zu seinem Rechte tommen, soll alle seine förperlichen und seelisch- geistigen Bedürf niffe befriedigen fönnen. Die Mittel hierzu werden reichlich durch die menschliche Arbeit hervorgebracht, nur müssen sie nicht einzel nen sondern der Gesamtheit zugute kommen.

Diese Ordnung der Dinge, durch welche das Wohl aller Glieder der menschlichen Gesellschaft herbeigeführt werden soll, ift der Sozialismu8.

Die Lehre des Sozialismus umfaßt die Untersuchun gen, wie der Sozialismus als Gesellschaftsordnung verwirklicht werden fann. Dabon das nächste Mal.

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Aus der Frauenbewegung des Auslandes

Bertagung des Frauenstimmredits in England Der ständige Ausschuß des englischen Unterhauses hat sich mit bem Frauenstimmrecht beschäftigt. Es wurde der Vorschlag ge­macht, das Stimmrecht den Frauen und Mädchen erst nach Voll­endung des 29. Lebensjahres zu gewähren. Da auf diesem Punkte Ginigung nicht erzielt werden konnte, vertagte der Ausschuß die Weiterberatung.

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Erfolgreiche Rede Hoovers im Interesse der Kinder des europäischen   Kontinents

Am 12. April sprach Hoover in New York   über die Unterernäh rung der armen Bevölkerung des europäischen   Kontinents und ber großen Gefahr, daß eine ganze Generation Europa   verloren sein wird, wenn nicht von Amerika   Hilfe in Form von Nahrungs­mitteln und Heilmitteln fommt. Daraufhin würden von den Ver. sammlungsbesuchern 1 200 000 Dollars zur Linderung dieser Not gezeichnet.

Spaniens   Hilfe für die hungernden Kinder Zentraleuropas

Anfang Mai wird in Madrid   ein Stiergefecht abgehalten, dessen Ertrag der Sammlung.Save the Children Fund" zufällt. Außer bem hat der König von Spanien   den Balast des Brado zur Be baufung 500 unterernährten Kindern zur Verfügung gestellt.

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Mutterpenfionen

In England wurde von der englischen Arbeiterpartei im Unter­Haus ein Gesebentwurf eingebracht, der vorschlägt, daß aus öffent. lichen Mitteln ausfömmliche Pensionen bezahlt werden an verwit­mete, geschiedene oder ebeverlassene Frauen mit einem oder meh­reren von ihnen abhängenden Kindern. Solche Pensionen sollen auch an Frauen ausgerichtet werden, deren Männer infolge von Krankheit, Invalidität oder Unfähigkeit ihre Familie nicht ernäh ren können. Mit diesem Entwurf erfüllt sich eine Anregung, die aus radikalen Frauenfreisen schon vor einer Reihe von Jahren er. folgt, aber als unausführbar erflärt worden ist. Mit der An­nahme einer Bestimmung, wonach der Staat Beiträge an alle Mütter entrichten würde, wäre auch die Frage der Familienzu­lagen gelöft; nicht der Arbeitgeber, sondern der Staat täme dann für diese Bulagen auf, und jeder Arbeiter würde nicht nach der Bahl der Familienmitglieder, sondern allein nach seinen Leistun gen bezahlt! Mit dieser Bestimmung wäre auch die Selbständig. feit und Höhereinschätzung der verheirateten Frauen berbürgt.

Bücherschau

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Die Befreiung der Frau.( Ein Buch von F. Müller- Lyer  .) 8. Müller Byer: Phasen der Kultur und Nichtungs­Tinien des Fortschritta." 5.- 10. Tausend. Albert Langen  , München.( Bestellungen auch an Buchhandlung Vorwärts, Berlin  SW. 68, Lindenstr. 8.) Preis 13,20 Mt. und Porto.

Welche wahrhaft fogialistische Arbeiterfrau hat nicht Bebels Lebenswert: Die Frau und der Sozialismus" gelesen?! Wer hat beim Studium dieses Buches nicht beilige Begeisterung empfunden, wenn man sah, wie der Sozialismus feine leere Bu funftsträumerei ist. sondern wie die Entwicklung der Menschheit allen Gegnern zum Hohn mit unwiderstehlich vorwärtstreibender Gewalt zum Sozialismus, d. h. in erster Linie wie Bebel fagt zur Befreiung der Frau, drängt! Aus der Erforschung der Vergangenheit schöpfen wir die flare Gewiß. heit auf den Sieg herrlicher Zukunft, an dem tiefen, fiaren Born ber Wissenschaft trinfen wir flammenden Mut für den unfteten, oft widertschen Rampf der Beit

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Bebel greift in seinem Werte aus der mannigfaltigen Ge. famtentvidlungsgeschichte ein im Gesamtrahmen fleines Gebiet heraus: Die Stellung der Frau in der mensch lichen Gesellschaft. Wer dieses Gebiet jedoch vollauf er­faffen, bersteben will, muß auch streben, wenigstens einen allge-­meinen Ueberblid über die vielen anderen Gebiete der Ent wicklungsgeschichte der Menschheit zu gewinnen: er muß von höherer Warte aus seinen Blid in nebelverhüllte Vergangenheit richten, von einer Warte, die ihm gestattet, das gewaltige For schungsgebiet, das sich die neue Wissenschaft immer mehr erobert hat, in seiner ganzen vielseitigen Ausdehnung zu überbliden. Denn jedes einzelne Gebiet ist nur in der Verbindung mit den anderen zu verstehen; gerade in dieser Harmonie liegt auch die Kompliziertheit des heutigen fapitalistischen Wirtschafts­systems. Wer mit roher Hand in das feine Räderwerk unserer Produktion eingreift, ist damit ein Feind der Entwid. Iung, ist fonservativ und reaktionär. Denn auch der Kapi. talism u'e ist eine Stulturstufe( oder phase), die notwen dig ist, sie wird überwunden auf dem Wege zum So­zialismus, auf dem Wege vom Iaffenstaat zur Gemeinwirtschaft.

Schon oben sprachen wir von den vielen Gebieten, in die man die Gesamentwidlungsgeschichte einteilt. Ueber alle diese Ge­biete verschafft uns das Müller- her- Buch: Phasen der Kultur" einen großartigen Ueberblid. Dazu ist es in einer fließenden, packenden Sprache geschrieben, die den ohnehin interessanten Stoff noc, fesselnder gestaltet. Müller- Lyer   zeigt fich uns so nicht nur als ein Renner aller Forschungen und Ent. deckungen der modernen, vorgeschichtlichen Wissenschaften, er zeigt sich uns auch als ein vorbildlicher Meister der Sprache.

Jede Arbeiterfrau, die Bebels Werf gelesen, muß auch zu dem Buche Müller- Qners greifen. Es ist die beste, einzig- da­stehende, sozialistische Sulturgeschichte. A. Scent.

Uneheliche Mütter, ihre Not und Nettung

Unter diesem Titel ist von Prof. Dr. P. Manet in Heymans Verlag, Berlin   W. 8. eine Broschüre herausgekommen. Der\. Verfasser ist der Gründer der Näh-, Lehr- und Stillstuben, Ver. lin W. 10, Kaijerin- Augusta- Str. 80 I, und ehrenamtlicher Leiter berselben. Die Broschüre ist ein Bericht über eine umfassende, fleißige Arbeit auf dem Gebiete des praftischen Mutterschußes; der Verfasser selbst bezeichnet die Näh-. Lehr- und Stillstuben als einen jozialisierten Betrieb, dessen Erträgnisse' nur bedürfti. gen Schwangeren, bruststillenden und finderreichen Müttern zu fließen. Ueber die Art der Verwendung der Gelder wird We­richt gegeben. Den Müttern selbst lann, wie Prof. Manet jag:, tein demokratisches Mitbestimmungsrecht gegeben werden, weil fie naturgemäß in dem Betrieb nicht bodenständig werden können, infolgedessen den engen egoistischen Gefichtsfreis nicht bis zum Gefühl starter Gemeinsamkeit erweitern fönnen. Am sym patbifchten berührt in dem Büchlein der Vor­schlag an die Stadt Berlin  , nunmehr die Näh-, Lehr und Stilltuben zu übernehmen und mit thren Mitteln auszubauen.

Genossinnen, die sich lernend mit den jest so sehr aktuellen fozialen Fragen beschäftigen, seien auf die Broschüre hinge wiesen. M. J.

Rundichan

Der Milchpranger

In der Cstthüringer Beitung" war dieser Tage die folgende Anzeige zu lesen:

Bekenntnis!

Unterzeichnete erklären hiermit, daß sie die Einwohnerschaft Aumas in gemeiner Weise geschädigt haben, indem sie die Milch mit Wasser zersetzten.

Jch, Lina Triller, habe ¼ Wasser zugesetzt. Jch, Otto Förster, habe ¼ Wasser zugescht.

Jch, Jafob Schwarz, habe es am tollsten getrieben, habe % Wasser zugesetzt.

Wir erklären hiermit, daß dieses nie wieder geschehen soll. Triller, Förster, Schwarz. Ganz freiwillig scheinen Fräulein Tiller und die Herren Förster und Schwarz diese Anzeige nicht aufgegeben zu haben Schade, daß das Rezept, mit dem sie zum ehrlichen Milchhandel erzogen wurden, nicht bekannt ist. Alle deutschen Milchtrinter hätten Interesse daran....