Nr. 21
Die Gleich beit
find, haben ihr volles Verständnis für die errungenen Freiheiten bei der Abwehr des Kapp- Butsches gezeigt und sie müßten bei den kommenden Wahlen den Beweis politischer Reise bringen.- Jeder Schritt vorwärts auf dem Wege des Aufbaues ist durch den Friedensvertrag behindert, darum müßten wir uns für eine Revision des Vertrages einsehen. Das könne dadurch geschehen, daß der Ausfall der Wahlen in den Ententeländern das Vertrauen zu der demokratischen Republik stärkt. Würden die rechtsader linksextremen Parteien Erfolge haben, so würden wir neuen Erschütterungen innen und außen entgegengehen. Und darum müsse die Wahl des 6. Juni ein Bekenntnis zur Demokratie und gum Sozialismus werden.
Die Einmütigkeit, welche die Reichstonferenz in der Frage der Wahltaltik bewies, soll gewiß nicht bedeuten, daß wir mit allen Maßnahmen der Regierung einverstanden sind und daß es in unferer Partei leine getrennten Meinungen über die zu gehenden Wege gibt. Aber die Diskussion über die Eingelfragen war fachlich, ohne Vorwürfe und persönliche Schärfe und deshalb fruchtbar. Es ist erfreulich, daß über der Differenz der Meinungen in den einzelnen Fragen nicht das gemeinsame Ziel vergessen wird und daß wir alle bereit sind, gemeinsam den Weg zu ebnen, mags auch schwer und mühselig sein. Der Kapitalismus muß durch den Sozialismus überwunden werden mit Hilfe dec Demokratie.
Nach einstimmiger Annahme einer Resolution Dr. Braun und Genossen, welche das vorstehend Gesagte zusammenfaßt und die unferen Leserinnen durch die Tagespresse bereits bekannt ist, wurde auf Antrag der weiblichen Delegierten der Reichskonferenz noch folgende Entschließung gegen die Verwendung schwarzer Befohungstruppen im Maingau einstimmig angenommen:
Wir protestieren gegen diese dem deutschen Bolte angetane Schmach, der Taufende wehrloser Frauen und Mädchen zum Opfer fallen.
Wir warnen die siegreichen Völfer vor der Anwendung einer Waffe, die sich im letzten Ende verderbenbringend gegen die, gesamte weiße Raffe wenden wird.
Wir rufen auf alle Männer und Frauen der zivilisierten Erde, insbesondere unsere Genossen und Genoffinnen jenseits der deutschen Grenze; wenn es Euch Ernst ist mit Eurer Sehnsucht, daß der Völkerfriede den Böllerhaß besiege, dann tretet ein mit aller Kraft für die Zurückführung der farbigen Truppen aus den besetzten Gebieten, deren Verwendung ein Schlag ist gegen Versöhnung und Verständigung der gequälten Menschheit.
ten Mutter und Sohn, um nur das bloße, anspruchslose Leben fristen zu können. Abends erzählte der Sohn dann von seinen Plänen und Hoffnungen, die alle noch so weit lagen und so wenig Aussicht auf Verwirklichung zu haben schienen, an die aber Mutter und Sohn überzeugungsvoll glaubten.
Fünfzig Jahre find im kommenden Herbst verflossen, seit Ludwig Angengrubers bekanntestes Bühnenwert Der Pfarrer von Kirchfeld" erschien. Wie dieser geboren wurde, ist nicht unintereffant, Wieder einmal, wie an so manchem Abend, saßen die beiden in ihrem ärmlichen Heim des schönen Wien . Und wieder einmal sprachen sie von des Sohnes Hoffnungen und Plänen. Sprachen von den Volksstücken und Erzählungen, die er geschrieben, die aber feinen spielbereiten Direftor, feinen zahlungsfähigen Berleger finden konnten. In dem einen und dem andern Falle batte gar noch die Zensur Schwierigkeiten gemacht, so daß in der Schublade des Tisches, auf dem sie die täglichen Mahlzeiten einnahmen, sich die Manuskripte häuften. Die Mitarbeit an dem politischer Wikblatt„ Stiteriti" brachte gar zu wenig ein. Ob er noch einmal an die Arbeit ginge und ein Bühnentvert schaffte? Nach den vielen Mißerfolgen war er mutlos, obwohl ihm ein beftimmter Stoff verschwebte. Doch die Mutter rät zu. Er solle es doch noch einmal wagen, vielleicht gelänge ihm diesmal eine gute Sache. Das Bureden hilft, mit Eifer geht er an die Arbeit. In turzer Zeit wird der Pfarrer von Kirchfeld" fertig; er geht über die Bühne und andern Tages wissen die Wiener , daß ein neuer, bisher völlig unbekannter Dichter unter ihnen weilt. Es war für Maria Anzengruber die größte Freude ihres Lebens, die sie an biesem Tage empfand. Und noch einmal, kurz vor ihrem Tode, wiederholte sich diese Freude. Das war, als der inzwischen bereits gefeierte Soba ihr einen Auffaß vorlesen konnte, in dem er als Dichter von Ruf gewürdigt wurde. Ludwig Anzengruber hat Später felbst gesagt, daß das Vorlesen dieses Aufsatzes die lette große Freude gewesen sei, die er seiner Mutter bereiten konnte.
Die Frau im Wahlkampf
Von Helene Weimann
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Jahrzehntelang haben die politisch interessierten Frauen in Wort und Schrift für das Frauenwahlrecht gekämpft. Und wenn ihnen auch vor der Revolution ein positiver Erfolg in Deutsch land nicht beschieden war, so ist es doch zum guten Teil ihrer unermüdlichen Tätigkeit zu danken, daß die deutschen Frauen im November 1918 die reife Frucht brechen konnten. Wenn auch die Sozialdemokratie als einzige Partei immer die Rechte der Frauen vertreten und die Forderung des Frauenwahlrechtes in ihrem Programm festgelegt hatte, so war es doch notwendig, daß die Frauen selbst für ihre Rechte eintraten und bewiesen, daß fie auch selbst den Kampf um diese Nechte führen fonnten. Zuerst war es ein bescheidener Kreis von Frauen, der sich zum Kampf zuſammenſand. Aber er wuchs ständig, bis dann die stattlichen Frauenversammlungen vor dem Krieg und während des Krieges, die der Agitation für das Frauenwahlrecht gewidmet waren, zeigten, daß die Forderung des Frauenwahlrechts von Tausenden begriffen wurde. Aber niemand hatte erwartet, daß das Frauenwahlrecht so schnell kommen würde, und als uns der 9. November 1918 die Erfüllung unseres sehnlichsten Wunsches brachte, da war unter den Frauen die politische Schulung noch nicht überall fo weit gediehen, wie sie zur wirklich zweckmäßigen Ausübung eines so wichtigen staatsbürgerlichen Rechts notwendig ist. Ich will bei dieser Gelegenheit gleich vorweg nehmen, daß ich keineswegs der Auffassung bin, daß etwa die Männer alle politisch geschult sind, denn hätten die Männer die politischen Zusammenhänge flar zu beurteilen bermocht, dann wäre eine überwältigende soziqlistische Mehrheit in die deutsche Nationalversammlung eingezogen. Es ist natürlich nicht zu leugnen, daß die Männer in weit größerem Maße als die Frauen eine gewisse politische Schulung besigen, die sie ganz von selbst durch ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung, durch den ständigen Verkehr mit ihren Berufskollegen und durch die gewerkschaftliche und politische Organisation sich erworben haben. Diese Möglichkeit bestand und besteht für viele Frauen, besonders die Hausfrauen, nicht, und das legt den Männern die Pflicht auf, sich, soweit es noch nicht geschehen ist, frei zu machen von dem Gedanken, daß die Frau nur ins Haus gehöre. Soweit es in ihren Kräften steht, Aufklärungsarbeit im eigenen Hause, in der eigenen Familie zu leisten, die noch zögernden Frauen einzuführen in die Organis fabion, wenn nicht gleich als Mitglieder, so doch wenigstens als
Wie Viktor Scheffel , so hat auch Ludwig Artzengruber in der Ehe kein Glück gefunden. Das Mädchen aus seinem Bekanntenkreise, dem er die Hand zum Lebensbund gereicht, begriff von der Miffion und dem Schaffen eines Dichters ebensowenig wie Hein rich Heines Gattin Mathilde. Leichtfertigen und oberflächlichen Gemüts paßte sie nicht im entferntesten zu dem in der Harten Schule der Not des Lebens gereiften und von fühnem Schaffensdrange durchpulsten Manne. Dennoch hat dieser anderthalb Jahrzehnte lang geduldig das Joch getragen; aber stets hat er bei der Mutter das gesucht und gefunden, was ihm in geistiger Beziehung das Gattenband versagte War sie es doch, die den vom Vater her stark begabten Knaben fürsorglich ins Leben hineingeführt, die ihm aber auch in den Mannesjahren stets liebevoll tröstlichen Zuspruch gab. Dieser Zuspruch aus Maria Anzengrubers Herzen war dem Gestalter vollfafliger Baueracharattere jeweilig Labsal und Er quidung. Er gab ihm Mut in der dunklen Tagen des Zweifelns an seinem Schicksal und in denen des Ringens mit dem Stoff. Er gab dem ernsten Manne auch die Frohnatur, die uns zuweilen aus feinen Dramen und Romanen entgegenleuchtet.
Bom Mütterlein die Frohnatur.. Das poetisch flangvolle Wort hat seine Bedeutung. In bezug auf verschiedene Vertreter deutschen Schrifttums aber ist es von besonderem Neiz.
All euer girrendes Berzeleid Tut lange nicht fo weh,
Wie Winterskälte im dünnen Kleid, Die bloßen Füße im Schnee. All eure romantiſche Seelennot Schafft nicht fo herbe Pein, Wie ohne Dach und ohne Brot, Sich betten auf einen Stein.
Ada Chriften.