Nr. 24

30. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Haus

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis: Vierteljährlich 3,60 Mart

Inserate: Die 5 gespaltene Nonpareillezeile 1,50 Mart,

bet Wiederholungen Rabatt

Berlin 12. Juni 1920

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Zuschriften sind zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morigplatz 147 40 Expedition: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Erholungsheime für Arbeiterfrauen und-kinder

Von Henni Lehmann Göttingen

In Nr. 31 der Gleichheit" vom vorigen Jahre hat Henr. Fürth davon gesprochen, wie nötig für die Hausfrau in Ar­beiterfamilien eine Ferienzeit ist, in der sie ebenso wie Be­russarbeiter verschiedener Art einmal ausruhen und sich er­holen kann, und sie hat den sehr guten Vorschlag gemacht, daß die bereits bestehenden Hauspflegevereine für die Ar­beiterhaushaltungen eine Ferienhauspflege stellen, soweit dies nötig ist. Damit ist aber nur die eine Seite der Frage gelöst. Der Hausfrau ist freie Zeit geschaffen, sich zu erholen. Es fehlt aber noch viel zu häufig die Stätte, an der sie sich er­holen kann. Einzelne Arbeiterinnen haben vielleicht Ange­hörige auf dem Lande, bei denen sie die Ferienzeit zubringen fönnten. Das wird indes immer nur eine kleine Zahl sein können. Für die anderen kämen, da man doch einen beut sehr kostspieligen Aufenthalt in Bädern und Sommerfrischen nicht in Betracht ziehen kann, besondere Arbeiterinnenheime in Frage, Ferienerholungshäuser für Arbeiterinnen in schöner gesunder Lage, in den Bergen, im Walde, an der See. Je nach den Umständen wäre hier entweder ein kleines Kostgeld durch die Arbeiterfrau selbst zu zahlen, oder es wären Frei stellen zu gewähren, oder Gemeinden und Krankenkassen, eventuell die Landesversicherungsanstalten hätten die Zah­lung für den Unterhalt zu leisten. Man wird meist, soll die Erholung wirklich etwas nüßen, eine Durchschnittsdauer der Ferien von etwa 3 Wochen ansehen. Für besonders er­holungs- und pflegebedürftige Frauen müßte jedoch die Zeit des Aufenthaltes in dem Erholungsheim verlängert werden. Ich möchte nun aber eines sagen: derartige Ferienerholun­gen genügen in einer großen Zahl von Fällen nicht. Es sind Sommererholungen, die fraglos nötig und nüßlich sind. Die Hausfrau in arbeitenden Kreisen braucht aber noch etwas anderes, das ist eine bessere Erholungsmöglichkeit, wenn sie frank gewesen ist oder wenn sie sonst sehr pflegebedürftig und mit ihren Körperkräften herabgewirtschaftet ist- also eine Erholungsmöglichkeit für alle Zeiten des Jahres. Hier­für genügt nicht, daß ihr eine Hauspflege gestellt wird, die zumeist doch nur ebenso wie etwa hilfsfähige Familienange­hörige während der eigentlichen Krankheit zur Verfügung steht. Für die Erholung nötig ist vor allen Dingen das Herauskommen aus dem eigenen Haushalt, in dem allein schon die Knappheit des verfügbaren Raumes meist die nötige Ruhe und Schonung verhindert, zumal wenn Kinder da sind. Der Unruhe, die lebhafte Kinder natürlich mit sich bringen, all ihren Wünschen und Fragen kann sich die schonungsbedürf­tige Mutter schwer entziehen. Auch all die kleinen und großen Sorgen des Haushalts dringen ständig auf sie ein; sie hat für alle zu denken und zu sorgen. Selten ist jemand da, der, für sie sorgt und sie pflegt, denn der Mann ist meist durch seine Arbeit tagsüber aus dem Hause, und abends kommt er müde und abgearbeitet heim. So brauchen wir für die Arbeiterfrauen Erholungshäuser Rekonvaleszenten­

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heime die das ganze Jahr hindurch zur Verfügung stehen. Für diese zu sorgen ist Sache der Gemeinden und Kreise. Vor beinahe fünfundzwanzig Jahren schon haben wir ein solches Nekonvaleszentenheim es führte den Namen gehaus"- in Rostoc in Mecklenburg ins Leben ge­rufen. Es ist oft eine Freude gewesen, zu sehen, wie sich ab­gearbeitete Frauen und Mütter erholten, die bis dahin in schweren Jahren unter ständiger Last von Sorge und Arbeit nie eine Ruhepause hatten genießen können. Oft wurden sie direkt aufgenommen, wenn sie noch geschwächt aus dem Krankenhause entlassen wurden, so daß sie dann voll gesund und leistungsfähig wieder in ihre Häuslichkeit zurückkehren konnten. In dasselbe Pflegehaus nahmen wir außer den Frauen auch erholungsbedürftige Kinder auf, die dann natür­lich von den Frauenräumen ganz getrennte Schlaf- und Wohnräume hatten. Nur die Mahlzeiten wurden meist ge­meinsam eingenommen, auch zusammen mit den im Hause tätigen Schwestern. Ein netter Garten mit einer kleinen Liegehalle war zur Verfügung. Ein Arzt fam regelmäßig in kleinen Zwischenräumen in das Haus. Zur Aufnahme wie zur Entlassung war seine Bescheinigung wie die der Vorsitzen­den der Pflegehausstiftung nötig. Vollbettlägerige Patien­ten, die ja eigentlich in ein Krankenhaus gehören, kamen nur in seltenen Fällen zur Aufnahme.

Nachdem das Pflegehaus einige Jahre bestand, wurde dann im Anschluß auch ein Sommererholungsheim geschaffen. Zu­nächst in einem auf einem Gut zur Verfügung gestellten Haus in schöner Lage auf dem Lande; dann wurde in dem Seebad Warnemünde ein eigenes Haus erbaut. Auch hier kamen Frauen und größere Kinder zur Aufnahme. Ich habe diese Vereinigung nicht unzweckmäßig gefunden. Meist hatten die Frauen Freude an den Kindern und beschäftigten sich gern mit ihnen; natürlich muß dafür gesorgt werden, daß nicht ettva Rinderunruhe schwache und nervöse Frauen stört. Es erwies sich als meist günstig, daß zwischen den beiden Häu­sern, dem Pflegehaus in der Stadt und dem Sommererho­lungshaus, ein Zusammenhang bestand, denn nicht selten wurden Frauen aus dem Pflegehause zu voller Erholung noch in das Ferienheim, das etwa von Mai bis Ende Sep­tember geöffnet war, aufgenommen. Die Pfleglinge wurden in 4 Serien jedesmal auf 4 Wochen aufgenommen. Wenn Die eine Serie abreiste, so kam die andere erst ungefähr 8 Tage später, damit inzwischen rein gemacht werden konnte, Betten geflopft wurden usw. Die Kinder fönnen in größeren Sälen zusammengelegt werden, in denen oder neben denen eine Schwester schläft. Für die Frauen ist es besser, Einzelzimmer zu haben, in denen 2 oder höchstens 3 schlafen, wenn nicht etwa eine Frau allein schlafen muß. Man fühlt sich so behag­licher als in Schlafsälen, und es wird das Anstaltartige ver­mieden, was überhaupt bei all solchen Erholungshäusern der Fall sein sollte. Sie sollen die Behaglichkeit des eigenen