Nr. 28

30. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder.

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Prets: Bierteljährlich 3,60 Mart

Inserate: Die 5 gespaltene Nonpareillezelle 1,50 Mart, bel Wiederholungen Rabatt

Berlin

10. Juli 1920

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Die Frau und ihr Haus

Zuschriften find zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morisplag 147 40 Expedition: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Ein Schritt zur Versöhnung

Bon Adele Schreiber

Unser Leben wurde karg an Freuden, arm an Schönheit. Sorge, Not, Kampf sind unser tägliches Brot, und wer über die Grenzen unseres eigenen Vaterlandes hinaussieht, weiß auch, daß wir noch auf lange hinaus als bitteres Erbteil dieses Krieges Berachtung und Gehäffigkeit zu dulden haben, daß es noch lange dauern wird, ehe uns allen, auch denen, die keinen Anteil haben an der Natastrophe 1914 bis 1918, Gerechtigkeit und Aufnahme als Gleiche unter Gleichen, zu­teil wird.

In mühsamer, schrittweiser Arbeit müssen wir uns erst wieder das Vertrauen erringen, die Voreingenommenheit be­fiegen, der wir als Gesamtheit begegnen.

Um so tiefer empfinden wir das jeltene Glüid gemeinsamer Arbeit in einem internationalen Kreise hochstehender Men­schen, wie sie auf dem Internationalen Kongreß für Frauen­stimmredyt vom 6. bis 12. Juni in Genf möglich war. Bürger liche Vorfämpferinnen des Frauenstimmrechts waren es zu­meist, die dort vereint waren, und weit trennt sich unsere Weltanschauung von der ihren. Aber um so offener muß aus­gesprochen werden, daß die Internationale des Frauenstimm rechts, der Weltbund, es verstanden hat, den Krieg zu über­dauern in würdiger Stellungnahme seines Borstandes, dem Frauen der einander feindlichen Länder angehörten, geftüßt auf die würdige Haltung seines Verbandsorgans Jus Suffragii", das während des ganzen Völkerringens sich frei hielt von jeder chauvinistischen Tendenz, den Leiden, der Ar­beit, den Kämpfen der Frauen der ganzen Welt gerecht

wurde.

Aus den Kreisen der Stimmrechtsvertreterinnen gingen zu Kriegsbeginn wertvolle Hilfsaktionen für die im Fremdland befindlichen Frauen und Kinder feindlicher Nationen hervor. Für Tausende wurde gesorgt, Tausenden die Rückkehr ins Heimatland ermöglicht. Bertreterinnen der Stimmrechts­bewegung traten mit als erste in England für Behebung der Hungersnot, des Kinderelends in den Ländern Europas ein. Sie wurden Mitschöpferinnen des Fight the Famine Coun cil", der Internationalen Zentrale für Kinderhilfe, der Be­wegung zur Revision des Versailler Friedensvertrages.

verkörperten, von Island bis Indien , Griechenland bis Japan , Norwegen bis Slidafrika. Aber aus den Gesichtern der ver­trauten Mitkämpferinnen erkannte man gleichsam im Spie­gel, erschüttert, was wir Frauen in den Kriegsländern ge­meinsam durchlitten und geduldet. Dieser Eindrud war is stark, daß die junge Delegierte Islands mir sagte, es wäre das, was sie als tiefstes Erlebnis nach ihrem fernen, fried­lichen Eiland mit heimtragen würde.

21 Staaten haben, seit der Weltbund zum letzten Male in Budapest tagte, den Frauen Staatsbürgerrechte gewährt; zum ersten Male war eine größere Zahl von Regierungen durch offizielle Delegierte vertreten, das Deutsche Reich durch Frau Marie Stritt , Desterreich durch die Neichstagsabgeordnete Genosfin Adelheid Popp , Großbritannien durch sein einziges weibliches Reichstagsmitglied, Lady Astor . Aus 36 ver­schiedenen Staaten waren Frauen anwesend, darunter auch zahlreiche Genoffinnen. Auch der Internationale Kongreß arbeitender Frauen, dessen Sitz in Washington ist, war durch Gabriele Duchene und Jeanne Bouvier vertreten. Dies war besonders erfreulich und notwendig, weil eine starke Strö mung gegen jeden besonderen gesetzlichen Arbeiterinnenschut fich geltend machte, und, abweichend von unserer deutscher Anschauung, selbst Bertreterinnen von Industriearbeiterinn bevollmächtigt waren, diese Richtung zu stützen. Die nach langen Debatten gefaßte Resolution wurde aber allen Teilen gerecht. Sie fordert im Rahmen eines großzügigen Pro­gramms der Frauenrechte:

Das Recht auf Arbeit verheirateter und unverheirateter Frauen ist anzuerkennen. Jede Sondergesetzgebung für Franenarbeit, die sich im Gegensatz zu den Wünschen der Frauen selbst befindet, ist abzulehnen. Gesetze, die Frauen und Mütter betreffen, dürfen kein Hindern

ihrer wirtschaftlichen Lage werden; bei der Regelung des

Arbeitsverhältnisses soll die Richtung der Gleichheit für Moun

und Frau eingeschlagen werden."

Aus Naummangel kann das zur Annahme gelangte ge­famte Programm der Frauenrechte hier nicht wiedergegeben werden. Vielleicht findet sich Gelegenheit, später noch darauf zurüdzukommen. Einige der wichtigsten Beschlüsse aus der

die Fortschritte des Selbstbestimmungsrechts der Bölfer, Ber

Dieser Geist der Versöhnung und Gerechtigkeit trung die Fülle der Kongreßarbeit mögen hier Platz finden. Eine Rejo­Verhandlungen in Genf , die von Mrs. Chapmann- Catt, der lution nimmt mit Befriedigung Kenntnis von der Tatsache, lange bewährten Borsitzenden des Weltbundes für Frauen- daß seit Kriegsausbruch eine größere Bahl von Staaten den Stimmrecht, mit vorbildlichem Taft und unerschütterlicher Ob- Grundjaß der Volksregierung angenommen habe, tritt für gelſen, daß Welten zertrümmert, willionen von Menschen hütung fünftiger Kriege, Jugenderziehung im Geiste der berblutet, die Kultur von Jahrzehnten zerstört waren. Man Wölferversöhnung und verständigung ein. Eine weitere Ne­fonnte auf Augenblicke meinen, es sei wie einst in diesem solution gilt dem Völkerbund. Sie erkennt an, daß nur auf Saale , geschmidt mit den Fahnen von mehr als 30 Ländern, feinem gerechten Ausbau ein fünftiger Weltfrieden ruben inmitten der Bielsprachigkeit der Umgebung, der Mannig kann und appelliert an die Frauen der Welt, seine Entwid. faltigkeit der Erscheinungen, die ferne Länder, fremde Raffen lung in diesem Sinne zu stügen und zu fördern. Der Völfer­