Nr. 28
Die Gleichheit
Auswärtige Politik der bürgerlichen Frauenbewegung
Das Zentralblatt des Bundes Deutscher Frauenvereine„ Die Frauenfrage" veröffentlicht in ihrer Nummer vom 15. Juni 1920 die Mitteilung, daß der Bund deutscher Frauenvereine die Einladung des Internationalen Frauenbundes, dessen Mitglied er ift, zur Generalversammlung nach Christiania abgelehnt habe, aber beabsichtige, Mitglied des Bundes zu bleiben. An den Tagungen will er erst wieder teilnehmen, wenn Deutschland Mitglied des Wölferbundes ist. Begründet wird diese Ablehnung damit, daß es für jeden Nationalgesinnten schwer erträglich sei, schon jetzt mit den Angehörigen von Ländern, die, nachdem die Waffen geftredt sind, bewußt auf den Untergang und die Zerreißung unjerer Bolfsgemeinschaft hingearbeitet haben und vor allem noch jetzt hinarbeiten, wieder zu friedlicher Arbeit zusammenzukommen, zumal sich die Regierungen dieser Länder ein Richteramt über Deutsche anmaßen, und um ihr eigenes Bergehen zu entschuldigen, uns Deutsche nach wie vor als die allein an dem furchtbaren Weltfrieg Schuldigen brandmarken". Ein Schrift stück aus Italien soll eine besondere Warnung gewesen sein. Danach soll der italienische Frauenbund die Bildung eines Ausschusses zur näheren Verbindung des Frauenbundes mit der Liga für Wölferbund beantragt haben, der nur aus Delegierten der dem Bölferbund angeschlossenen Länder zusammengejezt sein soll. Der talienische Antrag ist nicht ganz verständlich zitiert. Liga für Wölferbund" heißen die in einer Reihe von Ländern bestehenden Organisationen( Vereine), die den Völkerbundgedanken verbreiten wollen. Die Völferbundmitgliedschaften find international aujammengeschlossen und haben demnächst eine Tagung in Rom . Es ist aber anzunehmen, daß der italienische Antrag nicht die ..Liga für Völkerbund ", sondern den Völferbund selbst, Societä delle nazioni, League of nations , wie er auf italienisch und eng lisch heißt, meint, und danach hätte der italienische Antrag doch eine gewiffe technische Berechtigung; denn ein Ausschuß, der mit einem Organ des Vöfferbundes verhandeln und das schon oft geforderte Frauenbureau durchsehen soll, hat, so sagen sich vielleicht die italienischen Frauen, mehr Einfluß, wenn er nur aus Delegierten der Mitgliedstaaten zusammengefekt ist. Und das gilt auch im gleichen Umfang für die Tagung der Zigen in Rom . Nach der ganzen Stimmung des italienischen Bolles haben wir gar leine Beredytigung anzunehmen, daß gerade die italienischen Frauen die Deutschen auch im Frauenweltbund als Volf min
wollten, so möchten denn die Reichen abtreten und die Armen die Welt regieren."
Zu der Zeit machte sie auch die Bekanntschaft des jungen Wilhelm Schlegel , der im Umgang mit Bürger, dem einsamen vergessenen Greise, jeine ersten dichterischen Studien machte. Er legie der Liebreizenden sein schwärmerisches junges Herz zu Füßen, aber Karoline, die ihm ja an Jahren überlegen war, hatte kein Verständnis für den nervösen sensitiven Romantiker. Mit allem Uebermut ihrer starken, das Höchste begehrenden Persönlichfeit wies sie damals den jungen Echöngeist ab, der später ihr Gatte werden sollte.
Ihr Hauptintereffe galt der Erziehung ihrer Kinder. Sie be. trachtete sie als ein ihr anvertrautes Gut, dem fie ihre eigenen Reigungen nachstellen mußte. Im Gegensatz zu so vielen Eltern, die die Erziehung als eine Art Abrichtung nach ihrem Willen betrachteten, faite Staroline die Aufgaben der Erziehung in weit höherem Sinne auf:„ Erziehung ist noch meinem Begriff nicht Abrichtung. Das ist ein Zwed, den ich durch Strenge allenthalben erhielt, es ist die Entwicklung der angeborenen Anlage durch die Umstände." Erziehung ist ihr eine Kunst, die eigentlich keine Kunst ist, sondern nur eine gewiffe Untätigkeit, welche höchstens bor bösen Gewohnheiten zu bewahren und die ersten entscheidenden Eindrücke zu lenken sucht." Bald hatte Karoline nur noch ihre eine Tochter Auguste zu erziehen. Die jüngere starb und Karoline entschloß sich zur lebersiedlung nach Mainz . Es trieb fie, der Bewegung der französischen Revolution näher zu sein, deren erste Stunde sie im Gegensak zu vielen Frauen nicht mit Entsehen erfüllte. Sie schrieb vielmehr begeistert:„ Die heutigen Zeitungen enthalten so große, unerhört prächtige Dinge, daß ich von ihrer Leftüre heiß geworden bin."
In Mainz lebte Karolines Jugendfreundin Therese Forster , auch Mainz hatte sich der jungen französischen Republik angeschlossen. zu dem jungen Wilhelm v. Humboldt gelöst hatte, den Ralureine Göttinger Profefforentochter, die, nachdem sie die Beziehungen
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beren Rechts behandeln wollen", wie es in der Ablehnungsbegründung heißt. Und dann hätte man ja in Chriftiania eine Alenderung dieses Antrags vielleicht erzielen fönnen, was so unmöglich ift. Der Antrag soll zu bedenken gegeben haben, welchen Si tuationen unsere Delegierten dadurch möglicherweise in Christiania ausgefeht wären". Bom engeren Vorstand stimmten daher nur awei Mitglieder für die Reise und von 45 Mitgliedsverbänden 33 dagegen. Der Brief, der die Mitteilung der Ablehnung einer Beschickung des Kongresses enthält, wird leider nicht wiedergegeben.
Wir halten den Beschluß, den hier die bürgerlichen Frauen ge faßt haben, für vollkommen verfehlt. Das deutsche Volt leidet schwer und ist, so traurig das auch ist, auf den Beistand der Boliskreise des Auslandes angewiesen, die die Notwendigkeit der Solidarität der Bölfer im jeßigen Augenblide einsehen oder sich gefühlsmäßig zu ihr bekennen. Sie zu stärfen muß das Biel unserer Politik sein. In erster Linie hoffen wir dabei auf die Frauen des Auslandes, die unbeteiligt Leidende bei dem Völkerringen gewesen sind, wie wir deutschen Frauen, und die uns schon manchen Beweis erbracht haben, daß sie jetzt den Frieden wollen und daß sie unsere Nöte verstehen. Erst jüngst haben englische Frauen gegen die schwarze Besakung am Rhein protestiert und haben Schweizerinnen auf dem Genfer Frauenstimm rechistongreß auf eine Versöhnung zwischen Deutschen und Fran zöjinnen hingearbeitet. Der Internationale Kongreß der arbeitenden Frauen hat den Mittelmächten einen Präsidentensit in seinem Bureau angeboten. Gerade die bürgerliche Frauenbewegung betont immer wieder die besondere Aufgabe, die die Frau in der Politik hat. Stann es in der internationalen Politik eine andere wichtigere Frauenaufgabe geben als die, für Volksversöhnung und Frieden zu arbeiten bei aller Liebe zum Baberland und troß inniger Bekenntnisse zur eigenen Bolfsgemeinschaft, ja gerade deshalb? ( Fortschung folgt)
Lehren aus dem Wahlkampf 1920
Die Pommeriche Tagespost" schrieb am 9. Mai in ihrer politischen Wochenschau:„ Das deutsche Volk muß sich selbst zurüdfinden, es muß sich an die Zeiten seiner Geschichte, an die führenden Geister erinnern, durch die es groß wurde."
Denken wir nur wenige Jahre zurück, denken wir an die große führende Persönlichkeit Wilhelms II., der es fertig gebracht
forscher Georg Forster heiratete. Der Gegensatz zwischen den Freundinnen war groß. Jn Karoline alles Harmonie, Güte. In Therese alles Unflarheit, Unglücksjucht, Bitterfeit. Aber was Karoline ersehnt: Handlung, Leben, das bot ihr der Aufenthalt in Mainz , im Forsterschen Haus. Darum schlug die„ gottlose Kleine Frau, die folette junge Witwe" den Heiratsantrag des Konfiftorialrats Löffler aus Gotha aus, durch den fie mit einem Schlag in eine gesicherte Existenz gekommen wäre. Willst du gebunden sein und gemächlich leben und im weltlichen Ansehen stehen bis zum Ende deiner Tage- oder frei, müßtest du es auch mit Sorgen erfaufen?" So fragte sie sich und auf die Vorwürfe ihrer Freunde wegen ihrer Unbesonnenheit antwortete fie faunig:„ Ich hoffe, in meinem achtzigsten Jahre noch welche zu begehen, wenn ich nicht so glücklich bin, vor dem vierzigsten au ( ortfebung folgt)
sterben."
Auf der Rheinwiefe
Von Charlotte Buchow Wie treibt die Zeit- ein leichter Kahn Auf meines Lebens Strom dahin, Wenn ich auf weitem, grünem Plan Eins mit der Mutter Erde bin.
Innig mit dem All verwoben Durch des Atems fanften Zug, Sind die blauen Räume droben Mir ein aufgefchlagen Buch. Menichen Uhr Zeit tröpfelt leile In mein raumgelöftes Leben, In der Sphären ew'ge Kreile Bin ich zeitlos hingegeben.
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