Nr. 32

Die Gleichheit

immer neues Material liefern. Die ernsten Verse aus Her­ mann und Dorothea ", die Goethe den Richter sprechen läßt, fommen mir in den Sinn:

Hat uns, rief er, noch nicht das Unglück alfo gebändigt, Daß wir endlich verstehn, uns untereinander zu dulden Und zu vertragen, wenn auch nicht jeder die Hand­lungen abmiẞt? Unverträglich fürwahr ist der Glückliche! Werden die Leiden Endlich euch lehren, nicht mehr wie sonst mit dem Bruder zu Hodern? ( Fortsetzung folgt)

Quäferhilfe für unsere Kinder

Von Schwester Lotte Möller, Neustrelit

Im Dezember vorigen Jahres sah ich in einem vegetarischen Gasthause in Berlin eine fleine Zahl unserer amerikanischen Kinderfreunde. Die Quäfer haben jetzt schon einige Monate so ausgezeichnete Arbeit geleistet, daß man darüber froh sein kann, bon diesen tatkräftigen Menschen reden zu dürfen.

Die von den Quätern in die Wege geleitete Hilfe besteht in Zuschüssen an Lebensmitteln in Form von fertiggefochten Speisen. Insoweit Schulkinder gespeist werden, schließen sich diese Spei­fungen an bestehende Speisungen an. Neu eingegliedert ist die Speifung von Kindern höherer Schulen, die natürlicherweise jetzt in vielen Fällen einer verbesserten Ernährung ebenso bedürftig find wie Kinder aus den Bolts- und Gemeindeschulen. Neu ist auch die Speisung von vorschulpflichtigen Kindern im Alter von awei bis zu sechs Jahren.

Die in der Quäterhilfe für das Kleinkind liegende Bedeutung ist eine großze. Ersetzt doch die Quäferhilfe nicht die den Kindern im Elternhause gebotene Nahrung, sondern will lediglich eine Er­gänzung dieser sein. Wir wissen aus unserer Erfahrung, daß wir avar eine fast ausreichende Kalorienzahl für unsere Ernährung khaffen können, aber diese Stalorten nicht genügend aus Eiweiß und Fett, sondern aus Kohlehydraten zusammengesetzt wurden. Unserer Nahrung fehlen- ganz besonders schwerwiegend für den findlichen Körper- die aufbauenden Stoffe. Milch in jeder Form fehlte, Fett und Buiter fehlte, Obst und frisches Gemüse pflanzliches Eiweiß) fehlte! Dieses alles aber wird dem Klein­find nun in den Quäferspeisungen als Zugabe zu der vorhan­denen Grundlage gegeben. Die zur Verwendung kommenden fcharren in Trümmern. Kinder und etliche Greise, zwei Frauen fielen dem Brande zum Opfer.

Berwandte, Bekannte beherbergen die Heimlosen nun, teilen mit ihnen den engen Raum, brechen mitsammen das targe Brot. Düstre Tage drohen. Der Hagelschlag hat den Saaten schwer geschadet. Und zu alledem die Kunde: Das Hochheimsche Werk ist gleichfalls niedergebrannt, die Fabrif, in die sie Winterstag zogen, wenn auf den Feldern ein schlechtes Jahr.

Not aber schweißt sie nur fester. Sie darben und schaffen emsiger noch in Haus und Hof, räumen Gerümpel beiseite, und bie Männer bauen neue, helle, schönere Hütten an die Stelle der abgebrannten. Stolz sind sie, als das mühvolle Werk beendet, cenngleich auch drüdende Echulden auf ihren breitgewachsenen Schultern lasten. Doch sie blicken gelassen in die Zukunft: jie spüren in sich Kräfte. Und wo Kräfte fich regen, da ist auch ein Werden! feine Lüge fie umwittert, verbittert Kein Fluch macht sie ungeduldig; kein Haß ihr Schaffen hemmt, sie mühen sich bei farger Kost. Die Weiber Hagen nicht, darbende Kinder sie trösten, wiewohl ihnen bei all der Not so wehe ums Herz; aber sie wiffen, daß mit dem Jammern kein Bissen wird und mit dem

Fluch kein Trug.

-

Sie hielten fich wader, sich ftügend mit Rat und Tat, bis Sonne bon neuem fie auf die Aeder rief. Ringsum Natur wieder er wachte. Lerchen jubelten hoch in den Lüften über schaffenden Menschen. Mit jedem Tag sonnenwärts wurden sie selbst froheren

Mutes.

Und solch' Bolf verderben folt'?....

Nach diesen Worten schwieg der Eprecher des Volks. Steiner wagte es, die Ruhe zu stören. Wie Schuldbewußtsein fieg es in vielen auf. Wir

-

dieses Bolk?

Wer konnte das

glauben, wo Lug und Trug uns umwob, Haß in Bürgerkrieg

zu lösen fich droht, Eigennut und abermals Eigennutz alle Bande

261

Nahrungsmittel sind: kondensierte Milch, Sped und Schmalz, Hülsenfrüchte, Mehle, Reis. Aus diesen Nahrungsmitteln nun werden Breie und Suppen hergestellt, die, wie schon erwähnt, als Zwischenmahlzeiten, in der Regel am Nachmittag und frühen Abend, verabfolgt werden.

Die Erfassung der bedürftigen Kinder im vorschulpflichtigen Alter geschieht in der Regel durch die Fürsorgestellen. Durch diese erfolgt auch die Gewichtskontrolle. Ich weiß von manchem Kinde, daß durch die Quäferhilfe schon in einigen Monaten von einer niederen Ernährungsbefundstufe in eine beffere hinaufrückte und dessen Gewicht und Aussehen nicht allein sich besserte, sondern weit mehr noch Frische und Freudigkeit den Beweis wirklicher Er­holung lieferte. Uns aber soll die Quäferhilfe etwas lehren.

Wir sind nicht imstande, alle unsere unterernährten Kinder hinaus aufs Land zu senden; dies ist leider nur bei dem aller­fleinsten Teil der Fall. Aber wir können ihnen doch in der Art der Quäferhilfe auch in unseren Städten etwas geben. Dort, wo die Speisungen oder Hilfsmahlzeiten nicht berabfolgt werden, sollte man mit Hilfe tatkräftiger Frauen solche einrichten. Es ist dies doch eine geringe Mühe, ein verhältnismäßig fleines Opfer an Zeit und Nachdenken in Anbetracht dessen, was durch diese fleinen Opfer erreicht werden kann.

Wenn man die Gefahren der Unterernährung im findlichen Alter vor Augen hat und Rachitis wie Strofulose als Vorboten der Tuberkulose auffaßt und erkennt, ist man verpflichtet, alles zu tun, um diesem Volksfeind entgegenzuarbeiten. Jede Hand, die mithilft, soll willkommen sein.

Die verheiratete Lehrerin

Nach einer Verfügung des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung fönnen Lehrerinnen, welche sich verheiraten, im Amt bleiben und werden zunächst auftragweise beschäftigt. Der Berliner Oberlehrer, Stadtverordnete Genosse Dr. Erich Witte , veröffentlicht nun im Vorwärts"( Nr. 300 vom 15. Juni) einen Aufsatz, worin er sich mit der Frage beschäftigt, welche Folgen sich aus der Aufhebung des Cheverbots für Lehrerinnen ergeben. Er hält diese Maßregel für gerechtfertigt, da nach der Reichsver fassung alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte be­seitigt werden müssen, und da es für Kinder, welche die Schule besuchen, von Vorteil ist, wenn einige ihrer Lehrerinnen Mütter sind und aus eigener Erfahrung und Beobachtung die seelische und förperliche Entwicklung eines Kindes von der Geburt an fennen. Pedenklich sei aber die weitere Beschäftigung der Leh­

zerreißt, schmutzige Vericumdung Edelste umschleicht, Zorn und Empörung in Orgien lodert?!....

Und viel, viele Fragen ihre Hirne umdrängten. Er aber sprach nicht mehr, wiewohl er die zweifelnden Gesichter blickte. Er war Sämann nur!

Und Saat braucht Zeit zum Reifen!

Sonnenblumen blüh'n in meinem Garten

Von Lotte Möller

Ich habe die Sonne lieb, barum pflanzte ich Sonnenblumen in

meinem Garten, in dem sonst nur Nußpflanzen stehen. Schlank stiegen die Blütenstiele der Sonne entgegen. Schon woll­ten sie Blüten bringen, da kam ein Fremder und schlug mir meine Sonnenblumen nieder. Er zertrat auch mit harten Füßen meine Nußpflanzen und ging dann mit bösem Lachen davon. Aber ein guter Nachbar fand mich traurig bei der Verwüstung. Er half mir einen Zaun um mein Stück Land ziehen. Dann band ich meine Sonnenblumen an Stüßen und richtete meine Nußpflanzen wieder auf.

Und die Sonne, die ich lieb habe, war stärker als die böse Hand des Fremden.

Bange schon wieder grünt mein Nubgarten, lange schon konnten meine Sonnenblumen ohne Stüße der Sonne zuwachsen. Und in der legten Nacht haben sie die Hüllen ihrer Knospen abgestreift. Jetzt grüßen sie die Sonne!

Jede Zerschlagene aber brachte zum Dank der Sonne zwei Blüten. Da lachte voll Dank mein Herz. Sonnenblumen blüh'n in meinem Garten!

-