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Die Getch beit

gibt. Es fommt nicht allein darauf an, daß ihnen Hilfe geleistet wird, sondern auch, wie diese Hilfe geleistet wird. Einem Verein, dem ihr selbst als Mitglieder angehört, werden sich eure Freunde, eure Angehörigen mit mehr Vertrauen nähern, als einem Vereine, dessen Mitglieder sich in der Hauptsache nur aus den sogenannten besseren Gesellschaftskreisen zusammenseßen. Nahezu 60 Jahre hat das Rote Kreuz friegerischen Zweden ge­dient, helft ihr alle jetzt, daß es bei seiner Umstellung zur Friedensarbeit leichter den richtigen Kurs finde. Ihr Ar­beiterfrauen müßt mit heran zu jeder Art von sozialer Arbeit, ihr müßt Mitglieder werden auch in den Frauenvereinen vom Roten Kreuz, ihr müßt in die Ausschüsse, ihr müßt dafür sorgen, daß die sozial denkenden, gütigen und eblen Menschen unterstüßt werden in ihren Bestrebungen, ihr müßt dafür sorgen, daß man nicht mehr wegwerfend sprechen darf von einer roten Gesinnung". Die foziale Fürsorge soll sein: Arbeit der Allgemeinheit für die hilfs­bedürftigen Glieder der Gesellschaft. Da darf nicht nach der poli­tischen Gesinnung der Helferinnen gefragt werden. Mag diese rot, blau oder schwarz sein, mag sie schillern in verschiedenen Farben berbindungen, das ist reine Privatsache. Sollte das Note Kreuz fich da­hin entwickeln, dann kann es viel Segen stiften. Dazu gehören aller­orts in die Vorstände Menschen mit warmen Herzen und flaren Hirnen.

Aus unserer Bewegung

Versammlungen der Genossin Marie Juchacz in Frankfurt a. M. und Umgegend und Limburg a. 2. Nachdem Genossin Juchacz in einer Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereins Groß- Frankfurt im großen Saale des Zoologischen Gar tens Bericht erstattet hatte über die Genfer Konferenz der zweiten Internationale, sprach sie einen Tag später im Diftrift Born­heim in öffentlicher Frauenversammlung über die Wirtschafts­lage Deutschlands vor einer überaus zahlreichen Zuhörerschaft. Rednerin machte zu diesem Thema folgende Ausführungen:

,, Unser Deutschland ist arm, bettelarm. Dem oberflächlichen Beobachter, der den Lurus einer gewissen Volksschicht sieht, will dies manchmal vielleicht gar nicht so vorkommen, es ist aber leider Tatsache. Ueber die Ursachen unserer Armut herrschen allerhand merkwürdige Ansichten. Sehr häufig macht man die Revolution berantwortlich für die jeßigen wirtschaftlichen Zustände, viele er­klären einfach die Regierung für schuldig. Die Grundursache unserer Armut ist natürlich der Krieg. Deutschland hat während des Krieges seine ganzen wirtschaftlichen Kräfte aufgezehrt. Es wurde in Mengen produziert, aber nicht für die Bedürfnisse der Bevölkerung, sondern für den Krieg. Alles ging an die Front, bis in Jahren nahezu alle unsere eigenen und auch unsere eingeführten Produkte verbraucht waren. Neues kam durch die Blockade nicht herein. Dann kam der Frieden von Versailles und das Abkommen von Spa, dazu der Wiederaufbau der zerstörter feindlichen Gebiete. Ungeheure Leistungen, die unsere Kraft über­steigen. Als unsere Vorräte zusammenschmolzen, kam die Ra­tionierung. Eine Korruption des Wirtschaftslebens machte sich bemerkbar. Die Rationen waren viel zu klein, der Schleich handel sette ein, der Wucher blühte auf. Die Zwangswirtschaft wurde eben erst eingeführt, als nichts mehr da war. Der Selbst­erhaltungstrieb artete aus in schlimmsten Egoismus. Eine neue Gesellschaftsschicht, die Schieber, machte sich unangenehm bemert­bar. Die Valuta sant, unsere Mark galt nur noch wenige Pfen­nige im Auslande. Alles wanderte deshalb ins Ausland, Stoffe, Stiefel, Leder, Hafer, Kohlen und sonstiges. Ein Ausverkauf Deutschlands begann. Die Preise stiegen bei uns auch für unsere heimischen Waren und näherten sich dem Weltmarktpreis. Dann stieg die Valuta, unsere Ware wurde dem Auslande zu teuer und die Wirtschaftskrise seßte nun ein.

Zum Schlusse erwähnte Genossin Juchacz noch die Steuern, die in ihrer ungeheuren Belastung ebenfalls nur eine Folge des berlorenen Krieges sind, und schloß mit einem Appell, der sozial demokratischen Politik zu folgen, welcher lebhaften Widerhall fand. Die Genoffinnen Ege, Bittorf und Quard unterstützten die Aus­führungen der Referentin.

In Griesheim hatte man eine Volfsversammlung mit dem Thema Genf oder Moskau " angesetzt. Trotzdem die U.S.P. nach Bekanntgabe unserer Versammlung ihrerseits einen Tag bor­her dasselbe Thema behandeln ließ, war der große Saal über­füllt. Genossin Juchacz wußte auch hier wieder die große Zu­hörerschaft zu fesseln. Der Genfer Kongreß sei wohl als Rumpf­parlament zu betrachten, da nicht alle Staaten dort vertreten waren. Die Nachwirkungen des Krieges lasten noch auf allen Völkern. Eine der schwierigsten Aufgaben sei es gewesen, eine

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Berständigung der deutschen und belgischen Delegierten herbei­zuführen, doch sei es gelungen. Die Stellungnahme der deutschen Sozialdemokratie während und nach dem Kriege sei von dent ganzen Kongreß als richtig anerkannt worden. Rednerin zog dann die Genfer Beschlüsse mit der Tagung der dritten Inter­nationale in Moskau in Vergleich. Um allen Vorurteilen vor­zubeugen, gab Genossin Juchacz den persönlichen Bericht der englischen Arbeiterdelegierten, die Rußland besucht haben. Die Maßnahmen, die dort getroffen werden, hätten mit Sozialismus nichts mehr zu tun und stehen in direktem Widerspruch zu dem­felben. Was man schließlich noch in Rußland verstehen fönne, käme für uns gar nicht in Betracht, da wir ja fast nur Industrie­staat sind. Bölferverständigung über Verteilung von Rohprodukten sei das wichtigste, damit wir aus dem Elend herauskommen. Die Rednerin schloß mit den Worten: Nicht Diktatur, sondern De mofratie!" Genossin Frau Röhle- Frankfurt ergänzte die Aus führungen der Referentin noch in manchem und Genossin Preis schloß die glänzend verlaufene Versammlung mit einem Appell.

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Bu einer geradezu imposanten Rundgebung gestaltete sich auch der Sozialistentag in Limburg a. b. Lahn . Tausende waren aus den Kreisen Dieß, Westerburg, Weilburg, Limburg zusammen geströmt und begrüßten die auswärtigen Genossen und Ge­noffinnen mit Fahnen und Ehrenpforten aufs festlichste. In der Generalversammlung morgens 9 Uhr gab Genosse Limling den Geschäftsbericht. Die Zahl der Mitglieder war von 30 im Jahre 1918 auf 4000 in 112 Ortsgruppen gestiegen! Genosse Ober­präsident No ste sprach zum erstenmal wieder seit seinem Ausscheiden aus dem Ministerium über Die politische Lage". - über ,, Die Mit stürmischen Ovationen begrüßt, ernteten seine sachlichen Aus­führungen großen Beifall. Genossin Juchacz ergänzte Nostes Ausführungen dahin, daß sie auf die Bedeutung der Frau im wirtschaftlichen und politischen Leben hinwies.

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Mittags 2 Uhr fanden zwei große öffentliche Versammlungen statt. Im Schützengarten" sprachen Genosse Noske und an­schließend Frau Röhle Frankfurt, in der" Post" sprach Ge­noffin Juch a cz. Beide Versammlungen waren überfüllt und von bestem Geifte getragen. Frau Juchacz gab ein getreues Spiegelbild der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, unter besonderer Berücksichtigung von Genf . Sie ging auf den Friedens vertrag ein und forderte seine restlose Durchführung nach Mög­lichkeit. Ihre Ausführungen ernteten stürmischen Beifall. Genosse Bezirkssekretär Röhle- Frankfurt hob den Gegensatz zwischen Genf und Moskau hervor und behandelte danach eingehend die Stellung der Sozialdemokratie zum Christentum.

Beide Versammlungen fanden zu gleicher Zeit ihr Ende und formierten sich zu einem gewaltigen Festzug, der sich mit Musit und roten Fahnen und Schildern durch die Stadt bewegte. Alle Teilnehmer hatten sich mit roten Blumen geschmückt. So etwas hat das alte, erzkatholische Limburg noch nie erlebt! Am Neu markt löste fich der Zug nach einer begeisternden Ansprache des Genoffen Röhle und einem vieltausendfachen Hoch auf die So­zialdemokratie auf.

Hoffentlich können unsere Genossen und Genossinnen an an deren Orten von ähnlichen schönen Erfolgen berichten.

Wohlfahrtspflege

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Gründung von Ortsausschüssen. Von Johanna Heymann. Der im Frühjahr dieses Jahres begründete Ausschuß für Ac beiterwohlfahrt in Dresden hat bereits tüchtige Arbeit geleistet. Er arbeitet bei der Verteilung ausländischer Lebensmittel mit stellt Transportleiterinnen für die Versendung der Kinder nach Dänemark und vermittelt auch selbst die Unterbringung holungsbedürftiger Kinder auf dem Lande. Die Heime werden durch Genoffinnen, die Mitglieder des Ausschusses sind, kon trolliert, und als Leiterinnen von Horten und Kindergärten konnten durch den Ausschuß geeignete Persönlichkeiten vorge schlagen werden. Auch bei der Quäferspeisung wirken in Dresden die Ausschußmitglieder in erheblichem Maße mit.

In der Provinz Schlesien sind bereits eine ganze An­zahl von Ortsausschussen gebildet worden, so u. a. in Breslau , Stattowiz, Gleiwik, Kreuzburg , Konstadt, Bitschen. Es liegen aus diesen Orten noch keine ausführlichen Mitteilungen vor und wir können erst später über die Arbeit dieser Unterausschüsse berichten. Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bobm- Schuch. Druck: Vorwärts

fämtlich in Berlin SW 68, Lindenstraße 3

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