Nr. 37

30. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Haus

Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis: Vierteljährlich 3,60 Mart

In erate: Die 5 gespaltene Nonpareillezeile 1,50 Mart, bei Wiederholungen Rabatt

Unser Frauentag

Berlin

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11. September 1920

B.-S. Jmmer dringender wird die Forderung nach poli­tischer Bildung der Frau, nach gründlicher Schulung un­serer Parteigenossinnen. Die Mitarbeit ruhiger flarden­fender Sozialistinnen in allen öffentlichen Körperschaften sowohl wie in unserer Partei selbst wird zu einer unabweis­baren Notwendigkeit. Es kommt jetzt darauf an, mit den Aufgaben der Zeit zu wachsen, wenn sie nicht über uns zu­sammenschlagen sollen. Bleiben wir Sozialdemokraten mit unserem Können und in dem Erkennen des Zeitnotwendigen zurück, dann stirbt das Ideal der Demokratisierung des Staates und der Sozialisierung des Wirtschaftslebens an unferer eigenen Unfähigkeit. Dann ersteht die Reaktion mächtiger und dauerhafter als zuvor.

Wie in der gesamten Entwicklung der letzten sechs Jahre werden wir Frauen in diesem Ringen um eine neue Welt auch in Zukunft einen ausschlaggebenden Faktor bilden. Der Teil der strebenden Kräfte wird siegen, dem es gelingt, die Frauen von der Richtigkeit seiner Anschauungen zu über­zeugen, sich die ungeheuer bestimmende Kraft ihrer Gefühls­und Gedankenwelt zu eigen zu machen. Rückschritt oder Fortschritt, für eins müssen wir uns entscheiden; zu einem müssen sich aber auch die Parteien bezüglich ihrer tatsäch­lichen Stellung zu den Frauen entscheiden. Ein Zwischen ding gibt es nicht. Die Lösung der Frauenfrage schlechthin nicht in dem frauenrechtlerischen Sinne ist eine For derung des Kulturfortschrittes, der Menschheitsentwicklung geworden. Für die Parteien aber bedeutet die Orga­nisierung der Frauen und ihre politische Schulung die Lebensmöglichkeit. Leider ist man sich dieser ungeheuren Tragweite nicht immer und überall in unserer Partei bewußt. Um so flarer müssen wir uns selbst zu den Tatsachen stellen.

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Unsere Reichs- Frauenkonferenz, die für den 9. Oktober nach Stassel einberufen ist, hat die Aufgabe, Wege zu weisen, Richtung zu geben und Klarheit zu schaffen, wo Unklarheiten noch bestehen. Dem anschließenden Parteitag kann manches Nügliche aus unserer Konferenz erwachsen, wenn mit ju­chendem Geiste, ehrlichem Willen und unter Nußbarmachung der praktischen Erfahrungen die Verhandlungen geführt

werden.

Auf der Tagesordnung stehen zunächst Referate über die politische und organisatorische Wirksamkeit der Frauen in der Partei, welche die Genossinnen Toni Pfülf und Elisabeth Röh I halten. Ueber bisher geleistete Arbeit wird Rechenschaft gegeben; die zukünftige Tätigkeit soll planmäßig vorbereitet werden. Das ist nur möglich, wenn fich an beide Vorträge eine gründliche sachliche Aussprache anschließt, die mit keiner Kritik zurückhält, die aber den festen Willen zum Fortbau unserer Organisation hat.

Die großen parlamentarischen Arbeiten: Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches ( u. a. des Cherechts), Reform des Strafgesetzbuches, die bevölkerungspolitische Gesetzgebung.- stehen hierbei zur Erörterung. Ebenso wird über den

Zuschriften sind zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 5 Fernsprecher: Amt Moritplag 147 40 Erpedition: Berlin SW 68, Linde istraße 3

gesprochen

Hauptausschuß für Arbeiterwohlfahrtspflege werden müssen, wozu auch die beiden folgenden Referate der Genossin Anna Blos und des Genossen Dr. Caspari über Wohlfahrtspflege und Jugendwohlfahrt Gelegenheit geben.

Vor allem ist aber auch eine offene Aussprache über un­sere Gleichheit" notwendig. Die mündliche Agitations­arbeit unter den Frauen wird zum großen Teil unwirksam bleiben, wenn sie nicht durch fortlaufende schriftliche Auf­klärungsarbeit unterstützt wird, wenn aus den Begeisterten nicht Wissende und Erkennende herangebildet werden. Wir werden uns deshalb ernstlich mit der Frage der hüßlichsten Verbreitungsart unseres Blattes zu beschäftigen haben. Jetzt haben wir das System des Einzelabonnements, welches un­bedingt den Vorteil hat, daß das Blatt von jeder Bezieherin auch wirklich gelesen wird Andererseits wird der Kreis der Leserinnen nie ein so großer sein, wie bei der obligatorischen Lieferung an alle Parteigenössinnen, oder der wöchentlichen Beilage zur Tageszeitung.

Es ist also notwendig, daß schon jetzt überall in den Be­zirken Wünsche und Meinungen sich klären und daß Ge­nossinnen zur Frauenkonferenz und zum Parteitag delegiert werden, welche die praktische Arbeit kennen, vorhandene Schwierigkeiten nicht übersehen, sozialistisches gründliches Wissen mitbringen und wissen, was sie wollen. Jeder Bezirk muß von seinem Delegationsrecht Gebrauch machen, und die Genofsinnen haben darauf zu achten, daß sie mit ordent­lichem Mandat versehen werden.

Der wirtschaftliche Aufstieg der Tertilarbeiterinnen

Von Martha Hoppe

( Schluß)

Bei Affordarbeit soll grundsätzlich bei den meisten Verbän­den der gleiche Lohn an Männer und Frauen gezahlt werden unter Zugrundelegung des Lohnes des Arbeiters der gleichen Arbeitskategorie. Der zu diesem Lohn gezahlte Affordauf­schlag beträgt bei den Tertilarbeitern 10-15-20 Proz., den Holzarbeitern 15 Proz., Hutmachern 25 Proz., Schuhmachern 10 Proz., Bädern und Konditoren 10 Proz., Porzellan­arbeitern 25 Proz., in der Rauch- und Schnupftabafindustrie 10 Proz., bei den Buchbindern für die Wellpappenindustrie 20 Proz.

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 46 Stunden bei den Tertilarbeitern, den Hutmachern und den Buchbindern, bei den Metallarbeitern 4612 Stunden, bei den Schuhmachern

47 Stunden, bei allen anderen Verbänden die gesetzlich fest­gelegte Zeit von 48 Stunden. Die Beitragsleistung ist für Arbeiterinnen bei den Fabritarbeitern 0,55, den Metallarbei­tern 0,70, den Holzarbeitern 0,75, den Tabafarbeitern und

den Lederarbeitern 1 Mf. pro Woche. Die Buchbinder haben

5 Klassen von 0,65-2,50 Mt., die Porzellanarbeiter haben

sie nach Wochenverdiensten klassifiziert von 0,80-1,40 wt.,

5%