Nr. 40
30. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Mit den Beilagen: Für unsere Kinder.- Die Frau und ihr Haus
Die Gleichheit erscheint wöchentlich Preis: Viertelfährlich 3,60 Mark
Inserate: Die 5 gespaltene Nonpareillezelle 1,50 Mart,
bet Wiederholungen Rabatt
2. Oktober 1920
Suschriften sind zu richten an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Amt Morigplag 147 40 Expedition: Berlin S2 68, Lindenstraße 3
Die Hausangestelltenrechtsreform geschieht das in erheblichem Maße, muß Entſchädigung gewährt
In der Nationalversammlung hat man erkannt, daß die Schaffung eines neuen, möglich einheitlichen Arbeitsrechts in Deutschland eine zum Schule der Arbeiter notwendige Maßnahme ist. Eine Kommission beim Reichsarbeitsministerium ist zur Bor bereitung berufen worden. Von dieser Kommission wird auch das neue Hausangestelltenrecht beraten. Durch die Aufhebung der Gesindeordnung in den verschiedenen deutschen Ländern ist das Bürgerliche Gesetzbuch§§ 611 bis 630 für den Dienstvertrag der Hausangestellten in Kraft getreten. Einen besonderen Schutz der Hausangestellten vor Ausbeutung sieht das Bürgerliche Gefeßbuch seiner ganzen Art nach nicht vor. Von Kollektiv. oder Tarifverträgen von Hausangestellten mit Hausfrauenorganisationen, der Dauer der Arbeitszeit usw. sagt es nichts. Diese Dinge soll nun bas neue Hausangestelltengeset bringen. Ueber die bisherige Beratung in der Kommission hat in der Oeffentlichkeit nichts berIautet. Der freigewerkschaftliche Zentralverband der Hausangestellten Deutschlands ist zu ihnen nicht herangezogen worden.
In unserer Nachbarrepublik Deutschösterreich ist inzwischen ein Hausgehilfinnengesetz beschlossen worden. Das Vereinsblatt", Organ der Vereine der Heimarbeiterinnen, der Hausgehilfinnen, Schmuckfedern- und Kunstblumenarbeiterschaft Desterreichs, bringt dessen Vorgeschichte und Text. Wir sehen in Deutschland , wie zähe die sonst politisch so uninteressierten Hausfrauen gegen neue Mechte der Hausgehilfinnen zu protestieren wissen, dieses Zweiges der Arbeiterklasse, der zuletzt und spät erst anfängt, bom Gedanken der Arbeiterbewegung ergriffen zu werden. Bewußt oder instinktiv begreifen die Hausfrauen, daß das so gelobte, patriarcha lische" Dienstverhältnis die beste Möglichkeit zur Ausbeutung der Hausgenossin" gibt. Da wundert es uns nicht, daß in Defter reich die bürgerlichen Parteien lebhaft gegen das Gefeß gearbeitet, es in letter Stunde noch verschlechtert und besonders eine ausreichende Ruhezeit verhindert haben.
Per
Das österreichische Gesetz gilt für das Dienstverhältnis von Ber. sonen, die zur Leistung von Diensten für die Hauswirtschaft des Dienstgebers angestellt und in die Hausgenossenschaft des Dienstgebers aufgenommen sind", aber nicht für solche, die auch landwirtschaftliche Arbeiten verrichten. Es gilt nur in Städten mit mehr als 5000 Einwohnern. Ueber den Inhalt des Dienstvertrages sagt das österreichische Gesetz, daß die Löhne sich nach dem Ortsgebrauch regeln, und spricht von den Pflichten der Hausangestellten gegenüber dem Arbeitgeber. Der Hausangestellte hat die Dienstpflicht ordnungsgemäß zu leisten, gerechtfertigten Anordnungen zu entsprechen und die Gebote der Sittlichkeit zu beachten. Von den Pflichten des Arbeitgebers ist nicht die Rede. Der Lohn muß nachträglich, spätestens am Ersten, das Kostgeld voraus gegeben werden. Die Kost muß gesund und ausreichend und„, in der Regel" derjenigen der der erwachsenen Familienmitglieder gleich fein. Der Schlafraum darf Gesundheit und Sittlichkeit des Hausangestellten nicht gefährden und muß von innen verschließbar sein. Auch ein abschließbares Behältnis für den Hausangestellten muß vorhanden sein. Die Nubezeit muß täglich ununterbrochen 9 Stunden dauern und in die Zeit von abends 9 bis 6 Uhr früh fallen, und für Jugendliche unter 16 Jahren 11 Stunden zwischen 8 Uhr abends und 7 Uhr morgens dauern. Täglich ist eine Arbeitspause von insgesamt 2 Stunden, für Jugendliche 3 Stunden einzuräumen, die besonders für die Hauptmahlzeiten zu verwenden ist. Bei dringlichen Aufgaben darf die Ruhezeit gekürzt werden,
werden. Für gestörte Nachtrube muß andere Schlafgelegenheit geschaffen werden. Freizeit mit der Erlaubnis zur Entfernung vom Hause ist zu geben an jedem zweiten Sonntag ab 8 Uhr und in jeder Woche an einem Nachmittage 4 Stunden zwischen 2 und 9 Uhr. Die Tagesruhezeit wird dafür an diesem Tage auf eine Stunde, auch für Jugendliche, verkürzt. Hausgehilfinnen, die zur Leistung von Diensten verwendet werden, deren Natur eine regelmäßige Unterbrechung ausschließt, wird eine entsprechende freie Zeit nach besonderer Vereinbarung gewährt. Urlaub sott nach einem Dienstjahr eine Woche und nach zwei Jahren ziet Wochen und nach fünf Jahren drei Wochen gegeben werden. Wäh rend dieser Zeit ist Gehalt und Urlaubszuschuß zu zahlen.
Schon aus dem Angeführten gehen die Mängel des österreichi schen Gesezes hervor. Wir verlangen für Deutschland auch eine Hausangestelltenrechtsreform und wollen uns darum beizeiten flar werden, was sie bringen muß. Da müssen wir uns zunächst fragen, warum das Gesez nur für große Gemeinden Gültigkeit haben soll. Bedürfen Hausangestellte in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern denn feines gesetzlichen Schutzes? Statt der Festsetzung, daß das Gehalt durch den Ortsgebrauch bestimm wird, müßte bei uns der Hinweis auf den Tarifvertrag treten. Die gleiche Ernährung des Hausangestellten wie der Familien. mitglieder des Arbeitgebers muß nicht nur in der Regel", sondern überhaupt stattfinden. Das Gesez soll nicht die Ruhezeit feitlegen( das würde zu unaufhörlichen Reibungen führen), sondern die Arbeitszeit. Wegen des besonderen Dienstverhältnisses der Hausangestellten kommt eine Arbeitszeit von 10 Stunden in Frage, nicht vor 6 Uhr morgens und nicht nach 8 Uhr abends und füs Jugendliche 8 Stunden zwischen 7 Uhr morgens und abends. Die Arbeitspausen sollen täglich 2 Stunden betragen. Der vierte Sonntag foll ganz und die übrigen Sonn- und Feiertage von 2 Uhr ab arbeitsfrei fein, mit der Berechtigung zur Entfernung vom Hause. Ein zu vereinbarender Wochentag ist von 3 Uhr nach mittags ab arbeitsfrei, gleichfalls mit dem Entfernungsrecht Ueberstunden , die möglichst zu vermeiden sind, müssen mit Aufschlag bezahlt werden. Damit kommt das österreichische Beispiel für die Freizeit, das, was die Wochentage betrifft, durch den Fortfall der Arbeitspause ganz unzuträglich ist, für uns überhaupt nicht in Betracht. Wir halten bei allen häuslichen Arbeiten eine tägliche Pause für möglich. Da die Hausangestellten viel weniger als alle anderen Arbeiterkategorien frei über sich verfügen können, sollte ihnen nach zwei Jahren ein Urlaub von zwei, nach drei Jahren ein Urlaub von drei Wochen zustehen. Nicht Urlaubszuschuß, sondern das ortsübliche Kostgeld soll während dieser Zeit gewährt werden.
Entgegen dem österreichischen Gesetz fordern wir die Einbeziehung der Hausangestellten in die Unfallversicherung, da feine private Versicherung die gesetzliche ersehen kann. Die Kranken versicherung - wir wünschen sie obligatorisch besteht ja in Deutschland schon, in Oesterreich verlangt sie jetzt eine Parlamentsresolution. Die Bestimmungen einer 14lägigen Kündigungsfrist, die wir für angemessen halten, wird im österreichischen Geseke in nicht zu rechtfertigender Weise stark verklausuliert. Prämien bei langjähriger Dienstzeit lehnen wir ab, wir wollen angemessenen Lohn. Zwangsmaßnahmen zum Wiedereintritt, selbst bei widerrechtlichem vorzeitigen Verlassen des Dienstes, dürfen nicht in das deutsche Geset tommen. Die Sonderbestimmungen für Dienstnehmer, die Dienste höherer Art leisten, lehnen wir ab.
Ueber die Aufsicht über die Erfüllung der gajeßlichen Bestim