Nr. 40

-

Die Gleich beit

ausdrüdte, und nur sehr bedauerte, daß nicht auch er mit einer Schar junger Mädel und Burschen aus Holland   anrüden konnte, da waren unsere Herzen tiefbewegt von freudigem Stolz. Es war als perlten heiße Tränen durch jede Brust. Die Feier stunde endete mit dem Hamburger Lied Mit uns zieht die neue Beit!" Dann ging es fingend in einem kaum übersehbaren Buge durch die kleinen Straßen Weimars   nach dem Goethe­Schiller- Denkmal, um den großen Dichtern einen Kranz zu brin gen. Weimar   fah hier unsere zusammengeströmte Arbeiter­jugend zuerst in einem großen Zuge.

Der Sonnabend hatte viele freie Stunden. Nachmittags um 4 Uhr tanzten und spielten wir mit den Kindern Weimars  auf dem Marktplatz. Irgendjemand von uns hatte sie dort hin­bestellt. Und sie waren gekommen! Hier erlebten wir etivas Neues. Die Weimarer   Kinder kannten schon unsere Volfs- und Reigentänze! Und wie gewandt und frei fie fich bewegten. Ei, wie ging das zu? Hier hatten schon schaffende Menschen ge= wirft. Junge durchs Land ziehende Scharen haben es sich zur Aufgabe gemacht, alle Kinder zum gemeinschaftlichen Spiel zu­fammenzuführen. Und es ist ihnen gut gelungen. Da flammte auch in uns der Wunsch auf, in allen Städten und Städtchen, so wie hier die älteren und die nun auch Eltern, mit unsern Kindern zu leben und zu spielen. Unser Wunsch macht es uns zur Auf­gabe, in unserer Heimat ebenso auf diesem Gebiete zu wirken. So sei es auch hier gesagt. Ist das nicht eine neue Aufgabe für unsere Mütter und Franen? Ueberall laßt uns Kinderabtei­lungen gründen und das Kinderspiel neu beleben, auf daß das Gemeinschaftsleben zwischen Eltern und Kindern wieder neu zu fammenwächst!

-

-

In später mondtiarer Nachtstunde, als unsere Goethe- Feier im Nationaltheater zu Ende war, zündeten unsere Jungen Fadeln on. Woher die plötzlich kamen, das weig beiner. Alles war Be­geisterung. Jeder hatte Anregungen, und die Ausführung folgte geschwind. So zogen wir durch die dunklen Gassen im hellen Feuerschein. Unerwartet wurde ein Spalier gebildet, zu beiden Seiten eine helleuchtende Fackelreihe und wir Mädchen mußten burchlaufen ins Evangelische Gemeindehaus"! Ja für uns hieß es pünktlich heimfommen. Die Hausordnung" schrieb das so bor  . Die Burschen marschierten weiter in den Wald und nahe ihren Echlafbaracken, auf einer Wiese, stellten sich die Fackelträger in die Mitte, die übrigen vielen setzten sich rundherum. Da sprach unser junger Dichterling Willi Sagelmacher seine Gedichte in die Nacht hinaus und leise erfüllten unsere Volkslieder das stille Tunkel.

" 1

ihrer billigen Versprechungen wie unnüßen Bopanz beiseite ge schoben....

Wir aber auf unserer Erde, wir Stolzen und Starken und Mutigen, wir treiben die Gewaltigen der Erde von ihren Fürsten­fizzen als sei ein Hafenjagen; wir zertrümmern die Throne mit mächtigem Hammer; aber vor den Zwingburgen der Kirche machen wir halt; da regt sich keine Hand und kein Hammer!

Unsere Furcht ist stärker denn unsere Sehnsucht, und unsere Kraft schwächer denn das Priestergesez.

Aber ich weiß, einst wird der Tag kommen, da flutet auch auf Erden das blaue Licht durch alle Dunkelfammern, und da sind feine Zäune und feine Hecken und keine Mauern mehr, da steht das Volk auf zu einem letzten Freiheitskampf.

Auf den Tag!

Sozialiſt ſein

heißt keineswegs bloß den Triumph einer beftimmten Partei vor­zubereiten, einen bestimmten Teil eines Volkes einfach zur Macht bringen. Mein, es heißt arbeiten für eine Gefellſchaftsordnung, in der alle aktiven Kräfte harmonisch verbunden werden und zu aller Nutzen zufammenwirken follen. Das gilt für die Kinder eines Landes fowohl als auch für die verfchiedenen Nationen. Frieden foll an Stelle des Krieges treten, gegenseitige Dienste und Sympathie an die Stelle Streitenden Eigenwillens und die Solidarität der Intereffen an die Stelle der Zügellofigkeit, der Selbstfucht.

Rugult Bebel.

Der voritehende Ausipruch unferes unvergeßlichen Auguit Bebel eignet lich lehr gut als Wandipruch und follte in keiner Hrbeiterwohnung fehlen. Er iſt in zwei Farben, rot und fchwarz, lauber gedruckt( Größe 24,5X34,5 cm) und ent­Ichieden ein schönerer Zimmerichmuck als manches Bild. Zu bezieben ist er im Verlage des Bildungsverbandes der Deutschen   Buchdrucker 6. m. b. 5., Leipzig  , Salomonitraße 8, zum Preile von 2,- Mk.

325

Unser Spielfest am Sonntag im Tiefurter Park! Früh um fieben Uhr ging's hinaus. Draußen hatten wir eine große Wiese gepachtet. Aber o je, das Heu, das noch in Haufen über die Wiese berbreitet war, mußte erst fortgeschafft werden. Zuerst hiez es also arbeiten. Und im Nu bewegten sich tausend laufende Heu­haufen über den weilen Rasen, dem Waldrande zu. Das hättet ihr sehen müssen!

-

Die Sonne lachte und wir lechten mit ihr. Gin buntes Ge­tümmel bewegte sich über die weite grüne Fläche! Die Süd­deutschen kannten viel mehr Streisspiele als die Norddeutschen, aber wir haben eifrig zugeschaut und gleich mitgemacht. Von uns lernten die meisten unsere Boltstänge zur Laute und Geige! Ja, den Magdeburgern mußten wir sogar Privatunterricht erteilen! Die wollten ganz bestimmt einige unserer Tänze mit nach Magde­ burg   nehmen. Sie haben uns gut entschädigt. Ein feines Spiel mit Namen Spielmanns Schuld", ausgearbeitet vom Sonnen­Müller aus Magdeburg  , führten sie im Freien auf. Aber auch die Frankfurter haben uns begeistert mit ihrer echt natürlichen prächtigen Aufführung von Schillers Räuber". Die Stunden eilten nur viel zu schnell. Ganz früh am Sonntag morgen hatten einige von uns entdeckt, daß unser Kranz am Denkmal gestohlen sei. Wir wußten zuerst darob nichts zu sagen. So harmlos, so unpolitisch war die Ehrung der großen Dichter von uns geschehen. Und dann beschlossen wir, einen neuen Stranz selbst zu winden. Aber das genügte nicht. Die Empörung war damit nicht gelegt. Unser Genosse Westphal sann auf Nache. Mit ein paar anderen zimmerte er in Tiefurt ein großes Hakenkreuz zusammen und ließ es beim dortigen Maler schwarz- weiß- rot anmalen. Und so fam es aus Herzinnerster Empörung heraus, daß wir am frühen Nachmittage abermals auf den Theaterplas in die Stadt zogen, das rote Banner voran, hinterher zwei Burschen, die am langen Tauwert das Hakenkreuz hinter sich auf der Erde nachschleppen ließen. Etliche zündeten aus dem Warde mitgebrachtes dürres Laub vor dem Denkmal an, eine mächtige Flamme schlug empor, und nach ein paar treffenden Worten gegen die, die den Kranz gestohlen hatten, schleuderte ein anderer Genosse das Hakenkreuz zum Verbrennen ins Feuer! Alle von uns waren heiß und aufgeregt und wir schmetterten laut und fest unser Jugendkampfeslied" Dem Mergenrot entgegen".

Sonntag abend saßen wir wieder in dem schönen National-­theater, wo uns die Genoffen Sollmann( Köln  ), Bröger( Nürn berg  ) und Schult( Hamburg  ) drei seine Vorträge hielten! Schon gleich wieder nach Hause, murrten wir Mädchen aus dem evan­gelischen Heim, als wir aus dem Theater strömten. Der Voll­

Herbstnächte

unkel, herb und nah die Nacht. Eine goldrote Kugel leuchtet der Mond aus der Finsternis, die Farbenpracht des Herbstes liegt verborgen im Mantel der Nacht.

Aber so, ungeblendet von deiner vielseitigen Bracht, enthüllst du, Herbst, im tiefen Schweigen deine Seele. Müde, tälte­zitternd schlafen deine Stürme. Fröstelndes Riefeln durchbebt die Buchenstämme. In deiner Herbheit liegt ein tiefer Schmerz, das Geheimnis der Schöpfung, von dem ich weiß, und das ich doch voll tiefen Staunens nie ganz erfassen kann!

Es reifen in voller Kraft deine Früchte. Ein starker Erd­geruch löst sich, schmerzentbunden, aufatmend zur Freiheit! Und doch liegt eine tiefe Frage in dieser gebenden Natur.

Nackt breitet sie sich dem Himmel und den Winden, daß beide den vollen Samen aus reifen Früchten tragen und nähren mögen, und still, wie ein Heiligtum, wächst die Erfüllung der Naturgebete in ihrem Werden, in dem Winter, der eisig sich kündet, und dem Frühling, der werdend, tief im Schoße der Schöpfung schlummert. Lotte Witte.

Der alte Wetterbahn

,, Man fagt mir nach, ich follte ewig mich drehn Nach jedem Wind; vor Zeiten ilt's gefchehn, Das räum ich ein," sprach stolz der Wetterhahn. ,, Doch folche Schwachheit hab ich abgetan; Seit Jahren Iteh ich feft auf meinem Turm Und biete Trotz dem Winde und dem Sturm." Er dreht lich auch nicht doch offenbar Tur deshalb, weil er eingeroltet war.

-

Julius Sturm  .