Nr. 50

30. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Mit den Beilagen: Für unsere Kinder.

Die Gleichheit erscheint wochentlich Prets: Biersetjährlich 3,60 Mart

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Friedrich Engels

Berlin

11. Dezember 1920

Soweit die sozialistische Idee die Menscheit erfaßt und zu Kampfgemeinschaften zusammengeschloffen hat, fanden zur hundertsten Wiederkehr des Geburtstages von Friedrich Engels ( am 28. November) Feiern statt, die nicht nur das Gedächtnis diefes großen Mannes und seltenen Menschen ehrten, sondern die sein Wert, seine Tat, sein Leben von nenem vor uns hinstellten. Und das tut not in unserer Zeit, die so arm in jeder Beziehung geworden ist.

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. Engels war der Sohn eines Großfaufmanns in Barmen. Aus dem Bann einer streng firchengläubigen Erziehung löste er fich als Siebenzehnjähriger und die Schriften Schleier­machers und David Strauß ' sind ihm Kampfmittel und Stütze gewesen in diesem inneren Ringen. Ueber das Studium der Philosophie Hegels und Feuerbachs kam er zur Erkenntnis des Sozialismus und nun war es sein Lebenswerk, diese Erkenntnis auf einen so festen Boden zu ftellen und fie in eine solche Form zu bringen, daß sie in die Herzen und Hirne der breitesten Boltsmassen dringen fonnte. Denn diese breiten, werteschaffenden Massen, die in der herr­schenden Gesellschaftsordnung so wenig Anteil an den geisti gen und materiellen Gütern hatten, waren nach Engels Er­fenntnis berufen, die Träger der sozialistischen Lehre und die Bollender des gesellschaftlichen Erlösungswerkes zu sein. In der Zusammenarbeit mit Karl Mary hat er der Mensch heit die Bahn zum letzten Ziel bereitet.

Welchen Einfluß Marr auf Engels ausgeübt hat, ist be kannt. Sein Leben und Streben hat durch Mary die feste Richtung bekommen; wieweit er bestimmend für das Schaffen bon Marg gewesen ist, wird erst mit voller Klarheit im Beitenlaufe hervortreten. Er stellte sich immer in den Schatten seines Freundes. Engels , dieser univerfale Geist und gütige Mensch, hatte einen Begriff der Freundschaft, wie er heute verlorengegangen ist. Eduard Bernstein nennt ihn ,, ein Genie der Freundschaft", und aus dem Briefwechsel zwischen Karl Marx und Friedrich Engels "( Verlag Dieß Stuttgart) fowie aus dem im Verlag von Springer, Berlin 1920, erschienenen Buche von Gustav Mayer Engels Schriften der Frühzeit" geht uns das Verständnis für das Wesen eines Menschen auf, der solche Freundschaft üben fonnte. Genosse Heinrich Cunow schreibt in einem Ge­dentartikel über das Werden und Sein von Friedrich Engels :

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Friedrich

Durch die Beschäftigung mit den Schriften des Jungen Deutsch­ land schon mit achtzehn Jahren hatte er einige Ileine kritische Beiträge für Karl Gußtows Telegraph" geliefert und den Ver­lehr mit mabibalen Junghegelianern entwidelte sich des jungen Engels' politisches Glaubensbekenntnis immer mehr zum revolu­tionären Radikalismus. Sozialist im eigentlichen Sinne mar je< doch Engels zu jener Zeit noch nicht. Er ist es erst geworden, als er nach Ableistung seines Dienstjahres im Spätherbst 1842 auf Wunsch seines Vaters nach Manchester ging und dort zu seiner weiteren faufmännischen Ausbildung in die Firma Ermen u. Engels , deren Mitinhaber sein Vater war, eintrat.

In Nordengland , damals der Zentrale der europäischen In­

Die Frau und ihr Haus

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dustrie, erschloß sich dem mit scharfer Beobachtungsgabe ausgestat teten jungen Engels das Verständnis für das kapitalistische Wirt schaftsgetriebe und die in seiner Entwidlung zum Durchbruch tommenden Tendenzen. Hier lernte er die höchste Entwicklungs­stufe des Mapitalismus und zugleich die damalige höchfte Form der europäischen Arbeiterbewegung, den englischen Chartismus, und die sozialistischen Lehren Robert Owens tennen. Unter dem Gindruck seiner neuen Beobachtungen wurde Engels bald Mit­arbeiter am Hauptblatt der Chartisten, dem Northern Star" und revolutionärer Sozialist. Nicht Anhänger des utopistischy philanthropischen Sozialismus, der, ausgehend vom Gedanken einer gefeßmäßigen sozialen Entwicklung, die Grundlage seiner Bestrebungen in der politischen Oekonomie und die Träger seiner zukünftigen Berwirklichung in den proletarischen Massen fand, Die Abhandlung Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie", die Engels damals in den Deutsch - Französischen Jahrbüchern" beröffentlicht hat, sowie seine Schrift über die Lage der arbeiten den Klaffe in England" liefern für diesen Entwicklungsgang des jungen Engels die Beweise.

Zwei Jahre darauf verließ Engels Manchester wieder. Er fuhr über Baris und besuchte Marg, mit dem er schon vorher in brief­lichen Verkehr getreten war. Die Folge ihres beiderseitigen Ge­dankenaustausches über die politischen Zeitfragen war jener enge vierzigjährige Freundschaftsbund, der erst 1885 durch den Tod von Marg gesprengt wurde. Fortan arbeiteten Marg und Engels ge­meinsam. Die erste literarische Frucht dieses Bundes war die gegen Bruno Bauer gerichtete Spottschrift Die heilige Familie " und darauf die Abfaffung des seitdem fast in alle Kultursprachen übersetzten Kommunistischen Manifests ". Die Ausführung weiterer geplanter Arbeiten wurde durch den Ausbruch der Revo Iution in Frankreich und Deutschland verhindert. Aufs tiefste von der revolutionären Strömung ergriffen, gingen beide mach Deutsch Land zurück und gründeten dort in Köln das erste sozialdemokra tische Tageblatt Deutschlands , die Neue Nheinische Zeitung". Als dann aber über die Rheinlande die Reaktion hereinbrach, ver, tauschte Engels die Feder mit dem Schwert. Er schloß sich dem rheinischen Aufstand an, ging in die Pfalz und trat in das Wil lichsche Freischarenkorps ein.

Nach der Niederwerfung der deutschen Revolution flüchtete Mary nach England. Ihm folgte Engels . Er ging wieder nach Man­ chester und trat aufs neue in die Firma Ermen u. Engels ein. Im stetigen brieflichen und mündlichen Verkehr mit Marg nahm er an dessen Arbeiten regsten Anteil, unterstützte den in dürftigen Verhältnissen lebenden Freund, wo er konnte, durch Geld und schrieb eine Reihe Korrespondengartikel über das politische und wirtschaftliche Leben Englands für die New York Tribune ", so­wie ferner mehrere Abhandlungen und politische Broschüren.

Obgleich Engels den Tag herbeisehnte, wo er dem verfluchten Kommerz" den Rücken behren fonnte, gelang es ihm doch erst 1869, sich aus der Spinnereifirma, deren Mitinhaber er inzwischen ge worden war, zurüdzuziehen. Sofort übersiedelte er nach London , um im ftetigen persönlichen Verkehr mit Marg zu bleiben und ihm einen Teil der sich rasch mehrenden Arbeiten abzunehmen, die die Leitung der 1864 gegründeten Arbeiter- Internationale mit sich brachte. Auch als im Jahre 1883 Mary starb, gönnte sich der be reits 62 Jahre alte Engels feine Ruhe. Er übernahm nicht nur die ausgedehnte Korrespondenz, die Marx als anerkannte Auto­rität mit den Führern der sozialistischen Parteien aller Weltteile gepflogen hatte, sondern ging auch sofort an die Aufgabe, den literarischen Nachlaß seines Freundes durchzusehen und heraus zugeben. Zunächst veröffentlichte er 1884, geftüßt auf ein Macgre