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Die Gleich beit
Eingaben, etwa auch Einreichung von Alimentenklagen gegen den Bater unterstützen werden. Oder ein oder mehrere Beamte, je nach Größe der Stadt, werden Berufsvormund, leiten die ganze Vormundschaft über die Mündel und übertragen ihre einzelnen Aufgaben auf andere ihnen unterstellte Helfer. Der Jugendpflegerin würde dann zufallen, die persönliche Fühlung mit dem Mündel aufrechtzuerhalten, um den Vormund aus ihrer Kenntnis des Milieus, der Gesundheit und der charakterlichen Eigenschaften des Jugendlichen zu beraten. In der Praxis würde ihre Tätigkeit Damit beginnen, festzustellen, ob das uneheliche Kind bei der Mutter bleiben kann oder in Anstalts- oder Familienpflege ge bracht werden muß. Bei plöglich zu Waisen gewordenen ehelichen Kindern müssen sie begutachten, ob die Anstellung einer Haushälterin, Unterbringung im Waisenhaus, in einer verwandten, befreundeten oder fremden Familie in Frage kommt. Sie müßle in allen Fällen feststellen, ob eine. Unterstüßung der Kinder durch Geldmittel notwendig ist. Wenn die Entscheidung über das Schic fal der Kinder gefällt ist, hat sie etwa die anderweitige Unterbringung durchzuführen und muß dann die Kinder, die in Pflege= stellen sind, beaufsichtigen. Die Pflegeeltern hätten mit ihr, wenn eigene Mittel der Kinder nicht vorhanden sind, die notwendigen Anschaffungen zu besprechen. Sie müßte dle rechtzeitige Buziehung eines Arztes, wenn das Kind leidend ist, und dann natürlich auch die Einleitung eines Heilverfahrens durchsetzen. Je älter die Kinder werden, um so schwieriger wird ihre Aufgabe. Sie muß nun feststellen, ob die Pflegeeltern die richtigen Erzieher sind, muß Berbindungen mit der Schule halten und die richtige Berufsausbildung in die Wege leiten. Das alles ist ungeheuer schwierig und kann nur erfüllt werden, wenn die Jugendpflegerin mit ernstem Willen bestrebt ist, an den ihrer Obhut Anvertrauten Elternstelle zu vertreten und die Kinder nicht nur zu nützlichen, sondern auch zu glücklichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft zu machen. ( Fortseßung folgt)
Ein Wort an unsere Mütter
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Oft schon ist die Frage der seruellen Aufklärung und der Ge schlechtsfrankheiten, auch in der Gleichheit", behandelt worden, and wie oft tamen dann die Mütter und sagten: Ja, das ist ja ganz gut und richtig, aber sagen Sie uns doch nur, wie man über solche Sachen mit den jungen Leuten reden kann." Gab ich ihnen dann in flaren Worten kurze Beispiele, dann
In
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Feuilleton
Das neue Jahr
O neues Jahr, du fiebit am Tor, harrit nur der Glocken ernitem Chor, Daß Kron' und Szepter dir zu eigen. Ach, wolltest du dich buldreich zeigen, Wir bitten dich, es iſt nicht viel: Aus heißem Kampf führ uns ans Ziel, Daß bittres Leid zur Freude werde Und bange Пot ein heim'lig Glück! Rui unfrer nachtverfunknen Erde Der Liebe heil'ge Glut zurück!
Sich, wie wir kämpfen, wie wir ringen, Mach uns der trüben Sorge frei, Dilf uns die Dornenqual bezwingen, Daß Glück und Friede unfer fei.
Vom Christkind
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Frieda Rudolph- Staubitz.
Aus„ Graspfeifer", von Ludwig Finkh
( Schluß) n dieser Knakenzeit, da mir das Herz von Sagen, Märchen und Indianergeschichten angefüllt war, nahm ich Schaden an meiner Seele durch törichte Schauergeschichten, die in meinen von treuer Elternhand geschenkten sittenreinen Weihnachtsbüchern standen. Ich erinnere mich besonders einer, die im Spessart spielte, und ich denke heute noch an den Spessart, obwohl ich ihn nicht kenne, nur mit Schaudern. Da schlief einer im Wirtshaus in seinem Bett, ein großes Bild eines Mannes hing über thin an der Wand; in der Nacht träumte ihm, das Bild bewege fich; er wachte dadurch auf und fah, wie das Bild in Wirk
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hieß es: Ja, wenn Sie so darüber reden, ist alles so schön, so leicht verständlich; aber wenn wir nun so zu unseren Kindern sprechen, nein, das geht doch nicht, das will uns nicht über die Lippen." Ginzelne verzagte Mütter tamen denn auch im stillen zu mir und baten: ,, Ach, liebe Genosin, wollen Sie denn nicht einmal mit unseren Kindern darüber sprechen?"
" Ja, das könnte ich schon!" war meine Antwort, aber erstens müßte sich erst eine passende Gelegenheit oder eine stille Stunde dazu finden, und zweitens wären meine Worte, und wären ste noch so schön und gut gewählt, nicht der Mutter Worte."
Ein Mutterwort ist dem Kinde heilig. Die Mutter allein, wenn sie ihrem Kinde eine rechte Mutter gewesen ist, fennt das Seelenleben ihres Kindes ganz Die Mutter allein weiß. wie sie das Kind zu nehmen hat. Mir selbst als Mutter sind die Stunden der Aufklärung nie schwer geworden, im Gegenteil, Stunden der Weihe, Feierstunden sind es mir geivesen.
Früh schon habe ich damit begonnen, habe nicht erst gewartet, bis irgendeine gute Freundin oder ein guter Freund von der Straße meinen Kindern etwas ins Ohr flüsterte, was ihnen des Lebens höchstes, heiligstes Wunder entheiligen müßte; gewappnet sollten sie sein gegen alles, was niedrig, schmutzig und gemein ist. Ich habe auch nicht gewartet, bis das Kind ein gewisses Alter erreicht hatte, sondern bei jeder Gelegenheit, die sich mir bot, daheim im trauten Stübchen oder draußen in Feld und Wald, angeknüpft. Nur ein kleines Beispiel will ich hier nennen. In der Schule, die mein Aeltester besuchte, hatten sie auch einen Halbidioten, der von den Mitschülern viel gehänselt und gefoppt wurde. Als mein Junge mir davon erzählte, sagte ich zu ihm: ,, Sieh mal, wie traurig das ist. Ich kenne den Knaben und seine Eltern recht gut. Der Aermste hat einen Trunkenbold zum Vater und muß darum verlacht und verspottet durchs Leben gehen, und ist doch so schuldlos daran!"
Erft schwieg mein Junge, dann sah er mich groß und verständnisvoll an, und seit dem Tage ist er dem armen Jdioten ein Freund und Beschützer gewesen Und ich weiß, er selbst wird fich hüten vor dem Teufel Alkohol, der solch unsägliches Clend schafft.
Also schlug ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Und wie froh bin ich, daß ich so früh damit begann. Denn als eines Tages mein kaum 18jähriger Sohn plötzlich vor mir stand und sagte: ,, Mutter, ich mag nun nicht länger als Arbeitsloser herumbummeln, ich gehe zur See," da war nicht viel Zeit übrig zur Aufklärung; in der Scheidestunde will solch ein Gespräch nicht
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lichkeit sich auf ihn herabsenfte, eine scheußliche Maschine, um ihn zu erdrücken. Das Blut gerann ihm in den Adern. Als die Mordmaschine seine Nasenspite berührte, konnte er aufspringen und sich noch retten. Viele Nächte habe ich dieser Geschichte wegen nicht geschlafen; ein unheimliches Bild war dabeigedruckt; ich erschrak oft und schrie in der Nacht und wurde scheu und furchtsam. Und wenn ich frühzeitig merkte, was es heißt, Nerven zu haben diese Geschichte und dieses Jugendbuch flage ich an, und ich verlange, daß die Kindheit behütet werde vor törichten Ammenmärchen wie vor den groben Mordund Gespenstergeschichten, die oft wie ein Beil in unbewachte Seelen fallen und sie vor der Zeit wund und blutend machen. Da war es föstlicher sich auf Weihnachten zu freuen und Abende lang die heilige Familie" zu spielen. Meine Mutter war Maria, meine Schwester der heilige Dreifönig, ich war der Esel an der Krippe. Wir lagen Maria zu Füßen und sangen mit hellen Stimmen und noch helleren Augen.
Als ich älter wurde, wandte sich das Christkind von mir ab. Die Freude fror mir ein im Herzen. Etüd um Stüd nahm ich vom Baum herunter. die Silberhaare, die Pfauen, die gläserne Trompete, und schließlich auch das Christkind. Ich tat's nicht gern; ich war ein alter Kauz geworden. Bloß die weißen Lichter durften bleiben. Ich nahm die Feiertage wie sie fielen, nahm auch wohl einen Werkeltag dazu, bloß konnte ichy's nie leiden, daß die Menschen sich auf einen einzigen Tag beschenkten; und ich gewöhnte mir's an, aus dem blauen Himmel heraus, recht ohne Grund und unvernünftig, zu schenken, grad nicht auf einen Festtag, an Tagen, die grau und trüb und staubig waren. fröhlich in den Tag hinein. Am Festtag häufen sich Geschenke an, im Alltag, wo man's braucht, fehlt oft die Freude. Und so will ich's weiterhalten. Das Chriftfind lebt auch außerhalb der Weih nachtszeit, manchmal verstedt es sich am Chrifttag. Das hab id einmal erfahren, da mich's im Stiche gelassen und ich am Chrifttag arm und verlassen und verzweifelt stand, ohne Eegen und
So