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Die Gleich beit

Ganz anders aber find die Zustände auf dem Gebiete der In­dustrie; man konnte es türzlich von verschiedenen Seiten hören, daß nur die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter bereit sind, die Frauen auf die Straße zu werfen, wo sie hungern fönnen, damit Männer die Stellen bekommen, die bis jetzt die Frauen innehatten. Oberflächlich betrachtet, scheint dies nur allzu wahr zu sein. Auf allen Gebieten haben zurückkehrende Soldaten und andere Männer, erwerbslos und verzweifelt, arbeitende Frauen bedroht, hauptsäch­lich aus dem Grunde, weil sie an ihre eigenen zu Hause in Not sich befindenden Frauen und Kinder dachten. Diese Handlungs­weise ist menschlich begreiflich und natürlich. Das Verlangen, für feine Angehörigen zu sorgen, ist ein Grundzug im Charakter eines jeben anständigen Menschen, aber diese Kampfesweise gegen Frauen Der eigenen Klasse tann nur Unheil bringen. Dies hat nichts zu tun mit der Frau, die eine Stelle an einen Mann wieder abgibt, die er vor dem Kriege innehatte, das tam nie in Frage. Der An­griff ist ein allgemeiner und das Ergebnis ist turz folgendes: eine Frau hat fein Recht, in der Industrie ihr Brot zu erwerben, solange noch ein Mann ohne Arbeit ist. So brutal ausgedrückt, ist die Sache natürlich unmöglich. Die Frau muß leben, und um zu leben, muß sie arbeiten. Der Arbeiter tann die Frau nicht aus der Industrie verdrängen, wohl aber fann er sie zu schlecht bezahlter, wenig leistungsfähigen Streitbrecher konkurrenz gegen die qualifi­zierte Arbeiterschaft drängen. Nur in wenigen Fällen fönnen geistige und körperliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern als Grund für den Versuch, Frauen aus einer bestimmten Industrie zu verdrängen, gebraucht werden. Der Krieg zerstörte das. Die ganze Frage löst sich in einen Streit um die Futterkrippe auf, und als sowohl die öffentliche Meinung wie auch das Gefühl auf seiten des Familienvaters find, wird die Frau in bezug auf anständige Arbeitsbedingungen untergehen und wird wiederum nichts weiter fein als eine Gefahr für die gesamte Arbeiterschaft.

Ich glaube, die organisierte Arbeiterschaft muß ernsthaft über­legen, wohin dies führt. In erster Linie wird es dem Arbeitgeber ein unbeschränktes Angebot von billigen Arbeitskräften liefern. Die Bewegung für Lohnabbau wird einen großen Anfporn bekommen, und bei den gegenwärtigen Zuständen wird keine Gewerkschaft, und sei sie noch so start, einen Streit einfach gegen Frauenarbeit mit Erfolg durchkämpfen tönnen. Der zweite Grund wird in wachsen­dem Maße für jeden Beobachter einleuchtend sein. Er wird ein anderer Hebel sein, der gegen die Solidarität der Arbeiterklasse in Bewegung gesetzt werden kann. Ich bin überzeugt, daß der Versuch, eine Kluft zwischen Mann und Frau der Arbeiterklasse zu machen, ein gefährlicher ist. Unsere Kapitaliftenfreunde mögen es bei den Frauen der Bergarbeiter nicht erreicht haben, aber laßt ihnen nur Beit. Wenn die Frauen der Arbeiter an ihrer Liebe für Heim und Kinder angefaßt werden, so werden sie ihre Macht immer gegen jeden wirtschaftlichen Kampf zur Geltung bringen; und die allein­stehende erwerbstätige Frau fann in einen feindlichen Gegensatz hineingetrieben werden durch die falsche Stellungnahme der Ar­beiter. Dann wird die Arbeit unsern Gegnern um so leichter gemacht.

Gebt den Frauen Arbeitsgelegenheit und eine freie Bahn, sie verlangen feine Begünstigung. Agitiert für gleichen Lohn, macht fie zu gleichberechtigten Mitgliedern in den Gewerkschaften, und dann arbeitet alle zusammen an der Beseitigung der wirklichen Ursache der Arbeitslosigkeit der kapitalistischen   Gesellschafts­ordnung Bekämpft euch nicht gegenseitig und gebt den herrschen den Klassen nicht wieder Gelegenheit, die Wahrheit ihrer nüz­lichsten Marime zu begründen: Teile und herrsche."

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Die Leferinnen werden finden, daß die englischen Verhältnisse auf diesem Gebiete den deutschen sehr ähnlich sind.

Amerita. In einem New- Yorker Krankenhause ist eine Baby­Waschanstalt eingerichtet worden. Sie steht allen Müttern offen, die zu Hause nicht über die nötige Bequemlichkeit verfügen. Die Kleinen werden in einem gut erwärmten Raum, in richtig tempe­riertem Wasser gebadet, alle Gefäße usw. find äußerst sauber, so daß Infektionen nicht vorkommen tönnen. Die Mütter erhalten Unterweifung und gewöhnen sich so an eine sachgemäße Reinigung und Behandlung der Kinder. Aerzte kontrollieren den Gefundheits­Zustand der Kleinen.

Im Arbeitsministerium in Washington   wurde fürzlich ein Film vorgeführt, der ein Propagandamittel ist für Arbeiterinnenschuh und für die Forderung der gleichen Bezahlung von Frauen- und Männerarbeit. Die Bilder zeigen zwet junge Mädchen, die in ver schiedenen Werkstätten und unter ganz verschiedenen Bedingungen arbeiten. Es soll der Einfluß der Arbeitsbedingungen auf Gefund.

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heit und Leistungsfähigkeit veranschaulicht werden, z. B. Acht stundentag und unbegrenzte Arbeitszeit, Nachtarbeiten und Ar. beiten mit ausreichenden Ruhezeiten. Außerdem wird an Hand der Bilder die Frage erörtert: ,, Ist eine Arbeit weniger wert, weil eine Frau fie tut?"- Die Frauenorganisationen werden sich dieses Films als Propagandamittel gewiß mit Erfolg bedienen.

In New York   haben sich eine Reihe von Frauenausschüssen zu einer umfassenden Organisation zusammengeschlossen, zu dem Zwede, in den nächsten Wochen in den Bereinigten Staaten überall Massenversammlungen zu veranstalten, in denen die Beschränkung ber Rüstungen gefordert werden soll.

In den Bereinigten Staaten wurde durch die Annahme Der Lehlbach- Borlage das gleiche Prinzip für alle Beamten ohne Unterschied des Geschlechtes in allen Gemeinden zum Gefeß erhoben.

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England. Die Labour Party   beabsichtigt, als Chrung für die verstorbene Mary Macarthur die Vormundschaft über deren zehn. jährige Tochter Nancy   zu übernehmen.

Es ist den Wäschereibesitzern der englischen   Stadt Fulham ge­lungen, durch Gerichtsbeschluß die Schließung der Gemeinschafts­waschküche, über die seinerzeit in der Gleichheit" berichtet wurde, zu erzwingen. Eine Aktion gegen das Urteil ist im Gange. *

Schweden  .

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Frauenwahlrecht. Der schwedische Reichs­tag hat die im Jahre 1919 beschlossenen Berfassungsänderungen, wodurch u. a. die Frauen das volle politische Wahlrecht erhalten und wodurch das Wahlrecht nicht länger von der Steuerzahlung abhängig gemacht wird, endgültig bestätigt.

Aus unserer Bewegung

Zur Reform der Frauenabende.

Die in Nr. 5 der Gleichheit" wiedergegebenen Beobachtungen, an die Genoffin Wachenheim ihre Schlußfolgerungen knüpft, werden von den meisten Referentinnen und Referenten der Frauenabende bestätigt werden. Frauenabende sollen Bildungsabende sein, die den durch die großzügige Agitation gewonnenen Anhängern der fozialdemokratischen Ideen in der Erfassung dieser Ideen behilflich fein follen.

Nun ist aber bei der Art, ein Thema fortlaufend zu behandeln, vieles in Betracht zu ziehen: Zunächst dürfen die Baufen zwifchen den Vorträgen keine vier Wochen betragen; mindestens alle vier. zehn Tage müßte die Fortsetzung stattfinden. Man kann das bei den Kursen sehr gut feststellen, daß, je zusammenhängender die Zeit, desto besser auch das Behalten und Verarbeiten des Stoffes ist. Ein zweites Wichtiges ist die Person des Vortragenden. Ist der Redner oder die Rednerin in der Lage, den Stoff anziehend zu gestalten, ihn fesselnd, nicht ermüdend, darzustellen, dann wird die Hörerschaft auch bei der Stange bleiben". Sehr sympathisch ist der Borschlag, nach Vorbild der Volkshochschulen die Arbeits­gemeinschaft zu bilden. Doch dazu werden verhältnismäßig wenig die Gefolgschaft leisten. Und dann sind diese Arbeitsgemeinschaften eben keine Frauenabende im herkömmlichen Sinne mehr, sondern Oberstufen, die einen gewaltigen Schritt vorwärts bedeuten. Etwas Aehnliches hatten die Neuköllner   Genoffinnen längere Zeit vor dem Kriege eingeführt. Wir nannten die Einrichtung damals ,, Muster­lefeabende", eine Bezeichnung, die vielleicht anfechtbar ist, aber dennoch nicht den Spott verdiente, den die männlichen Genossen damals für die Einrichtung übrig hatten. Jedenfalls aber habe ich damals sehr großen Gewinn geistiger Art durch diese Einrichtung gehabt; und meine Aufsätze von damals, die ich heute noch gern nachblättere, zeigen mir, wie lebendig wir Probleme be völkerungspolitischer, ehegesetzlicher, entwicklungsgeschichtlicher und wirtschaftlicher Art erörterten. Diese, und die von Genoffin Wachen­heim als Beispiel genannten Fragen verdienen insgesamt die allergründlichste Behandlung.

Den Distrikts- oder Bezirksführerinnen, den weiblichen Bor standsmitgliedern und Frauenabendleiterinnen liegt hier eine Frage vor, die sie aufs gründlichste zu prüfen haben.

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Elisabeth Röhl  .

Frauenkonferenz im Bezirk Meißen  - Großenhain  . Bor einigen Wochen tagte im Deutschen Haus" in Niederau  eine gutbesuchte Frauenkonferenz. Genoffin Schilling, Döbeln  , prach in einem längeren Referat über Die Aufgaben der Frau für den Sozialismus". Ausgehend von der Grund­lage, die für das wirken der Frau durch die Revolution im Wahl­