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Die Gleich bett
recht und in der wirtschaftlichen Gleichberechtigung geschaffen wor ben sind, zeigte sie an Hand von Beispielen die Erfolge und das ungeheuer weite Arbeitsfeld. Die Hemmniffe zur rafcheren Be wältigung der Aufgaben liegen in der vom alten System vernachlässigten Schulbildung und zum Teil in den noch nicht geänderten gefeßlichen Bestimmungen. Das erftere muß und fann beseitigt werden durch Selbstschulung und gemeinsame Weiterbildung. Die Frau muß sich ebenfalls an den Bildungsmöglichkeiten( Bolkshoch schule, Kurse) beteiligen. Sie muß sich auch Eintritt verschaffen in die Betriebsräte, damit sie die Interessen ihrer Geschlechtsgenoffin nen vertreten fann. Rednerin geht dann des weiteren auf die Ge biete der Wohlfahrtspflege, Mutter, Kinder- und Jugendschutz, Heimarbeiterinnen, Wohnungs- und Ernährungswesen mit großer Sachkenntnis ein. Der Erfolg für unsere Arbeit wird uns aber erst blühen, wenn wir die proletarische Frau dafür gewonnen haben. Das geschieht dadurch, daß wir die Frauen unseren Organisationen zuführen. In unseren Frauenabenden müssen Berichte aus den Gemeindeparlamenten und den Wohlfahrtsausschüssen von Ge noffinnen gegeben werden.
In der Diskussion erstatteten die einzelnen Vertreterinnen Bericht über den Stand und die Tätigkeit der Frauenabteilungen. Nach diesen ist die Frauenbewegung im Kreise gut. Sehr befruchtend war der Meinungsaustausch, der in den einzelnen Gemeindeparlamenten tätigen Genoffinnen. Nach Erledigung einiger interner Angelegenheiten erreichte die Konferenz in den frühen Nachmittag stunden ihr Ende. Unseren Genoffinnen rufen wir zu: Frisch ans Wert zu neuen Erfolgen!
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e. m.
Eine außerordentlich rege Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege wird von unseren Genossen in Stuttgart und darüber hinaus in Württemberg betrieben. Es besteht dort ein Orts- und Bezirks. ausschuß für Arbeiterwohlfahrt unter der rührigen Leitung des Genossen Otto Schindler. In alle Ausschüsse, für alle gemeinsamen Aufgaben entfendet der Ausschuß für Arbeiterwohlfahrt seine Mitarbeiter. So arbeiten unsere Genossen selbstverständlich bei der Quäterspeisung, bei der Verteilung der Auslandsgaben und bei der Kinderhilfe mit. Die Stuttgarter Genossen und Genoffinnen, die in der Arbeiterwohlfahrt arbeiten, hatten den Vorteil, sich von vornherein auf eine bestehende Wohlfahrtseinrichtung der Arbeiterschaft stüßen zu können. Im Herbst 1919 ist dort der Berein Arbeiter. jugendhilfe für Stuttgart und Umgebung E. V. gegründet worden, der sich in der kurzen Zeit seines Bestehens sehr gut entwickelt hat. Der Verein hat die Jugendpflege und fürsorge praktisch in Angriff genommen, noch bevor der Ausschuß für Arbeiterwohlfahrt damit beginnen konnte, heute arbeiten beide Organisationen Hand in Hand. Im Sommer 1920 find drei Ferienwaldheime in Haslach , Gaisburg und Sillenbuch errichtet worden. Etwa 800 Kinder wanderten täglich aus Stuttgart dort hinaus, wo sie auch den ganzen Tag verpflegt wurden. Es ist eine durchschnittliche Ge. wichtszunahme von 3 bis 4 Pfund festgestellt worden. Im Herbst 1920 konnte der Verein sein eigenes Vereinshaus„ Pestalozzi" be ziehen. Er hat in diesem Hause zweckmäßige Bureauräume, die er auch dem Ausschuß für Arbeiterwohlfahrt zur Verfügung gestellt hat. Vor allem aber ist hier ein Zentraljugendheim für die organi fierte arbeitende Jugend geschaffen worden. Ein altoholfreies Speisereftaurant, das gut besucht wird, soll die Kosten des ganzen Unternehmens tragen. Wenn dem Berein erst das ganze Haus zur Berfügung steht( es find vorläufig noch eine oder zwei Wohnungen vermietet), ist geplant, auch ein Ledigerheim und ein Mütterheim dort einzurichten. Sehr wichtig ist die Anstellung von zwei eigenen Fürsorgeschwestern. Es sind dazu frühere Schülerinnen der Sonder lehrgänge für Arbeiterinnen zur Ausbildung für den sozialen Beruf gewählt worden, die sich sehr gut eingearbeitet haben und die in ihrer Arbeit bewiesen haben, daß die Mädchen aus den arbeiten. den Kreisen gerade hierfür außerordentliche Fähigkeiten und Ver. ständnis für die Not ihrer Klassengenoffen mitbringen. Eine neue Einrichtung des Vereins ist der Wochen- und Krankenpflegedienst. An der Leitung des Vereins sind die Mitglieder des dortigen Ausschusses für Arbeiterwohlfahrt maßgebend beteiligt. Organi satorisch aber bestehen beide, Berein Arbeiterjugendhilfe und Ausschuß für Arbeiterwohlfahrt, nebeneinander und arbeiten Hand in Hand.
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Der Bezirksausschuß für Arbeiterwohlfahrt hat schon eine Anzahl weiterer Ortsausschüsse in seinem Arbeitsbereich gebildet, so daß auch dort die Organisation der Arbeiterwohlfahrt in feste Bahnen gelenkt wird. J. H.
Bücherschau
Nr. 9
Im Rhein - Berlag zu Basel und Leipzig ist die deutsche Uebers setzung des Buches einer Französin erschienen, das bereits die Auf merksamkeit der literarischen Kreise verschiedener Länder auf sich gezogen hat und auch wirklich Beachtung verdient. Es handelt sid um den Roman„ Weib" von Magdeleine Marg. Man fans mit gutem Gewissen sagen, daß dieses Buch eine völlige Abweichung von der bisher üblichen Schilderung der Frau darstellt. Es ist das Buch der neuen Frau, die mit beiden Füßen fest und sicher in der heutigen Zeit steht, sich ganz auf den individualistisch- egoistischen Grundzug, der ja doch unverkennbar zu einem großen Teile unfere Zeit durchströmt, eingestellt hat und bewußt mit allen bisher gelten den Anschauungen und Ueberlieferungen bricht. Das Weib in derz Buche der Magdeleine Marg ist freier Mensch, selbständiges, für sta allein verantwortliches Wesen, das keine anderen Gesetze anerkenn als die, die es sich selber für sein eigenes Ich schafft. Den Eltern, die sie an den von ihnen gewählten Gatten verheirates wollen, fetzt sie erfolgreichen Widerstand entgegen; sie gesteht dem ehelichen Treueschwur, der die Frau zeitlebens an einen ein. zigen, wenn auch geliebten Mann bindet, feine Berechtigung zu fie sieht thre Bestimmung als Frau nicht in dem Mutterwerden allein erfüllt. Alles, was in ihr Leben tritt, die Eltern, der Gatte, der Geliebte, ist für sie nur Episode. Selbst das Kind
.. wenn ich sehr suche, finde ich dich nicht im Tiefsten meines Daseinszweds." Und doch ist sie weit davon entfernt, gleichgültig oder leichtfertig zu sein. Sie liebt diese Menschen, die in ihr Leben treten, mit einer echten, tiefen, hinreißenden Liebe.
Aber sie bleibt dabei nicht stehen. Diese Frau ist ein Mensch, ber das ganze Leben erfassen will. Sie ist schön und flug und lieb ihre eigene Schönheit und Klughelt. Sie will geliebt werden, gibt sich selbst aber nur da, wo ihr eigener Wunsch, ihr eigenes Begehren es ihr befiehlt. So ist sie das Gegenteil der Frau, die mehr oder weniger widerstandslos hinnimmt, was sich ihr zufällig im Leben bietet. Sie ist durch und durch Persönlichkeit. Ihr Handeln ist nicht triebhaft, sondern von ihrem vollkommen eigenen Willen gelenkt, aber ohne Rücksicht auf irgendwelche gesellschaftlichen Moralbegriffe. Es ist der reife Mensch. Das Weib, das seine Erlösung nicht mehr vom Manne erhofft, dem die Liebe nur eine schöne, glücklichs Bereicherung des eigenen Daseins ist.„ Die Liebe ist nicht das Wesentliche, sie ist schließlich nur des Lebens schönster Augenblick." Die neue Frau geht weiter, den langen, schmerzensreichen Weg zur eigenen freien Persönlichkeit und zerstört wissentlich das Bild, das sich der Mann, sich selbst als der Beglücker fühlend, immer von der Frau gemacht hat.
Man braucht nicht alles bedingungslos zu unterschreiben, was Magdeleine Marg in ihrem Buche sagt. Vieles ist so, daß man es als eine Erlösung betrachtet, daß es einmal von einer Frau rüc haltlos ausgesprochen wird. haltlos ausgesprochen wird. Und anderes wieder wird man abs lehnen. Wir wissen auch nicht, ob der Typus der Frau, den Mag beleine Marg uns zeigt, auch wirklich der einzig maßgebende der Jezigen und der kommenden Zeit sein wird. Was das Buch aber wertvoll macht, das ist die unbedingte Aufrichtigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, der Wille zur Wahrheit, der aus dieser Frau in dem Buche zu uns spricht. Und schon das allein ist eine Erlösung, die gerade von Frauen doppelt dankbar empfunden werden wird. Und dann steht der Verfasserin eine Sprache von vollkommener dich terischer Feinheit zur Verfügung, die es ihr ermöglicht, die zarteften Schwingungen der Frauenseele und die aufwühlendsten Geschehnisse im Leben des Weibes so zu schildern, wie es wenigen Schrifts stellerinnen möglich ist. E. R.
Wir bitten unsere Leserinnen, freundlichst davon Kenntnis nehmen zu wollen, daß die Schnittmuster für die Abbildungen in der Beilage„ Die Frau und ihr Haus" nicht von der Redaktion der„ Gleichheit", sondern von der G. Braunschen hofbuch. handlung, Karlsruhe in Baden , Karl Friedrich . Straße, zu beziehen sind. Die Modebeilage wird nicht in Berlin , sondern in Karlsruhe verlegt.
Redaktion der Gleichheit". *
Kann mir eine Genoffin für die Sommermonate, in schöner Gegend Deutschlands , ein einfach möbliertes Zimmer mit Küchenbenuhung für mich und meinen achtjährigen Sohn gegen Bezahlung überlaffen bzw. anweisen? Gefl. Angebote sind zu richten an die Redaktion der„ Gleichheit". Frau Anna Mosegaard.