Nr. 11
Die Gleich beit
der Reichs- Post- und Telegraphenbeamtinnen und der dementsprechenden heutigen Praris sowie dem Verlangen eines großen Teiles des Reichstages nach Beseitigung dieses Zustandes zu schaffen, glaubten die Vertreterinnen der Beamtinnen auf ihrem Standpunkt beharren zu sollen. Und doch: wie wenig bedeuteten diese Richtlinien"! Während heute ohne weiteres jede unehelich Mutter werdende Beamtin entlassen und erst dann geprüft wird, ob im einzelnen Falle eine Wiedereinstellung in Frage kommen fann, soll das Zustandekommen der Richtlinien vorausgesetzt- in Zukunft gegen lebenslänglich angestellte Beamtinnen wegen unehelicher Mutterschaft ein Disziplinarverfahren eröffnet werden können; bei nicht lebenslänglich angestellten Beamtinnen soll die oberste Dienstbehörde entscheiden. Wie wenig Garantien dadurch geboten sind, zeigt die Einleitung der„ Richtlinien", in der ausdrücklich gesagt ist, daß die außereheliche Mutterschaft an sich sehr wohl einen hinreichenden Anlaß zu einem disziplinaren Vorgehen geben könne, und daß hierin ein Berstoß gegen die Verfassung nicht zu erblicken sei!
Mit Ausnahme der Vertreterin der Sozialbeamtinnen, die dieser Frage vorurteilsfreier gegenüberstehen, genügte dies den Organisationsleiterinnen nicht! Was auf feinen Mord, auf keinen Diebstahl steht, nämlich die unbedingte Mußvorschrift für die Eröffnung des Disziplinarverfahrens, das verlangten die Beamtinnenund Lehrerinnenvertreterinnen für ihre Kolleginnen, die es wagen, ohne standesamtliche Sicherheit für ihre Versorgung einem Kinde das Leben zu geben. Das verlangten sie unter der Fahne der Sittlichkeit!„ Die Geseze müssen so sein, daß sie das sittliche Volfsempfinden nicht abschwächen, sondern stärken", führte die Bertreterin der katholischen Lehrerinnen aus, und begriff nicht, daß durch ihr Vorgehen Lüge und Heuchelei, also direkte Unfittlichkeit gestärkt wird! Auf eine wie schiefe Ebene sich die Damen begeben hatten, zeigte ihr eigenes Auseinandergehen in bezug auf die Begründung ihrer Forderungen. Wollte die eine die ,,, doppelte Moral" beseitigen, das heißt den Mann ebenso wie die Frau behandelt wissen, so meinte die Vertreterin des Zentrums, daß Mutter Natur durch die äußeren Erscheinungen die Frau so gekennzeichnet hätte, daß die Behörden sich mit ihr beschäftigen müßten; ein Ausspionieren privater Verhältnisse beim Manne dagegen sei nicht an gängig!
Alle Versuche, die Damen eines Besseren zu belehren, die vor allem von unserer Genossin Juchacz sowie der unabhängigen Vertreterin Frau Wurm gemacht wurden, scheiterten an dem Gefühl der Selbstgerechtigkeit der Gegenseite. Das änderte sich auch nicht, als der Vertreter des Reichspoftministeriums eine geradezu un
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Feuilleton Kindesfeele
Was eine Kindesfeele
Aus jedem Blick verspricht,
So reich ist doch an бoffnung Ein ganzer Frühling nicht.
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Wie uns ein Veilchen kündet
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Den Frühling fchon im März, So wird dein Kind ein Frühling Für dich, o Mutterherz.
Marjellchen
Bon Anna Mosegaard.
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glaubliche Rede hielt, die uns das letzte Zutrauen zu den unterbreiteten Richtlinien nehmen mußte. Wir stehen auf dem Standpunkte, daß die uneheliche Mutterschaft sich unter feinen Umständen mit der Würde der Postbeamtin verträgt, und werden deshalb die uneheliche Mutter immer entlassen." In diesem Sage gipfelten feine Ausführungen. Unter diesen Umständen glaubten wir der Sache ein Ende machen zu müssen, und die Unterzeichnete gab deshalb die Erklärung ab, daß an sich die Richtlinien" einen Fortfchritt gegenüber der Forderung des Beamtinnen- Verbandes bedeuten, daß aber die Ausführungen des Herrn Bertreters des Reichs. postministeriums uns gezeigt hätten, in welchem Sinne sie ausgelegt werden würden; unter diesen Umständen könnten wir nur sagen, daß wir an unserem Grundsage festhalten müßten, die uneheliche Mutterschaft sei an sich nichts Ehrenrühriges und deshalb auch kein Grund zur Entlassung. Dafür würden wir weiter kämpfen.
Das, Genossinnen, laßt uns tun, ganz besonders in den Reihen der Frauen! Louise Schroeder .
Immer wieder die doppelte Moral
Wie dringend notwendig die Aufklärungsarbeit nicht nur unter den Frauen, sondern auch unter den Männern noch ist, beweist ein Vorkommnis, das uns Genosse Kurt Heilbut aus Thüringen schildert.
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Dort hatte der Arbeiterverein eines fleinen Dörfchens Fahnenweihe. Aber der Verein hatte Bech". Denn die Trägerin der Fahne wurde einige Monate später Fahne wurde einige Monate später Mutter. Weil aber der Vater des Kindes das Mädchen nicht geheiratet hat, das Kind also ein uneheliches ist, galt die Fahne als„ beschmußt". Sie mußte darum noch einmal geweiht" werden, was denn auch vor wenigen Tagen geschehen ist.
Die Arbeiterschaft kämpft für die Gleichberechtigung der unehelichen Mütter. Sie fämpft dafür, daß diese Gleichberechtigung in Recht und Gefeß und damit auch von den Bürgerlichen anerkannt wird. Genau so, wie wir uns gegen das zweierlei Recht für arm und reich mehren, wenden wir uns gegen das zweierlei Maß, mit dem die beiden Geschlechter immer noch gemessen werden.
Dazu ist aber in erster Linie notwendig, daß wir uns selbst von der engstirnigen bürgerlichen doppelten Moralanschauung freimachen, die bei Mädchen und Frauen verurteilt, was sie beim Mann stillschweigend mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe verdeckt. Wir müssen uns von den überkommenen Anschauungen
dir die Sache über. Du konntest scheinbar gar nicht verstehen, wie man zur Maienzeit, an solch lachendem, leuchtendem Frühlingstag so trübe in die Welt schauen konnte! Freudetrunken hieltest du dein Angesicht der Sonne entgegen und ließest dir den Blütenschnee auf dein blondes Köpfchen schneien. Bis auch das dir zu langweilig wurde. Unruhig rutschtest du auf deinem Platze hin und her. Du hattest mir ja so viel Schönes zu zeigen. Das sab ich deinen strahlenden Augen an, und so gingen wir. Erst zu deinen Kaninchen. Sieben herzige Junge lagen da im Neste, dick und rund, behütet und bewacht von der Kaninmutter. Und mit Bestimmtheit glaubtest du, daß deine Kaninmutter in diesem Som mer noch viele, viele kleine Kaninchenkinder friegen würde, weil du fie doch so reichlich mit gutem Futter versorgtest!
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Dann machten wir„ Radgad", deiner Ente, einen Besuch. Radgad war ein fluges Tier. Wie ein Hündchen folgte sie dir, fraß dir aus der Hand, ließ sich streicheln und legte dir an jedem zweiten Tage ein großes Ei. Und weiter ging's zur Mede", deiner schneeweißen Ziege. Mit vor Freude glühenden Wangen erzähltest du mir, daß deine Mecke bald ein Zicklein haben würde. Mutter hatte es dir anvertraut, damit du auf deinen Spaziergängen mit Mede ja behutsam mit ihr umgehen solltest. Und das tatest du, liebes Marjellchen; davon habe ich mich überzeugt, als wir drei, du und ich und Mecke durch Wald und Wiese streiften. War das ein Blühen und Grünen überall! Dazu lachte die Maien. sonne so goldig, so strahlend. Bergan wolltest du mich führen, um mir von dort alle Schönheiten deiner Heimat zu zeigen. Aber nein, das ging ja nicht, Mecke durfte ja nicht mit da hinauf, fie könnte ja fehltreten, abstürzen oder sich sonstigen Schaden zuWie gut, daß du die Mecke am Strick führtest! Ihr zuliebe schrittest du langsam fürbaß, wiewohl du selbst viel lieber davongesprungen wärest wie ein junges Bicklein! Wie rein, wie schön leuchtete dein Auge, als du mich fragtest:„ Ob es wohl möglich sein könnte, daß Mecke zwei Zicklein auf einmal bekäme!
ft muß ich deiner gedenken, liebes, fleines Marjellchen! Als wäre es gestern erst gewesen, so sehe ich dich vor mir stehen, fühle wieder den festen Druck deiner kleinen Hand, durch den du mich im Hause deiner vortrefflichen Mutter willkommen hießest. Deine großen, blauen Augen, die so tief, so flar wie ein Bergfee find, sahen mich strahlend an, dein roter Mund lachte so frühlingsfroh! Dein goldenes Haargelock, deine reine, weiße Stirn,-- alles an dir ist Freude, echte Maienlust! Du stelltest dich mir vor, aber sagen ,, ich heiße Marie- Ellen Sie nur„ Marjellchen", so nennen sie mich alle." Im Garten faßen wir, fügen! unterm blühenden Kirschbaum,- deine Mutti, du und ich. Soviel wichtige Dinge hatten deine Mutti und ich zu beraten, zu besprechen. Recht troftlos, schwarz und düfter sah es damals in unser beider Herzen aus. Ein Weilchen lauschtest du mit ernstem Gesicht unserem Gespräch, dann aber war
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