106 Die Gleichheit Nr. 11 lossagen. Wenn wir in der Mutterschaft die Erfüllung des weib- lichen Geschlechts sehen, dann dürfen wir keinen Unterschied machen zwischen Mutter und Mutter. Dann müssen wir die Mutter schlecht- hin als solche verehren und nicht danach fragen, ob der Mann der Vater des Kinde» das Mädchen geheiratet oder im Stich gelassen hat. Denn darauf läuft doch die.Schuld" der unehelichen Mutter in den weitaus meisten Fällen hinaus, daß sie zu gläubig und vertrauensvoll war und sich von einem Manne täuschen, be lügen und betrügen ließ. Mädchen, Frauen und Mütter! Schützt die unehelichen Kinder und Mütter vor der doppelten Entrechtung als Frau und Prole tarierin I Protestiert und kämpft gegen die doppelte Moral, wo immer ihr könnt! Vor allem räumt in unseren eigenen Reihen mit dergleichen Anschauungen auf, die geboren sind aus dem klein lichen bürgerlichen Philistertum und nichts gemein haben mit unseren hohen sozialistischen Ideen von der Gemeinschaft aller Menschen. Internationale kommunistische Frauen konferenz in Moskau Am IS. Juni soll in Moskau die zweite internationale kom munistische Frauen konferenz stattfinden, nachdem am 1. Juni der dritte Weltkongreß der Kommunistischen Internationale in Moskau getagt hat. Die kommunistische Frauenkonserenz soll sich nach bisher vorliegenden Mitteilunzen unter anderem befassen mit der Förderung der internationalen Beziehungen zwischen den An gehörigen der Partei in den einzelnen Staaten und den dringendsten nächsten nationalen und internationalen Aufgaben. Es sollen ganz bestimmte Forderungen aufgestellt werden zum Schutze der Mutterschaft, der Arbeitskrast der Frau und zur Herstellung der völligen politischen und rechllichen Gleichstellung mit dem Manne. Auch die Auftichtung von Frauenorganen und Frauenseiten in den kommunistischen Tagesblättern wird gefordert, um durch die Politi- sterung der Frau die Bewegung zu stärken und Ihre Aktionsfähig keit wirksamer zu gestalten. Die Kommunistische Internationale besitzt im übrigen ein eigenes internationales Frauensekretariat, dessen leitende Sekretärin Alex andra Kollontay ist. Die Konferenz wird auch über dep weiteren Ausbau dieses internationalen Sekretariats beraten. Räch Schluß der Konferenz wird das Wesentlichste über ihren Verlauf hier berichtet werden. E. R. Dann hättest du Zwillinge, das müßte herrlich sein!»Ja, möglich konnte das schon sein." Da schlangst du beide Arme um den Hals der Ziege und schmeicheltest:Gute, liebe Mccke, dann sollst du es recht, recht gut haben und deine Kinderchen nehmen wir jeden Tag mtt aus die Wiese." Dann batest du mich, ob ich M«ke einmal so lange am Strick festhalten wollt«, damit sie sich recht satt fressen könne im Gras, indessen du für dein Kaninchen Futter pflücken könntest. Natür lich, gern wollt« ich dir den Gesallen tun. Leichtfüßig wie ein Reh sprangst du davon. Löwenzahn pflücktest du vor allem, weit da so viel Milch darin sei. Das sei etwas für die Kaninmutter, die müsse ja doch Milch trinken, damit sie wieder Milch für die Kleinen habe. Und richttge Milch, o nein, die war nicht zu haben. Behende sprangst du hierhin, dahin, in der linken Hand «in Bündel saftigen Löwenzahn für die Kanin, dazwischen etwas junges, zartes Gras für Rackgack, in der Rechten einen Strauß für die Mutter. Sumpsdotterblumen, Gänseblümchen , Buschwind röschen, ein paar Stengel Waldmeister. alles bunt durch einander, so zogen wir heim. Alles Düstere, Schwere, was mich bedrückte, war auf diesem Spaziergange von mir gefallen. Eines Tages, als wir unseren Streifzug wiederholen wollten, war Marjellchen sehr traurig: Mecke durfte uns nicht begleiten, well sie schwerfällig geworden war und nicht recht mehr gehen wollte. Mutti hatte gesagt, nein, Marjellchen, laß Wecke nur zu Hause, Mecke hat Schmerzen. Was für Schmerzen, Mutti?" Mutterschmerzen."Mutterschmerzen?!" Bang fragend sah Marjellchen mich an:Wird Mecke sterben müssen?"Wir wollen es nicht hoffen, Marjellchen, aber große Schmerzen wird Mecke ausstehen müssen, wenn sie dir ein Zicklein schenkt." Vom Kinderelend Von Eduard Gräf Von München aus wird eine kleine Broschüre versandt» welche sichDas Münchener Kind nach dem Kriege" betitelt. Dem Inhalt nach könnte dieses lehrreiche Büchlein von jeder Großstadt herausgegeben sein, denn die darin geschilderten furchtbaren Verhältnisse treffen aus Berlin wie Frank«> furt a. M. und viele andere zu. Der Inhalt der Broschüre selbst stellt das Ergebnis einer öffentlichen Tagung vom. H 11. bis 11. Januar 1921 im Hörsaal der Münchener Uni versität dar, die von den ärztlichen Organisationen Münchens veranstaltet und ausschließlich der physischen und geistigen Not des Kindes gewidmet war. Oberarzt Dr. Husler berichtete über die Not des kranken s Kindes, die Tätigkeit der Kinderhilfe während des Krieges und die heutige Lage derselbeiu Er machte auf all die Ee» H fahren aufmerksam, die der körperlichen Entwicklung und dem Gedeihen unserer Kinder drohen durch Stumpfheit und i Indolenz weiter Volkskreise. In allen Großstädten klagt man über die Zunahme der Krätze, die ganze Familien er faßt hat. Bei einer Durchuntersuchung in größerem Stile wurden nahezu 73 Proz. der geprüften Kinder, darunter viele aus sogenannten. besseren Familien» verlaust be funden. Auch über die Zunahme der Syphllis bei Kindern wftd berichtet. Bei all diesem furchtbaren Elend müssen städtische Milchküchen für Säuglinge wegen Mangel an Betriebsmitteln geschlossen werden. Krankenhäuser sind im Abbau begriffen, weil die Pflegekosten nicht mehr gekragen 1 werden können. Ergreifende Worte über die Not der Säuglinge fand die Oberschwester Wörner, die den alten Satz bestätigte: Die Not nimmt in den kinderreichen Familien langsam aber stetig zu. geht mehr und mehr auf die Allgemeinheit, auf die gesamte Bevölkerung des Arbeiters und des Mittelstandes über." Nur einem Drittel der Säuglinge und Kleinkinder könnte noch verschafft werden, was sie zur Erhaltung der Gesund heit, des bloßen Lebens nötig haben. Ernst und schweigend ging es heute durch den Wald. Die besten! Kräuter wurden für Mecke gepflückt: jedes Wort, das sich mühsam über Marjellchen? Lippen stahl, galt Mecke. Allmählich erst wurde das Kind gesprächiger. Erzählte mir von den vielen Tränen, die Muttt geweint habe, damals, als Boter im Kriege gefallen sei. Marjellchen hatte den Vater sast nicht gekannt und erzählte so viel Liebes und Schönes von ihm. Von der großen Sorge, die Vater gehabt habe in der Zeit, als er draußen im Schützengraben ge legen habe und ihm daheim sein Marjellchen geboren werden sollte. Wie zart, wie innig sprach das Kind hiervon, und wie selbst verständlich! Mir war bei diesem Geplauder so leicht, so froh, so, als schritte der Frühling in Menschengestalt neben mir einher. Am nächsten Morgen mußte ich reisen. Marjellchens Sorge war noch nicht gehoben. Mecke lag am Abeiü) matt auf dem Stroh und sah uns angst voll an. Wie menschenähnlich solch ein Tierauge im Schmerz werden kann. Marjellchen kniete neben Mecke und kraute ihr das weiße Fell:Gute Nacht, Nebe Mecke." In dieser Nacht fand ich wenig Schlaf. Ich hatte kurz vor dem Schlafengehen einen Artikel überdie zunehmende Verrohung der Jugend" gelesen, der gab mir zu denken. Das Fknster in meinem Schlafzimmer war weit geöffnet, dunkel und sternenlos war die Frühlingsnacht. In den Bäumen rauschte der Nachtwind. Süßen Fliederduft wehte er mir ent gegen. Fest schloß ich die Augen, um den Schlaf gewaltsam zu er zwingen. Da sah ich im Geist« Marjellchen vor mir stehen, sah sie in ihrer lichten, blonden Schönheit, sah, wie das Kind, zart und behutsam, die hochtragende Ziege durch den Wald führte, mitten durch die flimmernde Sonnenpracht schritt es, wohin es trat, war eitel Sonnenschein. Das gab mir Ruhe, Frieden.