Nr. Il Die Gleichheit 109 körperlichen Züchtigung, die häuslichen Aufgaben, die Schul arztsrage, körperliche Reinlichkeit und Sauberkeit der Schüler und vieles andere mehr, das sind Angelegenheiten, für die besonders die Frauen als Mütter im Elternbeirat und in den Elternversammlungen zuständig wären. Hier bietet sich ein weites Gebiet für die Betätigung der Frauen, ein Gebiet, das viel Segen und viel innere Befriedigung schaffen kann. R. P a u l i. Kind und Kunst Der Blind entschiedener Schulreformer hatte zu Mittwoch, den 4-, und Donnerstag, den S. Mai, seine Freunde und Anhänger zu einer pädagogischen Kunsttagung nach Berlin-Lankwitz geladen. Es handelte sich darum, wie auch in den einleitenden Worten von Paul Oestreich zum Ausdruck gebracht wurde, die Frage der künst lerischen Bildung in ihren verschiedenen Formen innerhalb des Erziehungsproblems zu untersuchen und zu klären. Nicht eine Er ziehung zur Kunst soll angestrebt werden, sondern die Weckung und der Ausbau aller schöpferischen Kräfte, die im Kinde nach Aus druck ringen, sei es als Wort, Ton, Linie, Farbe. Körper oder Rhythmus. Förderung der Produktivität des einzelnen Kindes ist das gewollte Ziel einer solchen Erziehung. Auf dieser Grundlage bauten sich auch die Referate sämtlicher Redner der Tagung auf. Die Veranstaltung war überaus reichhaltig an Wissenswertem und Interessantem. Nach den mehr einführenden Worten von Franz Hilter sprach der Kunstgelehrte Prof. Oskar Wulif über:Die psychologischen Grundlagen der Kinderkunst" und zeigte an Hand von Lichtbildern die stufenweise Entwicklung des kindlichen Darstellungsvermögcns. Es folgten Vorträge überKulturwissen schaftliche Grundlagen der musikalischen Erziehung" von Gesang- lchrer Walter Kühn, der Ziel und Zweck der Musikerziehung ebenfalls im Wecken der künstlerischen Gestaltungskraft sieht, ferner überKörper und Rhythmus" von Siegfried Kamera u. Otto Ostrowski sprach über Marionettenspiele in der Schule als Mittel zur Auswirkung der kindlichen Gestaltungskraft, zur Unterstützung für alle die Fächer, die kein Anschauungsmaterial be- sitzen. Er betonte die vielerlei Möglichkeiten, die die Schaffung eines Puppentheaters in der Schule für die Beschäftigung der Kinder gibt. Auch die Dienstbarmachung des Films für erzieherische Zwecke kam zur Sprache. Der zweite Tag begann mit Erwin Heckmanns Vortrag über den Zeichenunterricht,Wege zum schöpferischen Gestalten". Seine Ausführungen wurden ergänzt von Otto Möller,Ziele und Wege des Zeichenunterrichts". Der Nachmittag war den Ver tretern der Musik vorbehalten. Fritz I ö d e sprach über das Ver hältnis der Musik zur Kultur, HeinrichIacoby über dieAuf gaben der Musik in der allgemeinen Erziehung". Er will das musikalische Ausdrucksvermögen in allen Menschen wecken. Den Beschluß der Tagung bildeten rhythmisch-gymnastische Vorführungen der Schulen Dalcroze und Rhoden-Langgaard. Eine mit der Tagung verbundene Ausstellung von Kinder arbeiten. Zeichnungen, Malereien, Entwürfen, Plastiken usw. zeigte deutlich, daß es wirtlich nur der Anleitung und der Pflege bedarf, um in den Kindern die Fähigkeit zum Gestalten und die Freude an dieser Betätigung zu wecken. Manche der ausgestellten Arbeiten waren sogar hervorregend. Man verließ die Veranstaltung mit dem Gefühl, Menschen ge- senen zu haben, die von ernstem Suchen und Forschen beseelt und von dem festen Willen erfüllt sind, den einmal eingeschlagenen Weg bis zum Ende weiter zu schreiten. E. R. Soziale Rundschau__ Heilversahren der Angeslelllenversicherung Nach dem Bericht der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte ist die Zahl der Anträge auf Heilverfahren von 42 7S7 in lS19 »»f SV S3S in 1920 gestiegen. Durchgeführt wurden 1919: 26 276 und 1920: 34 071 Anträge. Von den letzteren sind 22 977(1919: 17146) durch Bewilligung von Heilverfahren erledigt worden, und Zwar in Lungenheilstätten 7784(6314), in Sanatorien 6819(4642) und in Bädern 9347(7290). Außerdem wurden in 1397(1076) Fällen Zuschüsse zu einer Kur bewilligt uird 8726(6994) Zuschüsse zum Zahnersatz. Die 9brigen 971(1060) durchgeführten Fälle fanden durch Bewilligung einer spezlalärztlichen Behandlung und von Zuschüssen zu Heil- Mitteln Erledigung. Die Kosten der Heilverfahren sind um weit mehr als da» Doppelte gestiegen. Die Im Jahre 1919 bewilligten Heilversahren kosteten 19 716 806 Mk., 1920 dagegen 44 917 694 Mk.. die au» dem Vorjahre übernommenen Fälle 1919: 1963 783 Mk., 1920: 6 897 267 Mk. Dazu kommen noch besondere Ausgaben: 1919: 168 270 Mk. und 1920: 116 000 Mk., so daß die gesamten Kosten 1919: 21847 860 Mk. und 1920: 61 929 861 Mk. betrugen. Die Sozialdemokratie für die Erwerbslosen Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat einen Antrag ein gebracht, der im wesentlichen die Forderungen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Bekämpfung der Arbeitslosig keit enthält. Er geht auf eine Steigerung der produktiven Er werbslosenfürsorge hinaus, und enthält einigermaßen angemessene Unterstützungssätze für die Erwerbslosen, die nicht beschäftigt wer den können. Bis zur Neuregelung der Erwerbslosenunterstützung fordert der Antrag, daß die für die Wintermonate gewährten Unterstützungssätze bestehen bleiben. Wir werden später noch aus führlicher darüber berichten. Aus der Frauenbewegung des Auslandes" Der erste wahlgang der belgischen Frauen. In Belgien fanden kürzlich Gemeinderatswahlen statt, bei denen zum ersten Male Frauen ihr Wahlrecht ausüben konnten.' Schon 1896 hatte Van- dervclde das Frauenwahlrecht für die Kommunen beantragt, war aber abgewiesen worden. Und jetzt setzten gerade die alten Gegner des Sozialismus große Hoffnungen auf die Frauen und selbst die sozialistischen ' Parteien zweifelten an dem Ausgang der Wahlen. Besonders die Klerikalen drohten die Frauen einzusangen und rechneten, dem Anwachsen der Sozialisten gehörig Abbruch zu tun. Der Ausgang der Wahlen hat glänzend bewiesen, daß die Frauen unabhängig genug geworden sind, um zu erkennen, daß ihre eigenen Interessen, die ihrer Kinder und ihrer Familie nicht von der ortho doxen Reaktion geschützt werden, die ihnen noch immer geistige Hörigkeit, Ungleichheit dem Manne gegenüber alsdie gottgewollte" hinzustellen und sie so ihren Interessen dienstbar zu machen versucht. Die belgischen Wahlen sind ein Ruhmesblatt in der Geschichte der sozialistischen Frauenbewegung. In 12 Bezirken, die seit langer Zeit klerikaler Besitz waren, haben die Frauenstimmen diese in die Minderheit gedrängt. Statt eines Abbruchs haben die Sozialisten in 218 Kommunen jetzt die Mehrheit davongetragen. Wenn in ein zelnen Gemeinden hier und da die Frauen auch einmal überwiegend klerikal gestimmt haben, so kommt dies bei dem überaus günstigen Gesamtergebnis gar nicht in Betracht. Wir begrüßen die belgischen Schwestern zu ihrem schönen Erfolg. Mögen sie tapfer und unbeirrt auf Ihrem Wege weiterschreitenl Washington . Die Gleichberechtigung der Frauen» und Männerarbeit wird noch einmal Gegenstand einer be- sonderen Beratung im amerikanischen Kongreß sein, nachdem be reits früher in dieser Frage der Kongreß eine Entscheidung gefällt hatte, die sich gegen das Frauenarbeitsamt und damit gegen all« Frauen richtet. Bei Verabschiedung des Staatshaushaltsplans wurde ein Gesetz angenommen, das die Löhne der weiblichen Ex perten im Frauenarbeitsamt herabsetzt und ihre Zahl stark oer mindert. Hiergegen wendet sich die Liga der nationalen Frauen gewerkschaften. Das Frauenarbeitsamt, das gegründet wurde, um den Bedürf- nissen von über 12 Millionen lohnempfangender Frauen zu dienen, soll seiner geübten Expertinnen und Inspektoren beraubt werden, von deren Arbeit hauptsächlich die Unterstützungs- und Eingriffs- möglichkelt des Amtes abhängt. Die Entscheidung gegen das Frauenarbeitsamt wird noch rigoroser durch die Weigerung des Kongresses, den Frauensachverständigen den sogenanntenBonus", eine Gratifikation von 240 Dollars jährlich, zu gewähren, der allen anderen Staatsbeamten gezahlt wird. Ethel Smith, die Vorsitzende der Liga der Frauengewerkschaften sagt:Es ist bezeichnend, daß dies Gesetz von einem Kongreß an genommen wurde, in dem nur Männer vertreten sind. Er hat sich durchaus über die Idee der wirtschaftlichen Gerechtigkeit hinweg gesetzt, hat sich sogar dieser Idee feindlich gegenübergestellt." Aus unserer Bewegung Zur Reform der Frauenabende. Genossin Wachenheim hat mit Ihrer Anregung in Nr. 6 der Gleichheit" wohl mancher, wenn nicht allen Funktionärinnen aus der Seele gesprochen. So möchte auch ich es nicht unterlassen, einige