Nr. 12
Die Gleichheit
Altona , in Wandsbek die Großstädte mit ihrem meiten Nachbargebiet, in Oldenburg die Gutsbezirle, in Eutin die Holsteinische Schweiz und die Ostseebäder usw. Wenn mir überall die Teilnehmerinnen gesagt haben, daß ihnen diese Konferenzen viel neues gezeigt und manche Anregung gegeben hätten, so muß ich doch bekennen, daß vielleicht ich selbst am meisten von ihnen ge wonnen habe. Wenn es eines Anstoßes bedurft hätte, um das Bertrauen zu unserer Frauenorganisation, zur Aufklärung und Gewinnung der Frauen in mir zu stärken, diese schlichten Frauen mit ihren flaren und überzeugten Gedanken hätten es erreicht. Bedenken wir, wie jung unsere Frauenorganisation ist, bedenken wir ferner, daß wir erst seit der Revolution gleiche politische Rechte haben, bann können wir stolz auf das Erreichte blicken. Aber es muß weitergebaut werden, und dazu dienen uns die Frauenabende gerade dort, wo sie bisher überhaupt noch nicht bestehen, in den fleinen Städten und auf dem Lande.
Hier aber liegt die Schwierigkeit: hier geht es nicht mit Refe renten aus den Großstädten, dazu fehlen die Menschen, und die Geldmittel. Hier müssen sich die Genossinnen selbst helfen, und sie Pönnen's und tun's! Ueberall, wo nur zwei bis drei Genossinnen sich an den Aufbau machen, und vor allem, wo die Genossen ihnen ein wenig helfen, haben wir in dieser Hinsicht die schönsten Erfolge zu verzeichnen. Freilich sehen diese Abende ganz anders aus wie in der Großstadt. Es wird aus der„ Gleichheit", aus fleinen Broschüren vorgelesen, die den Genoffinnen gesandt werden. Die " Frauenstimmen", das Protokoll der Kaffeler Frauenkonferenz füllen manchen Abend. Später wird zu schwierigeren Themen übergegangen. Daneben wird ein wenig für den Frohsinn geforgt. Ein Jugendlicher singt zur Laute, trägt ein paar Gedichte vor, oder die Genoffinnen fingen unsere alten Partei- oder auch ein paar frohe Volkslieder. Genoffinnen, die ihre Handarbeit mitbringen, werden nicht schief angesehen; sie sollen sich ja wie zu Hause fühlen. Dann wird auf die nächste Mitgliederversammlung hingewiesen und bevorstehende Parteiarbeit durchgefsprochen. Wird fo verfahren, so ziehen wir uns die besten tätigen Genoffinnen heran; den Beweis hat uns die Wahlarbeit bei der letzten Wahl geliefert. Kommt dann einmal ein Referent oder eine Referentin, so ist der Boden auch welt besser vorbereitet; der nachhaltige Wert des Vortrages ein viel größerer. Besonderen Wert lege ich bei diesen Frauenabenden auf die Mitwirkung unserer Jugend. Mehr noch als bisher beabsichtigen wir in Zukunft fleine Gruppen von Jugendlichen aus den Großstädten hinaus zu senden auf das Land in die Frauenabende; dort werden sie den Frauen eine Freude sein und gleichzeitig für ihren Jugendbund in den fleinen Orten agitieren. Ebenso wichtig ist, daß, soweit möglich, die Frauen mehrerer Orte sich gegenseitig helfen. So haben in unferen Frauenkonferenzen die Genoffinnen der Großstädte den Genoffinnen der umliegenden Orte versprochen, sie auf ihren Frauenabenden zu besuchen, und umgekehrt die Genoffinnen geFeten, in die Großstadt zum Besuch des Frauenabends zu kommen. Jetzt im Sommer werden vielfach Ausflüge von mehreren Orten nach einem Treffpunkt gemacht und dort von einer Referentin ein Bortrag gehalten.
Benn es uns gelingt, in dieser Weise aufzubauen, dann werden wir Frauen den alten Gemeinschaftsgeist wieder in unfere Organifation hineinbringen; wir werden gleichzeitig nicht nur wähle rinnen, wir werden überzeugte Anhängerinnen unserer Ideen und unseres Zukunftsideals in den entlegensten Dörfern schaffen. Louise Schroeder .
Kommunales
Die Gesundheitspflege als Aufgabe der Kommunen. Den bisher vorhandenen oder noch neu zu schaffenden Gesundheitsämtern ist eine Aufgabe von weittragender Bedeutung gefeht. Sie gliedert sich in die drei Hauptabteilungen der allgemeinen, der fozialen und der individualisierenden Hygiene. Zum Aufgabenbereich der ersten Abteilung gehört die Straßen- und Wohnungshygiene( Straßenreinigung, Wohnungsaufsicht und-pflege, Seuchen und Schädlingsbekämpfung, Nahrungsmitteltontrolle usw.). Die Handhabung dieses Pflichtenfreifes ist in einer ganzen Reihe von Städten bereits in mustergültiger Weise geordnet. Einen sichtbaren Ausdruck fand das in der Borkriegszeit in dem ständigen Herabgehen der Erkrankungs- und Todesziffern, die von dem Stand der Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung der Sauberkeit in den Straßen, der Beschaffenheit des Wassers, der Wohnungen usw. beeinflußt werden. Hier hat sich während des Krieges und in der Nachfriegszeit mancherlei so verschlechtert, daß Schmuhkrankheiten, wie Kräge und Berlaufung, leider nicht mehr zu den Seltenheiten ge
119
hören. Auch wird Schaden gestifter durch die kostentechnische Un möglichkeit, in vordem gewohnter Weise zu desinfizieren. Demgemäß wird es eine wichtigste Aufgabe der Stadtgesundheitsämter fein, bei ftrengster Sparsamkeit die letzten technischen Mittel und Möglichkeiten der Reinhaltung und Entgiftung zu entwickeln und zu handhaben.
Mehr ins einzelne und Persönliche gehen die Aufgaben der fozialen Hygiene. Mutterschutz, Säuglings- und Kinderfürsorge ftehen an erster Stelle. Ihr Wesen und Inhalt ist an dieser Stelle so oft, so eingehend und eindringlich gewürdigt, daß ein Hinweis genügt. Hier sind die Städte in der Hauptsache auch nur die Vollzugsorgane gefeßlicher Ordnungen. Ein Umstand, der indessen die Wichtigkeit der Stadtaufgaben eher erhöht, denn die Art, wie eine gefeßliche Ordnung in die Wirklichkeit umgesetzt wird, ist für ihre Wirkungsmöglichkeit entscheidend. So macht z. B. in Frankfurt am Main die stadtfeitig gewährte Hauspflege den Mutter- und Familienschutz erst zu dem, was er sein kann, indem sie die Mutter vor Siechtum, den Haushalt und damit die Familie vor Verwahr. losung und Niedergang bewahrt.
Bon ganz besonderer Bedeutung ist die Schulgesundheitspflege und die Berufsberatung. Mit beiden stehen wir eigentlich erst in den Anfängen. Zur fachgemäßen Gestaltung der Schulgesundheitspflege gehört unbedingt der für jedes Kind anzulegende Personal bogen, der bei Schuleintritt zu enthalten hat: ziffernmäßige Angaben über Länge und Gewicht, Hinweise auf etwaige förperliche Besonderheiten oder Anomalien, auf im Säuglingsalter oder später aufgetretene Erfrankungen sowie den Befund der ersten schulärztlichen Untersuchung. Dieser Bogen ist fortzuführen und ent fprechend zu ergänzen. Er wird bei der auf der psycho- analytischen und psychotechnischen Methode aufgebauten Berufsberatung wertvolle Dienste leisten und manches Kind vor den traurigen Umund Abwegen ungeeigneter Berufswahl bewahren fönnen. Das märe aber auch, rein gesundheitlich gesehen, ein nicht zu unterschäzender Borteil, denn wenn der gesunde Körper die Voraus
fegung des gefunden Geistes ist, so ist auch, umgekehrt gesehen, die
den gerne geübten Beruf begleitende selische Freudigkeit und Zu friedenheit von wohltuendem Einfluß auf das förperliche Befinden.
Endlich steht auch der gesamte Arbeiterschutz, in diesem Fall besonders die Gewerbehygiene, in innigem Zusammenhang mit dem auf die frühesten Kindheitstage zurückgreifenden Gesundheitsschutz, der fonach, unbeschadet der allgemeinen Borschriften, einen in etwas auf den einzelnen eingestellten Einschlag erhalten kann. Auch hier können die Gesundheitsämter durch Einflußnahme auf die Auswahl der mit der Fabrifpflege betrauten Personen sowie durch geeignete stadtseitige Gewerbehygiene unendlich viel zur Gesunderhaltung der Arbeiterschaft beitragen.
Einen ganz besonderen Unterton hat neuerdings die Bekämpfung der chronischen Volkskrankheiten bekommen. Die Tuberkulose hat infolge der jahrelangen Unterernährung und des Wohnungselends eine unheimliche Ausbreitung gewonnen. Ihr entgegenzuwirken, ist um so schwieriger, als der Mangel an Milch und Butter, wie ihre Berteuerung und die anderer lebenswichtiger Nahrungsmittel eine durchgreifende Bekämpfung von der ernährungstechnischen Seite ungemein erschwert und vielerorts geradezu ausschließt. Das selbe gilt von dem Kampf gegen den Wohnungsmangel und das Wohnungselend, der durch das Fehlen oder die Ueberteuerung von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln ganz ungeheuer erschwert wird. Hier muß selbst oft das beste Wollen und die äußerste Anstrengung der behördlichen Stellen zerschellen, wenn ihnen nicht aus der Mitte der Bevölkerung, und insbesondere von den Frauen, die nötige Unterstützung wird.
Wenn, wie zu hoffen steht, unsere Genoffinnen in größerer Anzahl von den Ausbildungsmöglichkeiten der Akademie der Arbeit Gebrauch machen, dann werden wir fünftig auch in genügender Sahl Wohnungs- und Familienpflegerinnen zur Berfügung haben, die, aus den breiten Schichten des Volkes stammend und mit feinen Nöten und Bedürfnissen aus eigener Erfahrung vertraut, erziehlich ganz anders einwirken können, als die meist aus anderen Kreifen stammenden, an Zahl absolut unzureichenden Pflegekräfte von heute.
Es wäre nun noch ein Wort über die Sonderaufgaben der Krüppelfürsorge wie über die so unendlich wichtige Frage der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zu sagen. Da aber diese beiden Gebiete in der Gleichheit" schon des öfteren ausführlich behandelt worden sind, sei auf die bezüglichen Darlegungen ver wiefen.
Abschließend möchte ich noch auf eine wertvolle Arbeit aufmertfam machen, in der der rühmlichst bekannte Frankfurter Sozialhygienifer Dr. Hanauer Die öffentliche Gesundheitspflege in Frankfurt a. M., ihre Gegenwarts- und Zukunftsaufgaben" fenn