Nr. 13
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Die Gleich beit
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Besonders schwer ist es natürlich, für tränkliche oder verkrüppelte Kinder Pflegestellen zu finden, da ja begreiflicherweise die meisten Pflegeeltern nur gesunde und schöne Kinder haben möchten. Bettnässer leider bei verwahrlosten Kindern häufig zu finden find bekanntlich noch schwerer in Pflegestellen unterzubringen, müssen aber doch auch untergebracht werden. Wiederum finden sich Arbeiterfrauen, wahre Heldinnen, die oft ohne großes Su reden sich bereit erklären, solch armen Geschöpfen eine gute Mutter zu werden und sich mit großer Liebe dem verwahrlosten Kinde hingeben. Leider ist die Zahl dieser Pflegemütter noch zu gering und die Zahl derer größer, die in erster Linie nach der Höhe des Pflegegeldes, der Kleiderausstattung usw. fragen. Viele Frauen wollen nur Mädchen, aber keine Buben nehmen. Was will man mit den armen Buben anfangen? Die schlauen Bauern wollen nur Mädchen über 12 Jahre haben, damit sie recht bald ein billiges Dienstmädchen ausnutzen können. Deshalb ergeht der Ruf an Stadt und Land:„ Arbeiterfrauen, nehmt euch dieser Kinder an, die doppelt auf eure Liebe angewiesen sind, deren ganzer Lebensweg durch ein wenig Liebe beeinflußt werden kann!"
Die Bewegung gegen den Mutterschaftszwang in Desterreich
Nach einem Jahre schwerer Aufklärungs- und rastloser Propagandatätigkeit gelang es im Dezember 1920 dem Bunde gegen den Mutterschaftszwang in Wien , seine bekannte Forderung( berechtigte Hilfe des Arztes bei durch soziale Motive erzwungener Schwangerschaftsunterbrechung während der ersten drei Monate der Schwangerschaft sowie Straffreiheit der Mutterwerdenden für diese Zeit) durch die sozialdemokratische Partei in der österreichischen Nationalversammlung einzubringen. Die bürgerliche Mehrheit vermeinte, diesen Antrag im Archiv entschlummern lassen zu können, obwohl die Genoffin Bopp mehrmals den Irrtum der Hoffenden aufzeigte. Die ganze Kulturwelt fennt das entsetzliche Elend der breiten Schichten Desterreichs, das immer wieder erklärt, seine Jugend ohne Hilfe des Auslandes nicht erhalten zu können. Jedes Rind mehr wird zur Katastrophe für die Mütter, denen Leinen, Brennstoff, Nahrungsmittel und Kleider für das Neugeborene fehlen. Nur 15 Prozent der Wiener Schulkinder sind normal ernährt,
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Feuilleton
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Drei Gedichte von Martha Roſe Thomas Caẞt mich erst Strom fein...
Laẞt mich erit Strom fein,
Der wild brauft und schäumt, Eh' über meinem Grund
Die Weide träumt.
Laẞt mich erft Sturm fein, Der an Mauern tobt, Eb' ihr als fanften Wind Mich preift und lobt.
Laẞt mich erft Brand fein,
Der zum Himmel ftrebt,
Eb' mir als Funke nur
Die Glut noch lebt.
Laẞt mich ein Mensch erit fein,
Der kämpft und irrt,
Eb' ihr ins Alltagsjoch
Den Geist mir ſchirrt.
* Kraft
Ihr könnt mich nicht brechen, ihr könnt mich nicht biegen, Ich laffe mich nicht euren Formen einfchmiegen. Und haßt ihr mich drum
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So web es mir tut
Es sei denn, fo ftähl euer бaß meinen mut.
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Komm, Wetter und Sturm, komm, kampftolles Leben, Ich will beide бände dir kraftvoll geben. Mein warmes Herz wollte keiner verítehnПun muß es mit eifernem Willen gehn.
125
85 Prozent sind unterernährt. Man erwäge diefe Ziffern, um zu erkennen, daß der Entschluß, unter solchen Verhältnissen die Kinderzahl auf das äußerste zu beschränken, ein Gebot primitivster Elternverantwortlichkeit ist.
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Gegen die Forderung der Reform der berüchtigten§§ 144-148 ( gleich dem deutschen§ 218, Berbrechen" gegen das keimende Leben) in obigem Sinne ziehen die Klerikalen in einer geradezu wütenden Heßkampagne zu Felde( obwohl es doch klar ist, daß ihre Frauen in den Sanatorien bei Zahlung von Riesenhonoraren ungestraft das gleiche Verbrechen" begehen). Die ältesten Phrasen der religiösen Sittlichkeit werden hervorgeholt und in dem Ver. leumdungskrieg verwendet, Kanzel und Beichtftuhl werden- wie noch nie zuvor in den Dienst gegen die Bewegung gestellt. Und während die Kinder- und Muttersterblichkeit fortschreitet, arbeiten die Gerichte in einer harten Klassenjustiz gegen die besitzlofen Mütter ( nur gegen diese), in kurzen Intervallen werden harte Urteile gefällt, wenngleich bei der immer wieder beklagten Ueberlastung der Gerichte" Schieber, Lebensmittelfälscher und Wucherer feit Jahren auf ihre Aburteilung warten können. Die klerikale und tapitalistische Presse heißt die Urteile gut, die angeblich dem " Dirnenfultus" und der Unmoral der Lurusweibchen" wehren sollen.
Diese Entstellung und Fälschung unserer Bewegung für die Bes freiung der Frau von einem schändlichen Klassengesetz wurde durch eine Verhandlung vor dem Wiener Landgericht, die fürzlich stattfand, klar beleuchtet. Drei Mütter mit 13, 7 und 4 Kindern„ verfehlten" im Mai 1920 gegen das Gefeß. Der Gatte der Hebamme, ein verwahrloster Trunkenbold verriet sie. Nach fast einem Jahre! Sofort Bewegung des Apparats, Recherchen usw. und Erheben der Anklage gegen die Mütter in wenigen Tagen. Urteil: eine Woche Arrest, bedingt, also eigentlich feine Strafe( anstatt Strafe von 1 bis 5 Jahren Kerker). Warum? Weil diese ausgemergelten Mütter nicht einmal stehend verhört werden konnten, dermaßen unterernährt und schwach waren sie. Darunter befand sich eine vorzeitig zur Greisin Gewordene mit weißen Haaren, die bei den letzten zwei Geburten mit den Sterbesakramenten versehen wurde, schwer nervenleidend ist und während der Berhandlung ohnmächtig wurde; ferner eine Mutter, die 126 Monate ihres Lebens in Schwangerschaften verbrachte( 3ehneinhalb Jahre); die dritte Mutter ist tuberkulös und wohnt mit vier Kindern in einer Schrebergartenhütte( e in Raum). Es fonnte einfach fein anderes Urteil gefällt werden, weil der Richter und der Staatsanwalt durch den
Ausblick
Laßt uns schauen ins Licht, in den hellen Tag,
Wer hell und sicher zu schauen vermag. Im Licht nur enthüllt fich der ewige Wert: Zielicharfe Cat, die erbaut und
verheert.
Flammen auflodern, Flammen erglühn;
Laßt uns mit brennenden Fackeln ziehn.
Löicht aus jeden fchwächlichen, müden Verzicht,
Bannt es zur Erde, das ewige Licht.
Freie find wir! Frei unfer Tun.
Laßt uns nicht schwanken, noch zögernd ruhn. Wirkende Arbeit, läuternde Kraft:
Und neu der Mensch feine Erde erfchafft!
Frauengestalten des 19. Jahrhunderts
( Schluß)
Karoline v. Humboldt, geb. v. Dachröden
Es ist ja gerade das Besondere, daß Karoline v. Humboldt, eine Frau, die in der Kunst schwelgte, ein so umfassendes Wissen be. saß, dazu ein feines Urteil, dem ein Mann wie Goethe den höchsten Wert beimaß, ihre Kräfte keineswegs auf diesen Gebieten er. schöpfte, sondern daß sie daneben und vor allem die treueste, sorgsamste Mutter, die praktischste Hausfrau war, die um alles wußte, die sich um alles kümmerte.
Aber Karoline war eine so starte Persönlichkeit, als daß sie ohne schwere Konflikte sich ohne weiteres in die Beschränkungen, die jede, auch die glücklichste Ehe mit sich bringt, gefunden hätte. Jeder Mensch, der heiratet, muß ein Stück von sich selbst aufgeben und es kommt dann wohl ganz darauf an, was er dafür eintauscht, ob er für dieses Berzichten, dieses Aufgeben etwas, das liebevolle