128
Die Gleich beit
zur Freiheit, nicht zur Tugend erziehen, so lehnen Sie zwar mit mir das etwas lederne Wort„ Tugend" ab, stellen aber die Gegen frage, ob denn nicht Tugend eben„ Tauglichkeit fürs Leben" bedeute und ob das nicht ein sehr berechtigtes Erziehungsziel wäre. Ganz recht. Tugend kommt von Taugen, und wenn Eltern ihr Kind lebenstauglich gemacht haben, dann kann man nicht mehr verlangen. Nur fragt man bei dem Worte„ taugen" nicht bloß, wozu jemand taugt, sondern auch wem? Wem kommt es schließlich zugute, daß Jemand tüchtig" oder„ tauglich" ist? Ihm selber", antworten Sie, und auch der Gesellschaft"! Diese Antwort habe ich von Ihnen erwartet, obwohl es Leute geben soll, die daran denken, daß ihre Kinder ihnen selbst einmal tüchtige Helfer im Geschäft, beim Geldverdienen, in der Landwirtschaft usw. werden sollen, und die sogar von ihnen die„ Stüße ihres Alters" erhoffen. Das ist in aller Unschuld so ungefähr der Standpunkt des Pferdezüchters oder Jägers, die sich ein Füllen zum Rennpferd und einen Welpen zum Vorstehhund erziehen" wollen. Ich habe doch selber einmal Hunde gezüchtet, und da war das höchste erstrebenswerte Ziel das, die Tiere soweit zu bringen, daß sie, mit Hilfe ihrer natürlichen Anlagen, die durch Züchtung verbessert wurden, und mit nur leiser, nicht gewalttätiger Anleitung ihre, dem Menschen dienlichen Aufgaben möglichst von selbst", jedenfalls aber mit Luft und Freude erfüllten. Also in Freiheit dressiert" und zur Freiheit erzogen"! Und das waren dann nicht etwa nur die für uns tauglichsten, sondern auch, wenn man sie mit ihren ursprünglichen wilden Artgenossen vergleicht, die edleren, die dem Idealtypus Hund und Pferd am nächsten kommenden! Sie sehen, was die Freiheit zustande aber einer Sozialistin braucht man ja dies Evanbringen kann gelium nicht erst zu predigen! Bleibt nun aber das Tier, auch wenn in Freiheit erzogen, doch dem Menschen dienstbar, so daß dieser bestimmt, was an ihm" Tugend" und" Untugenden" sind: ( nämlich die dem Menschen unwillkommenen Freiheitsäußerun gen", wie das Bocken und Reiterabwerfen beim Pferde, das Nachfeßen und auf eigene Rechnung Jagen beim Hunde), so hat uns น. a. Rant gelehrt, daß der Mensch niemals bloß dienstbar, ein bloßes Mittel für fremde 3wede sein dürfe, und der Sozialismus ist auf seinem Siegeszuge dabei, diese schöne philosophische Theorie in die Pragis umzusetzen. Merkwürdigerweise aber setzt er dem von Tyrannenwillkür und Kapitalherrschaft befreiten Arbeitsmenschen einen neuen Herrn auf den Nacken: die Gesellschaft", ganz, wie Sie vorhin schon sagten. Jeder Mensch soll ein Diener der organisierten Menschengemeinschaft und als
-
Der Hund
-
Nr. 13
folcher freilich auch ein gleichberechtigter Nutznießer der Gesell schaftsgüter sein! Der„ unabhängige Anarchist" lehnt das bekannt lich mit Entrüstung ab. Wer hat nun recht? Sie sehen, das ist dieselbe Frage, die Sie mir, nur ins Pädagogische übersetzt, gestellt haben, ob nämlich das Kind zur schrankenlosen( anarchischen) Freiheit, oder zur Tauglichkeit für seine menschliche Umwelt er= zogen werden solle. Und daß meine Erziehung zur Freiheit" mit Notwendigkeit zu zügelloser Wildheit des Kampfes aller gegen alle führen müsse, haben mir schon zum Ueberdruß auch die Freunde der Erziehung gesagt, die den Menschen im religiösen Sinn tugendhaft machen wollen, also tauglich zum Gotteskind und Himmelsbürger. Aber lassen wir diese vor lauter Gottesglauben zu Ungläubigen an der Menschheit Gewordenen ihres Glaubens felig werden! Soll nun Ihr Junge ein guter Sozialist werden oder einer jener„ Anarchisten", wie sie heute, nicht als Produkte einer Erziehung zur Freiheit, sondern des absoluten Mangels an Die Antwort liegt Erziehung zu Tausenden herumlaufen?
-
in dem ersten Worte: Erziehung ist auch zur Freiheit nötig, ja gerade da am allernötigsten! Freiheit gleicht einem„ Bistouri" Sie wissen doch, was das ist: das auf beiden Seiten haarscharf geschliffene Messer des Chirurgen, mit dem umzugehen man erst lernen muß. In ungeschickter Hand verlegt es den es Führenden wie den damit Bedrohten. Jene grünen Burschen, die wie soeben aus dem Rommiß entlaufene Sflaven mit ihrem Freiheitsmesser ( es fönnen auch Handgranaten und gestohlene Gewehre sein!) in der Welt herumfuchteln, unbekümmert um die Freiheit und das Leben der anderen, haben nie begriffen, daß Freiheit gar nichts anderes bedeutet, als strengste Selbst zucht, daß man erst einmal Herr seiner selbst sein muß, und nicht williger Knecht seiner wildesten Lüste und Begierden, seiner Launen und willkürlichsten Einfälle, wenn man für andere ein Sendbote der Freiheit werden will, der reine Hände und ein reines Herz haben muß. Wer nur seine Freiheit austoben will, der entwürdigt die hehre Frauengestalt zu seiner Luftdirne und hat keine Ahnung von der verehrenden Liebe, mit der der wahre Freiheitsfreund sie, gerade an anderen, achtet und schont. Zur Freiheit erziehen heißt zur Rücksicht und Umsicht und Borsicht und Einsicht erziehen, mit denen man seinen Weg mitten durch die anderen, unangefochten, aber auch selbst nirgends anstoßend, seiner selbst sicher und eben darum von höchster Tauglichkeit für seine Mitwanderer, machen kann. Merken Sie nun, daß Erziehung zur Freiheit und Erziehung zur Tugend oder menschlichen Tauglichkeit nur zwei Ausdrücke sind
Feldblumen
Die Stadtbahn gleitet hinaus zum nahen Wald. Es iſt Früh Meine große, weiße Base mit dem blauen Rand ist mit Feld.
nachmittag an einem Sonntag. Nur wenige fahren hinaus.
Die anderen hält die Mittagsstunde noch in der Stadt zurüd. Sie kommen später. Väter und Mütter mit fröhlichen Kindern. Mit Lärm und mit Lachen. Aber jetzt ist es noch einsam. Im Abteil sigen vier Personen. Ich habe mich in eine Ecke gedrückt, die Sonnenstrahlen aufzufangen, die flugs in den fahrenden Zug durchs Fenster hineinsteigen. Draußen laufen die Felder und Gärten vorbei. Telegraphenstangen biegen sich kichernd zu Boden
-
-
-
-
es ist Sonntag. Aber hier drinnen ist es einsam und leer. Die gelben Bänke höhnen. Neben mir sitzt eine Frau, die ein schlafendes Kind im Arme hält. Rosig die Bäckchen, der Atem wie Fliegenfummen. Ein glücklicher Anblick. Gegenüber ein Paar. Nicht zu jung nicht zu alt, wohl einige Jahre verheiratet. Gut gekleidet. Aber das ist es, von ihm fommt die Leere her! Und Bangigkeit vom Weibe. Aus ihrem Schoß steigt sie auf. Dort liegt ein Hund. Auch schlafend. Aber ein Hund. Kein Kind kein Menschlein. Und das muß wohl die Frau drüben plötzlich begreifen. Blaß starrt sie auf das Kind, das ihr gegenüber schläft, rosig, träumerisch. Dann blickt sie auf ihren Hund ein Terrier, weiß und schwarz geflect. Man hat ihn ihr wohl geschenkt. Zum Trost. Vielleicht war er ihr bisher auch ein Trost für das verlorene Kind, das noch nie da war nie kommen wird. Diese Gewißheit brennt sich jetzt tief in das Herz der Frau. Der Mann starrt zum Fenster hinaus. Die Frau neben mir hält das rosige Kind mir gegen über liegt ein Lier in einem Frauenschoß und zwei nasse Augen sehen ins Leere Alfred Fritsch e.
-
-
-
Weißt du, welcher im Leben fein eigener Freund ift?- Der ift es, der wie ein Feind wacker fich felber bekämpft.
Damerling.
x
Ohne Freude taugt der Befte nicht.
blumen gefüllt.
Ist mit einem Riesenstrauß wunderbunter, schöner, frischer Feldblumen gefüllt.
Blaue Kornblumen stehen schlank und lieblich in herbem, leisem Duft.
Wie flammende Kelche sind die Mohnblumen. Ihre großen, muschelartigen Blätter sind wie von roter Seide, und wenn man in ihre geheimnisvollen Kelche hineinsieht, ist man wie gebannt. Feine, schwarzseidene Haare umschmeicheln die Staubfäden das fremdartige Mohnköpfchen. Ueber der roten Mohnblüte liegt es wie ein schwermutvolles Lächeln: Ich muß so bald sterben.-
Margaretenblumen, deren schmale, weiße Blumenblättchen wie Strahlen um goldene Augen gereiht sind, schneiden seltsame Mienen. Sie sind wie luftige Spötterinnen.
Ein paar rötliche Kornraden schauen aus grünem, fünfzadigem Stern, und stolz prangt der blaßblaue Rittersporn.
Wie rote Kerzen brennen Kleeblüten, und langhaarige, sanft geneigte Gerstenhalme nicken das feine Lied vom blühenden Lande. Um die leuchtende Bracht dieses Straußes, der alle Schönheit, allen Reichtum der Welt in sich schließt, windet sich süßduftende Ackerwinde, wie eine weißleuchtende Girlande. -
Mein Feldblumenstrauß ist der schönste Strauß der Erde. Welche Farben, welche Glut! Das Blau des Himmels, das glühende Rot des Herzblutes, der Sonne Gold, das Weiß der Schneefronen ewiger, unerreichter Firnen und das Grün nie welkender, zukunftsfroher Hoffnung.
Mein schöner Feldblumenstrauß! Und er foftet nichts. Ach, Blumen dürfen nichts kosten. Sie haben so zarte, leichte Seelen, daß sie sterben müssen, wenn sie verkauft werden.
Blumen mußt du suchen, wie man das Glück sucht. Mußt sie finden und pflegen. Blumen mußt du lieben. Denn sie sind die Schönheit selbst. Anna Juffen.