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Die Gleichheit

fundung der Boltswirtschaft, soweit sie durch Lohnregelung überhaupt erreichbar ist, herbeigeführt sein werde.

,, Soweit sie durch Lohnregelung überhaupt erreichbar ist." Wir möchten das in diesem Satz liegende Bedenken start unterstreichen. Sind doch die Lohnkämpfe nicht, wie der Verfasser meint, die Ursache, sondern lediglich die Wir­tung fapitalistischer und weltwirtschaft­licher Konstellationen, auf die die Arbeiterschaft leider heute noch keinen Einfluß hat. Eine durchgreifende Aenderung kann erst eintreten, wenn der lebenvernichtende Einfluß des Privattapitalismus gebrochen und das Kapital, das ist aber die Summe aller Betriebsmittel, in der Hand des schaffenden Volkes zu der mächtigen Esse geworden sein wird, in der das Glück alles dessen, was Menschenantlig trägt, geglüht und gehämmert werden soll.

Das ist das Endziel. Trotzdem sollten Borschläge wie der von Staude sorglich geprüft und diskutiert werden. Gelingt es, fie in einer handlichen Form zur Ausführung zu bringen, so können sie helfen, dem Größeren, das tommen soll, bie Wege zu bereiten.

Der Arbeiter

Vor der Stadt erft fiel ihm alles ein, Als er trunken in die uferlofe Weite ging, Als ibn Himmelsbläue fanft umfing, Was es heißt, ein Mensch zu fein.

Alles schrie in ihm vor Luft. Пiegefühltes ftürzte in die längit verdorrte Seele. Lieder rauschten auf in feiner Keble Und zeriprengten feine fchmale Bruit.

Alles, was vergraben war und schlief In den dunklen, harten Arbeitswochen, War nun plötzlich braufend aufgebrochen,

Daß es ihn nach Wundern, Iliegefchautem rief.

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Felderbreiten fluteten im Sonnenschein Wolken, Bäume jauchzen ihm entgegen, Blüten sprangen auf an allen Wegen Ob er dachte: fo muß Gott   wohl fein,

Und er ging und ging von Freude übervoll, Die ihn bis ins Tieffte heiß durchglühte; Daß die große Liebe und die Menschengüte Mit ihm über Stadt, Fabrik und Horizonte quoll.

Karl Brinkmann  .

Recht und Wohlfahrtspflege Bon Bürgermeister Dr. Caspari( Brandenburg a. d. H.) A. Familienrecht

IX. Elterliche Gewalt.

Das Gesetz spricht von elterlicher Gewalt. Es fennt weder eine väterliche noch eine mütterliche Gewalt. Wohl aber stellt das Gesetz den Vater auch hier wesentlich über die Mutter, denn wie§ 1634 sagt, hat die Mutter nur neben dem Vater während der Dauer der Ehe das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Sie hat diese Rechte zwar selbstständig, aber nur neben dem Vater! Zur Vertretung des Kindes ist sie grundsätzlich nicht berechtigt. Ausnahmen( vgl.§ 1685 Abs. 1) bestätigen nur die Regel; und bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern geht die Meinung des Baters vor. Man braucht nicht Frauenrechtler zu sein, um zu erkennen, daß diese Stellung der Mutter gegenüber dem Kinde mit dem Leben in traffem Widerspruch steht. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist nicht der Bater der Erzieher der Kinder, sondern die Mutter. Dessenungeachtet hat das BGB. diese Regelung getroffen. In den§§ 1627 bis 1683 behandelt es die elter­liche Gewalt des Baters, in den§§ 1684 bis 1698 die elter= liche Gewalt der Mutter. Die Mutter, die natürliche Er­zieherin der Kinder neben dem Bater" ist berechtigt

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und verpflichtet, für die Person des Kindes zu sorgen! Würde in den Ehen nach dem Buchstaben des Gesetzes verfahren werden, so fämen die Ehegatten aus den Kompetenzstreitig. teiten kaum heraus. Das ausschließlich von Männern ge­schaffene BGB. hat dem Recht den schwersten Zwang an getan, indem es Bestimmungen, Rechtsäße, geschaffen hat, die mit dem Leben in schärfstem Widerspruch stehen und die das natürliche Recht und die natürlichste Pflicht der Mutter, Erzieherin ihrer Kinder zu sein, mißachten.

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I. Elterliche Gewalt des Vaters.

Kraft der elterlichen Gewalt hat der Vater das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen(§ 1627). Die Sorge für die Person und das Ver mögen umfaßt die Vertretung des Kindes, d. h. die Vors nahme von Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen für das Kind(§ 1630). Der Vater ist demgemäß der nächste gesetz­liche Vertreter des Kindes, solange es minderjährig ist. Die Bertretung steht dem Vater insoweit nicht zu, als es sich um Interessenkonflikte zwischen ihm und dem Kinde handelt. Das Nähere hierüber regeln die§§ 1630 und 1795. Auch fann das Vormundschaftsgericht dem Vater nach§ 1796 die Vertretung entziehen. In solchen Fällen erhält das Kind einen Pfleger(§ 1909).

Man denke sich folgendes Beispiel: A ist Eigentümer eines Hauses, auf dem eine Hypothek des B lastet. Das Kind des A, C, beerbt den B. Es wäre ein unerträglicher Zustand, wenn der Vater A das Haus verwalten und zu­gleich die Gläubigerrechte seines Kindes gegen sich selbst ver. treten sollte. Deshalb erhält das Kind in solchem Falle zum Zwecke der Wahrnehmung seiner Gläubigerrechte als Hypo. thekengläubiger gegenüber seinem Vater einen Pfleger.

Wie eingangs betont, hat die Mutter neben dem Vater während der Dauer der Ehe das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Wohlgemerkt nur für die Person, nicht für das Vermögen! Sie besitzt auch wie gesagt feine Vertretungsmacht für das Kind und bei Meinungs­verschiedenheiten geht- selbstverständlich!-die Meinung des erziehungskundigen! Vaters vor(§ 1634). Also Sieg des starken Geschlechts auf der ganzen Linie, wenigstens auf dem Papier, genannt Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches  .

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Wie wir weiter unten sehen werden, übt während der Dauer der Che die Mutter die elterliche Gewalt, aber wieder ausgenommen die Nußnießung, in vollem Umfange aus, wenn der Vater an der Ausübung der elterlichen Gewalt tatsächlich verhindert ist oder seine elterliche Gewalt ruht.

1. Die Sorge für die Person des Kindes. Die Sorge für die Person des Kindes umfaßt das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und den Aufenthalt zu bestimmen(§ 1631). Bei dieser Bestim mung sollte und konnte nicht etwa gesagt werden, daß die elterlichen Gewalthaber nun unumschränkte Herrschaft über ihr Kind befäßen. Die Interessen der Allgemeinheit kollidieren notwendig mit dem Individualinteresse der sogenannten Familie. Man denke an den Schulzwang, an die Berufs­schulpflicht, an das Recht der Fürsorgeerziehung und an Be Stimmungen der Armengesetzgebung. Je mehr wir fort­schreiten wollen in der sozialen und fulturellen Gesetzgebung zum Schuße der Jugend, um so mehr werden sich Konflikte ergeben zwischen dem von manchen Seiten mit besonderem Nachdruck betonten Interesse der Familie, des Eitern­hauses, und dem Interesse der Allgemeinheit; die Sozial­gesetzgebung soll an den Individualrechten des einzelnen nicht vorübergehen, feineswegs aber dürfen diese auf Kosten der sozialen Gesetzgebung erhalten oder noch erweitert werden.

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Kraft des Erziehungsrechts fann der Bater angemessene Buchtmittel gegen das Kind anwenden. Dieses Recht können die Eltern auch anderen Personen übertragen, z. B. Er­ziehern, Pensionseltern und dergl. mehr.