Nr. 16
Die Gleichheit
tommen. Im Berhältnis zu der ungeheuren Geldentwertung sind jedoch die bis jetzt vorgenommenen Erhöhungen völlig ungenügend. Erweiterungen und Berbesserungen der Anlagen erfordern bei dem vorhandenen Betriebskapital in den Leitungen der Konsumvereine oft wahre Finanzgenies. Die hervorragenden Leistungen der britischen Genossenschaften sind nicht zuletzt auf die günstige Finan= zierung derselben zurückzuführen. Im Januar 1916, also während Dorfriegszeitlicher Geldentwertung, betrug der Anteil am Betriebsfapital( also Geschäftsanteil, Reserven und Spareinlagen) ca. 322 Mark pro Mitglied, während in Deutschland nur 78 Mt. Betriebsfapital auf das Mitglied tamen. Die höhere Kapitalfraft bewirkte eine starte Eigenproduktion der britischen Genossenschaften und damit die Möglichkeit der Warenbeschaffung auf allen Gebieten. Eine weitere Folge davon war die Erhöhung des Umsages auf das 2½fache im Verhältnis zum Umsatz der deutschen Genossenschaften. Dessenungeachtet bleibt man in England nicht stehen, sondern agitiert lebhaft für die Erhöhung des Betriebskapitals. Die deutfchen Frauen, vor allen Dingen wir Arbeiterfrauen als die Träger der Genossenschaftsbewegung, müssen daraus lernen und unseren deutschen Genossenschaften durch Hinterlegung unserer Spargelder und volle Einzahlung der Geschäftsanteile über die finanziellen Schwierigkeiten hinwegzuhelfen suchen.
Die politische Neutralität der Konsumvereine ist schon von„, den redlichen Pionieren von Rochdale ", den ersten Gründern der Genossenschaftsbewegung, als Existenzbedingung aufgestellt worden. wo man von diesem Grundsatz abwich, z. B. in Holland und Frank reich , hat man schlechte Erfahrungen gemacht. Die tschechischen und tschechisch- flowakischen Verbände haben sich nunmehr auch veranlaßt gesehen, diesen alten Grundsatz wieder neu aufzustellen. Hoffen wir, daß auch bei uns, allen Anfechtungen zum Troh, sich die Erkenntnis durchringen wird, daß wirtschaftliche Organisationen wie die Genoffenschaften allen proletarischen Verbrauchern, ganz gleich welcher Barteiangehörigkeit, dienen sollen und dies nur können, wenn ihre Kraft nicht durch innere Kämpfe gebrochen wird. Die Erfämpfung politischer Ziele ist Sache der Parteien und nicht der Genossen fchaften.
Andernfalls ist aber der seit einiger Zeit durch Gewerkschaften und Betriebsräte eingeführte Warenhandel ein Uebergriff in das Gebiet der Genossenschaften. Da man, wie nicht anders zu er warten war, auch schon viele Reinfälle damit erlebt hat, wird sich diese Einrichtung bald von allein abwirtschaften. Eine große Anzahl Gewerkschaften hat sich bereits energisch dagegen ausgesprochen.
Die internationale Genossenschaftsbewegung hat einige eigen artige Neugestaltungen aufzuweisen. So sind auf der Insel Malta sowohl wie auf den Niederländisch - indischen Insein Konsumvereine gegründet worden. Wie schwierig solche Organisationen zu gestalten sind, kann man ermessen, wenn man beachtet, daß die Bewohner von Niederländisch- Indien zu 97 Proz. Analphabeten sind, und daß sich die Mitglieder nicht nur aus den Landeskindern, sondern auch aus Europäern, Chinesen und Arabern zusammenfezen. Die Hauptstadt Batavia kann in Zukunft für die internationalen Großeinkaufsgesellschaften als Bezugsort tropischer Spezialprodukte große Bedeutung erlangen.
In Eger ( Ungarn ) hat man einen vorbildlichen Beweis genossenschaftlichen Eifers erbracht, indem man der dortigen Genossenschaft burch freie Sammlung aus Mitgliederkreisen einen Borschuß von 1 283 516 Kronen zwecks Warenbeschaffung zur Verfügung stellte. Die Genossenschaftsschule in Hamburg hat am 23. März ihren ersten Halbjahrskursus beendet. An der Hochschule zu Nürnberg ist für das Sommersemester eine Vorlesung über Genossenschaftswesen vorgesehen worden. Die Columbia- Universität in New York hielt ihren ersten genossenschaftlichen Rurfus ab, der von 130 Studenten besucht wurde und außerordentliches Interesse hervorrief. Der befannte Genossenschaftler Charles Gide ist zum Professor für konsumgenossenschaftliches Wesen am Collège de France bestellt worden.
In Berlin ist vor einiger Zeit Mar Hoppe, einer der ältesten und bekanntesten Genossenschaftler, gestorben. Er war Mitbegründer des Konfumvereins" Vorwärts" in Dresden , welcher zu den ältesten Deutschlands gehört. In den letzten Jahren bis zu seinem Tode perwaltete er das Lager der Großeinkaufs- Gesellschaft deutscher Konfumvereine in Berlin . Elsa Rupprecht.
Soziale Rundschau
Die Beihilfe für langfristige Erwerbslose. Der Reichstag hat, wie erinnerlich, eine Entschließung angenommen, wonach den Gemeinden für die langfristig Erwerbslosen, die mehr als 26 Wochen erwerbslos sind, eine besondere Beihilfe zu gewähren ist, die es den Gemeinden ermöglicht, die nötigen An
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schaffungen an Kleidung und Schuhwerk für die. Erwerbslosen und ihre Angehörigen vorzunehmen. Wir erfahren dazu folgendes:
1. Die Sonderbeihilfe sollen auch diejenigen Erwerbslosen erhalten, die in den Tagen vom 12. bis 15. Juli d. J. Arbeit auf* genommen haben.
2. In die Frist von 26 Wochen sind einzurechnen a) Unterbrechun gen durch Arbeit( Bollarbeit, Kurzarbeit, Gelegenheitsarbeit); b) Unterbrechungen durch Urlaubsarbeiten, für die Erwerbslosenunterstützung nicht gezahlt worden ist, und durch Sperrung, wenn hernach Erwerbslosenunterstützung wieder bewilligt worden ist; c) die Fristen auf Grund§§ 11, 11a, 12 und 15 des Berliner Statuts; d) die zu a- c genannten Fristen dürfen insgesamt 24 Arbeitstage nicht übersteigen. Krankheitszeiten, die vor Stellung des Unterstüßungsantrages liegen, sind nicht einzurechnen.
3. Kurzarbeiter und Aussetzer erhalten keine Sonderbeihilfe, wohl aber die Bezieher von Leilunterstützung( bzw. Teilzuschlägen) und die erkrankten Erwerbslosen, deren Angehörige am Stichtage Bus schläge beziehen; auswärts Arbeitende, deren Familien hier die Buschläge erhalten, steht die Sonderbeihilfe nicht zu..
4. Leben Ehegatten getrennt, fo soll die Sonderbeihilfe entsprechend den Unterstützungsbezügen verteilt werden.
5. Es sollen erhalten( vorbehaltlich der Ergebnisse der statistischen Feststellungen): Erwerbslose ohne Unterschied des Geschlechts über 16 bis zu 21 Jahren 300 Mt., über 21 Jahre, sofern sie im Haushalt eines andern leben, 400 mt.; über 21 Jahre, sofern sie nicht im Haushalt eines andern leben, 500 Mt.; Erwerbslose mit Ehegatten 600 Mt.; für jedes Kind unter 16 Jahren und sonstige zuschlagempfangende Angehörige 50 mt. Der Gesamtbetrag der Sonderbeihilfe für einen Erwerbslosen darf 800 Mt. nicht übersteigen.
Aus der Frauenbewegung des Auslandes
Rumänien . Der Senat in Buturest nahm mit großer Stim
menmehrheit das Gesetz an, das den rumänischen Frauen das Wahlrecht zu Gemeinderatswahlen bewilligt. Ein Zusatzantrag des Senators Poenaro, der das obligatorische Stimmrecht der
Frauen vorfieht, wurde mit 61 gegen 22 Stimmen angenommen.
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Finnland . Hier beschäftigt man sich mit einer Landtagsvorlage, die eine Reform der gesetzlichen Stellung der unehelichen Kinder bezweckt. Diese sollen im Erbrecht nach der Mutter und den müt terlichen Verwandten den ehelichen Kindern unbedingt gleichge.
stellt werden, bezüglich ver väterlichen Seite nur dann, wenn der Bater das Kind als das feinige anerkannt hat. In allen Fällen soll der Mutter die elterliche Gewalt zustehen, es sei denn, sie habe fich als unwürdig erwiesen. Auch eine gemeindliche Generalvormundschaft für alle örtlichen illegitimen Kinder ist geplant.
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England. Ein neues Kindergesetz wurde hier als Novelle zu dem Gesetz über Vormundschaft, Fürsorge und Unterhalt der Jugendlichen angenommen. Nach diesem Gesetz werden beide Eltern in bezug auf elterliche Gewalt und alle daraus hervor. gehenden Rechte als völlig gleichberechtigt anerkannt.
Japan . Aktiengesellschaft für Mädchenhandel. Auf dem Kongreß der kommunistischen Frauen in Moskau erklärte die Vertreterin der koreanischen Fraren, daß in Korea japanische Aktiengesellschaften für den Mädchenhandel entstanden seien, weil die Not die koreanischen Frauen dem Laster in die Arme treibe. *
Indien . Die Frauen von Südindien, Madras , Cochin , Tra vancore und Jalavar haben nun auch das Stimmrecht erhalten und sind den Männern gleichgestellt.
Aus unserer Bewegung
Miederplanih. An drei Albenden besprach Gen. Jahn an Hand von Bölsches Liebesleben in der Natur" und dem herrlichen Buch ,, Am Lebensquell" die Sexualfrage, die gerade in letzterem mit viel Zartgefühl und Reinheit dem Kinde seine Herkunft enthüllt. Leider sind viele Frauen infolge ihrer verkehrten Erziehung, insbesondere aber infolge des verderblichen Einflusses der Kirche nicht in der Lage, dem Buche zu folgen. Das trat am zweiten Abend recht deutlich zutage. Es tamen zwei Frauen in unser Zimmer, die ursprünglich nicht zu uns wollten, sondern zu den Bibelforschern, die im gleichen Lofal tagten. Diese beiden Frauen Sprengten nun im Orte aus, es würden bei uns unsittliche Vorträge gehalten, sie hätten den ganzen Abend nicht gewußt, wo sie vor Scham hinblicken sollten. Genosse Jahn las gerade an diesem