Nr. 20
31. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Frauen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Mit den Beilagen: Für unsere Kinder. Die Frau und ihr Haus
Die Gleichheit erscheint 2 mal im Monat Preis: Vierteljährlich 3,- Mart Inserate: Die 5 gespaltene Nonpareillezeile 3,- Mart,
bel Wiederholungen Rabatt
Unser Weg
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15. Oktober 1921
Bon Clara Bohm- Schuch Sonnengold lag über der schönen schlesischen Stadt während der ganzen Zeit unserer Verhandlungen. Das trug wesentlich zur Friedfertigkeit der Teilnehmer bei und es gab fröhliche Leute, die behaupteten, daß der Parteivorstand sogar mit Petrus eine Koalition geschlossen hätte.
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In der letzten Nummer der„ Gleichheit" sprach ich den Wunsch aus, daß die gesamten Görlitzer Verhandlungen Wegleuchten für die dunkle Zukunft werden möchten. Der Wunsch war fühn, und wenn wir in Görlig etwas gelernt haben, so ist es dies: wer nicht enttäuscht werden will, tut gut, weder zu wünschen noch zu wollen, sondern abzuwarien. Man erlebt dann vielleicht nur noch angenehme Ueberraschungen oder gar keine. Die Weisheit aller flugen Leute ist dies schon immer gewesen, und wenn wir Frauen fie so schwer erfassen können, wenn für uns diese Erkenntnis so ungeheuer bitter ist, so beweist das am Ende die Richtigkeit der Behauptung verschiedener Parteigenossen mir gegenüber, daß solche Frauen für das öffentliche Leben und für die Politik nicht taugen". Oder beweist es das Gegenteil? Ich halte mich nicht für objektiv genug, diese Streitfrage zu entscheiden, denn ich gehöre zu denen, die überrascht und enttäuscht und ein wenig müde aus Görlig heimgekommen sind. Und einen Weg, durch die dunklen nächsten Monate zu kommen, sehe ich auch jetzt noch nicht; das haben übrigens die klugen Leute mit uns törichten gemeinsam.
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Der Tagung des Hauptausschusses für Arbeiterwohlfahrt über die an anderer Stelle unseres Blattes noch berichtet wird wohnten neben den Delegierten zahlreiche Gäste bei. Das äußere Gepräge entsprach dem Sinn der Veranstaltung. Schwarz- rot- goldene Fahnen grüßten am Eingang, Blumen schmückten die Tische und über der Rednertribüne mahnte Goethes höchste sittliche Forderung:„ Edel sei der Mensch, hilfreich und gut." Die beiden Referate von Helene Simon und Dr. Caspari gaben Veranlassung zu einer außerordentlich sachlichen und fruchtbringenden Aussprache. Bedauern kann man, daß bei der Fülle des sehr gut zusammengestell ten Materials, welches Genossin Simon behandelte, manche Frage nicht so erörtert werden konnte, wie es für die Ver wendbarkeit in der Praxis wünschenswert ist.
Den Bericht über die bisherige Tätigkeit des Hauptausschusses gab Genoffin Juch a cz. Es ist viel Arbeit zu leisten gewesen, ganz große Aufgaben liegen noch vor uns und sie können nur erfüllt werden durch engste Zusammen arbeit mit den tommunalen Wohlfahrtspflegestellen sowie durch regste Mitarbeit unserer Genofsinnen und Genossen. In der Diskussion stand der Austausch der Erfahrungen in den einzelnen Orten und Bezirken im Vordergrund. Es herrschte vollste Uebereinstimmung darüber, daß die Wohlfahrtsausschüsse im Rahmen der Partei bleiben, daß unsere
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sozialistischen Grundsäße und Ziele für diese fürsorgende Arbeit immer die Richtlinien geben müssen. Man war sich aber auch darüber klar, daß in der Praxis die Gefahr sehr groß ist, diese Grenzen zu verwischen. Und es ist eine ernste Mahnung an alle in der Wohlfahrtspflege Tätigen, nicht einen Augenblick zu vergessen, daß sie Mitglieder der Sozialdemokratischen Par tei sind. Folgende Entschließung des Hauptausschusses fand einstimmige Annahme:
„ Die Wohlfahrtspflege erstrebt die zur Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude erforderliche Lebenshaltung aller Volksgenossen. Denn diese sind Voraussetzung der Steigerung der gesellschaftlichen Gütererzeugung und der kulturellen Höherentwicklung. Mithin berührt sich die Wohlfahrtspflege mit Wefens elementen des Sozialismus. Die Sozialdemokratische Wohlfahrts. konferenz fordert deshalb die Schaffung eines einheitlichen Reichs. wohlfahrtsgesetzes gemäß Artikel 9 der Reichsverfassung. Die Ausübung der Wohlfahrtspflege ist in die Hand der Selbst. verwaltungsförper zu legen."
Die Reichsfrauenkonferenz war inhaltlich eine Fortsetzung der Wohlfahrtstagung. Die Aufgaben, welche die Frau in der Gemeinde auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet zu erfüllen hat, wurden vom Genossen Stadtrat Butzky Neukölln und von der Genossin Dr. Sophie Schöfer Auwed aus München in ausführlicher Weise dargestellt. Wies Genosse Wuzky den Plazz, an dem die Frau wirken kann, so sagte Sophie Schöfer, wie sie wirken soll. Sie stellte alles unter die eine große Aufgabe für Staat, Gemeinde und Familie: Menschenökonomie zu treiben. Nur durch Menschendasein und Menschenarbeit kann das Bolt, der Staat sich erhalten. Die Ausführungen waren so vorzüglich, daß nur gewünscht werden kann, daß viele unserer Genofsinnen sie im stenographischen Bericht nachlesen mögen. Das gleiche gilt von dem Referat der Genossin Hedwig Wachenheim über die Vereinsarbeit. In flarer Weise wurden die Ziele, welche die einzelnen Vereinsgruppen sich gesetzt haben, erläutert und die besonderen Aufgaben der Wohlfahrtsvereine in sich selbst und in ihrer Mitarbeit bei der kommunalen Fürsorge dargestellt. Arbeitsgemeinschaften für die Arbeiterwohlfahrtsausschüsse mit bürgerlichen Vereinen wurden da empfohlen, wo es für die Erreichung eines bestimmten Zieles zweckmäßig erscheint.
Am zweiten Tage erstattete Genossin Ju chacz den Bericht über den Stand der Organisation und gab in ihren Ausführungen Winke für die Agitation, der wir uns nach dem bedeutenden Rückgang der weiblichen Mitgliederzahl mehr als bisher zu widmen haben. Dieses Moment wurde in der anschließenden Diskussion wohl beachtet, aber man stand immer wieder unter dem Eindruck einer Zerrissenheit der Kräfte, die wirksame Mittel zur Gewinnung neuer Mitglieder schwer finden läßt. Erfreulich ist, daß die Abonnentenzahl der„ Gleichheit" erheblich gestiegen ist. Das Lesen unseres Blattes ist sicher der beste Weg für die poli tische Schulung der Frauen. Die obligatorische Lieferung der„ Gleichheit" an alle weiblichen Mitglieder wurde nicht