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Die Gleich beit

nach Abschluß des Weltkrieges bei der Deutschen Verlags­anstalt in Stuttgart   herausgegeben hat.

Als Onden einst, tief im Frieden, die erste Auflage schrieb, hatte er die ausgesprochene Absicht, mit seinem Buche dem Gedanken der sozialen Reform und der Ueberbrückung der Klaffengegenfäße zu dienen. Er glaubte dies am besten er­reichen zu können, indem er Lassalles Leben und Wirken objektiv behandelte. So ist seine Biographie die reichhaltigste, die wir über Lassalles Leben befizen, aber sie hat auch eine bestimmte Tendenz. Oncken sieht in Lassalle   den nationalen Ahnen der heutigen Sozialdemokratie im Gegensatz zu den Marg und Engels des fommunistischen Manifestes. Nicht national in dem Sinne, in dem dieses Wort bei uns vor und nach dem Kriege zu Parteizwecken mißbraucht wurde, denn Laffalle war zeit seines Lebens Republikaner   und sein Ideal war das Deutschland   minus die Dynastien", sondern natio­nal in dem Sinne, als er mehr im Boden des Staates wurzelte. Aber findet das nicht seine genügende Erklärung in der Tatsache, daß Lassalle das Glück" hatte, während der entscheidenden Wochen der 48er Revolutionszeit von der preußischen Justiz ins Gefängnis geworfen zu sein, so daß ihm im Gegensatz zu Marg, Engels, Freiligrath das Eril erspart blieb? Erklärt sich sein Gegensatz zu Marr auch in der Folgezeit nicht zum großen Teil daraus?

Auf diese verschiedene Bodenbeschaffenheit als Quelle fruchtbringender Arbeit wird der Nachlaß an Briefen, den Gustav Mayer   jetzt herausgibt und den Onden noch nicht benutzen konnte, sicher noch manches Licht werfen. Onckens hergebrachte Einstellung auf den nationalen, von Fichtes Idealismus herkommenden Lassalle verleitet ihn auch, Lassalle eine übertriebene Fernwirkung auf die Haltung der Sozialdemokratie während und nach dem Weltkriege zuzu­schreiben. Wenn die Sozialdemokratie während des Krieges nicht vaterlandslos" war, so deshalb, weil sie es auch vorher nicht gewesen ist. Die Stellungnahme der Sozialdemokratie zum 4. August 1914 wurde nicht von dem toten Lassalle be­einflußt, sondern von dem toten Bebel, wenn sie überhaupt Bon Bebel, der von einem Toten beeinflußt wurde. prophetisch vorausgesagt hatte, daß es in einem kommenden Weltkrieg um das Sein und Nichtsein Deutschlands   gehen würde. Und wenn nach dem Weltkriege die deutsche Sozial­demokratie zum Staat ein anderes Verhältnis fand, so ist das nicht auf Hegels und Fichtes Ideen vom Staat als sitt licher nationaler Gemeinschaft zurückzuführen, sondern erklärt sich einfach daraus, daß das Proletariat der Republik   ganz selbstverständlich eine andere Gesinnung zu beweisen hat, als dem die Arbeiterklasse brutal fnechtenden vorrevolutionären Obrigkeitsstaat. Die Republit, als die einzig mögliche Staatsform zur Durchführung des Sozialismus, zwingt in ganz anderer Weise zur positiven Arbeit aus dem Gebot ihrer Erhaltung heraus. Die Folgeerscheinungen des verlorenen Krieges machen der Republik   das Leben furchtbar schwer. Laffalles Wirken zeigt uns, wie ein seines Zieles bewußter, mit Begeisterung erfüllter Führer sich gegen eine widerständ­liche Welt, allen Schwierigkeiten zum Trozz, den Weg nach vorwärts bahnte. In diesem Sinne wird Lassalles Leben immer vorbildlich wirken, nicht zuletzt auch auf den denken­den Arbeiter, der es durch Ondens fleißige Arbeit kennen­lernt.

Zur Bertiefung der geschichtlichen Forschungen werden die beiden vorgenannten Werke viel beitragen; daß weiteste, Kreise Lassalles Leben näher kennenlernen, werden sie wenig helfen. Deshalb ist es nur zu begrüßen, daß im Verlag von J. H. W. Dietz Nachf., Stuttgart  , ein fleines Büchlein heraus­gekommen ist, welches diesen Zwed in vorzüglicher Weise erfüllt. Ein Lebensbild Ferdinand Lassalles", der Jugend erzählt von Dr. Willy Cohn, ist leicht verständlich ge= schrieben und gibt doch ein so gründliches Material, daß es den Zweck, die Persönlichkeit unseres Vorfämpfers vor uns hinzustellen, voll erfüllt. Die Briefe aus dem Nachlaß haben

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auch in dieser Arbeit noch keine Verwendung finden können. Das ist vielleicht gut, weil sonst mancher Schatten auf das Bild, wie es Cohn uns zeigt, hätte fallen müssen. Der Preis von 5 Mt. fommt unserem Wunsche, die Schrift viel ver= breitet zu sehen, entgegen.

Bruder, du schaffender Bruder

Von Kurt Klaeber  *

Bruder, du ſchaffender Bruder, Ich habe den бaß und das Leid, Das dir aus gramerfüllten Augen fah,

In Worte gezwungen,

Und was aus deinem Herzen und deiner Seele Und all den faufenden Rädern geklungen, Habe ich Tag für Tag in meine Seele geprägt. Bruder!

Und wenn man heute meine Seele in deine bände legt,

Dann glaube,

Das meine schaffende Kraft und mein junges бerz mit dir klingt und schlägt

Und mein Arm

Stein um Stein zu deinem beilgen Altar Trägt:

Dem Altar der Freiheit.

* Aus der Sammlung ,, Neue Saat", Gedichte von Kurt Alaeber, Volksbuch bandlung G. m. b. 5., Jena  , 1,50 lk.

Das Buch als Weihnachtsgeschenk

In wenigen Wochen ist wieder einmal Weihnachten. Wehmütig denkt man an die Weihnachtsfeste der Jahre vor 1914 zurück. Wenn es auch noch so sparsam herging, zu Weihnachten erübrigte doch schließlich jeder ein paar Groschen oder auch ein paar Mart, je nachdem man es sich leisten konnte, und kaufte nach langem Ueber­legen etwas, womit man seinen Angehörigen oder guten Freunden eine Freude machen wollte. Und dann gab es frohe und glückliche Gesichter zum Fest. Damals galt die Mark noch hundert Pfennige. Und für ein paar Mark gab es schon so manches Schöne. Das ist nun heute leider anders geworden. Der Geldwert unserer Mark ist auf ein paar eiende Pfennige gesunken. Und doch will man das Weihnachtsfest nicht ohne die Freude des Schenkens vorübergehen offen. Und das ist auch recht so, denn gerade in heutiger Zeit braucht man ein wenig Freude.

Da ist es gewiß am Blake, auf den Wert eines guten Buches als Weihnachtsgeschenk hinzuweisen. Ein Buch ist ein immer will kommenes Geschenk, und gute Bücher werden gute Freunde, deren man sich in stillen Stunden dankbar erinnert. Zudem sind gerade Bücher auch in jezigen Berhältnissen zum größten Teil immer noch erschwinglich. Unsere Parteibuchhandlungen in den größeren Städten haben stets eine Auswahl guter, lesenswerter Bücher. Da läßt sich gewiß für jeden etwas finden. Ein paar Empfehlungen werden aber sicherlich gut aufgenommen werden

Unterhaltungsliteratur.

Die Berlagsbuchhandlung Borwärts", Berlin  , Lindenstraße 3, hat fürzlich einen sehr guten Roman von Henny Lehmann. herausgegeben, Die Frauen aus dem Alten Staden Nr. 17". Preis schön gebunden 12,50 mt. Es ist eine Schilderung aus dem Leben von Proletarierfrauen in den Kriegsjahren. Henny Lehmann führt uns in die altersgraue Gasse einer kleineren Stadt und macht uns mit den Bewohnern zweier alter Häuser bekannt. Die Männer sind im Felde und die Frauen müssen sich, so gut es eben geht, durch die Nöte der Zeit hindurchfämpfen. Wie sie mit ihrem Schick­fal fertig werden, die eine so, die andere so, das läßt uns die Ber fasserin miterleben. Es ist viel Trauriges und Wehes in der Ge schichte, aber man muß lesen und verstehen. Die Bewohner des Alten Stadens Nr. 17 und 18 wird man so leicht nicht vergessen. Ein sehr gutes, ernstes Buch ist Untergang", ein Lebens fragment von A. M. de Jong, berechtigte Ueber­tragung aus dem Holländischen von Georg Gärtner  ; ein Roman im Form von Tagebuchaufzeichnungen. Es ist die Ge schichte eines Mannes, der sich mit seiner gutfituierten Familie überworfen hat und aus seinem Heimatlande, Holland  , geht, um fich in London   selbst eine Existenz zu gründen. Das erschütternde

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