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Die Gleichheit
,, falten", der empfindungslosen Frau feft. So erklärt sie, daß die große Anzahl Frauen, die in der sexuellen Gemeinschaft die Jeguelle Beglückung nicht erleben, nicht etwa franke oder degene rierte Frauen find, wie vielfach angenommen worden ist, sondern daß es sich hier nur um die natürliche Folge entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhänge handelt. Sie zeigt ferner an Hand logischer Folgerungen die Ursachen für den jetzigen Tiefstand des erotischen Lebens. Wir werden auf die Gefeßmäßigkeiten des Liebeslebens der Geschlechter hingewiesen und erhalten interessante und wichtige Aufschlüsse über den inneren Grund so mancher Enttäuschung im erotischen Leben. Die Verfasserin führt uns furz durch das traurige Gebiet der feguellen Abirrungen und Perversitäten und gibt ein flares Bild von beiden Geschlechtern, wie sie sind und warum fie so geworden sind. Ihr Ziel ist, den Weg zu weisen, auf dem die Menschheit aus dem Sumpf des niederen erotischen Trieblebens aufwärts steigen fann zu einer reineren, vergeistigten Form der Erotik. Das ist nur möglich durch eine Umgestaltung der sexualmoralischen Vorstellungen beim weiblichen Geschlecht selbst. Die Aufgabe, hier bessernd und veredelnd zu wirken, legt M. v. Kem nig in die Hände der Frau, und zwar der wertvollen, hochstehenden Frau, die die Ursachen des sexuellen Elends erkannt hat und ihren Einfluß auf den Mann dazu benutzt, in ihm den Sinn für die hohe Bedeutung der Erotik wieder zu wecken. Erotische Wiedergeburt ist für sie die Erziehung der Geschlechter für einander, das Aufwärtsstreben durch die Erotik. Im letzten Abschnitt des Buches, der„ Segualmoralisches Neuland" überschrieben ist, zeichnet die Verfasserin in wenigen Strichen das Bild einer Zukunft, in der die Erotik in ihrer höchsten, vergeistigten Form das ist, was sie dem Menschen sein soll: eine töftliche Bereicherung des Daseins, ein Liebesglück, das die Menschen aufrecht und freudig durchs Leben schreiten läßt.
Seguelle Belehrung.
Unsere Jugend muß bereits im Sinne des vorerwähnten Buches erzogen werden. Man muß in den Kindern die Ehrfurcht nicht allein vor der Fortpflanzung, sondern auch vor der Erotik felbft erziehen, und so, wie man die heranwachsende Jugend vor den Geschlechtskrankheiten bewahren will, soll man sie auch vor unzeitigen sexuellen Erlebnissen und vor demoralisierenden Einflüssen schüßen. Seguelle Erlebnisse haben die innigsten Beziehun gen zum gesamten Seelenleben, und gerade die ersten sexuellen Erlebnisse sind es, die bestimmend für das ganze spätere Leben Jein tönnen.
Es kann den Eltern nicht oft genug vor Augen geführt werden, wie notwendig es ist, mit den Kindern in liebevoller und verständnisvoller Weise rechtzeitig vom Geschlechtsleben zu sprechen. Unendlich viel Leid und Unglück könnte vermieden werden, wenn diese heilige Pflicht von Eltern nicht so oft versäumt werden würde. Nun ist es gewiß mitunter schwierig, das richtige Wort zu finden. Auch hier können Bücher gute Dienste tun. Im Nachfolgenden ist eine Anzahl Bücher aufgeführt, die sich mit der Frage der sexuellen Aufklärung des Kindes beschäftigen und den Vätern und Müttern so manchen guten Fingerzeig geben können.
„ Der Lebensquell", vom Dürerbund herausgegeben; ,, Bom Wunder des Lebens", von Gertrud Prellwig; „ Aus meinen vier Pfählen", von Heinrich Schulz; „ Die geschlechtliche Aufklärung in der Arbeiterfamilie", von Dr. Julian Marcuse;
„ Vom werdenden Leben", von Baul und Maria Krische; „ Die Doktorsfamilie im hohen Norden", von Agot Gjems- Sel mer , das im Anhang die sexuelle Erziehungsfrage sehr gut behandelt. Das letztere Buch ist ja gewiß etwas fromm, aber man fann ganz gut darüber hinwegsehen.
Alle diese Bücher und Schriften find in jeder Buchhandlung fäuflich. Sollten sie nicht vorrätig sein, so fönnen sie jederzeit beftellt werden. Ich hoffe mit dem Angeführten den Genossinnen Elli Radtke. beim Bücherkauf nüßlich sein zu fönnen.
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Mag Barthels ist den Leserinnen der Gleichheit" fein Fremder. Aus zahlreichen Veröffentlichungen in ihrer Zeitschrift werden sie den Dichter liebgewonnen haben und sich deshalb für seine Werke Interessieren.
Barthels wurde im Jahre 1893 in Loschwih b. Dresden als der Sohn eines Maurers geboren. Als junger Fabrikarbeiter schrieb er feine ersten Berse. Er durchwanderte Deutschland , Italien , Desterreich, Holland und lebte einige Monate in der Schweiz , bis ihn der Krieg in die Schüßengräben der Argonnen führte. Hier reiften seine ersten Gedichtbände:" Verse aus den Argonnen " und
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" Freiheit!"( beide erschienen bei Diederichs in Jena ; jetzt vergrif= fen). Nach der Revolutionszeit schloß er sich den„ Spartakisten " an, faß furze Zeit im Gefängnis und ist jetzt aus Rußland zurüc gekehrt. Seit der Revolution erschienen im ganzen sechs Bücher, in denen er die Ernte von bald einundeinhalb Jahrzehnten ge sammelt. Die Titel der Bücher heißen:„ Utopia"," Arbeiterseele" ( Berlag Diederichs, Jena ),„ Das Herz in erhobener Faust"," Die Faust. Eine Dichtung"( Berlag Kiepenheuer, Potsdam ), Lasset uns die Welt gewinnen"( Berlag Hoffmann u. Campe, Hamburg Berlin ) und Revolutionäre Gedichte"( Berlag der Kommunistis schen Jugendinternationale).
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Die kleine Sammlung Utopia" vereint Gedichte aus den Wanderjahren Barthels und aus der Revolutionszeit. Wer sich den Dichter zum Freund machen will, muß zunächst diese Samm lung lesen, da ihre Gedichte für die Art und Eigenart Barthels charakteristisch sind. Die Sammlung„ Arbeiterfeele" ist das eigentliche Bekenntnisbuch des Dichters. Hier finden wir Gedichte, die er als junger Fabrifarbeiter, auf der Wanderschaft, im Krieg, im Gefängnis und der Revolutionszeit geschrieben. Auch der Abschnitt des prächtigen Werkes, den er„ Das vielverliebte Herz" betitelt, vereint viele der schönsten Gedichte Barthels. Das Büchlein„ Das Herz in erhobener Faust" sammelt„ Balladen aus dem Gefängnis", die ein monotoner, aufpeitschender Rhythmus beschwingt. Die hundertseitige Sammlung Die Faust" enthält wieder ältere und neue Gedichte, die fast alle in den kurzen, wuch tigen Bierzeilern geschrieben sind, wie die Klage der Arbeiterfrau: ,, Das Leid zerfraß mir oft die Kehle, In bangem Schluchzen schrie der Leib: Auch ich hab Seele, Seele, Seele!
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Bin Mensch und nicht nur Weib und Weib!"
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In dem Büchlein„ Lasset uns die Welt gewinnen" schlägt Barthel wieder die zarten Töne des„ vielverliebten Herzens" an. Doch finden wir auch schöne Kampfverse in dieser Sammlung. Die ,, Revolutionären Gedichte" sind jetzt in zweiter, vermehrter Auflage erschienen: das 10. bis 20. Taufend! Diese hohe Auflage empfiehlt das Büchlein selbst; die neuen Gedichte in dieser Samm lung gehören zu dem Schönsten, das May Barthel geschaffen. W. Sch.
An alle, die Kinder beschenken!
Unsere Gaben sollen den Kindern dienen. Wir wollen sie nicht allein erfreuen, sondern auch fördern.
Wir wollen, daß die Kinder, die wir jetzt beschenken, einmal leichter atmen fönnen als wir.
Darum wählen wir mit Sorgfalt die Gaben, die wir in ihre Hände legen. Kann es nur wenig sein in dieser schweren Zeit, so wird dies wenige um so größere Wichtigkeit haben.
Die Kinder haben größere Freude an Dingen, die sie selbst entstehen lassen, als an fertigen Dingen. Darum schenken wir ihnen Arbeitsmaterial: Buntpapier, Plastilinafarbstifte und -fästen oder vertrauen Blumen und Tiere ihrer Pflege an.
Unter feinen Umständen aber schenken wir Abbilder der Dinge, die den Schrecken des Krieges wieder heraufbeschwören könnten. Keine Epielsoldaten, keine Uniformstücke, keine Waffen Ge wehre, Unterseeboote, Maschinengewehre als Spielzeug, feine Kriegsbücher auf den Gabentisch der Kinder!
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Nicht spielend sollen sie sich daran gewöhnen, mit Mordwerf zeugen umzugehen! Nicht spielend Freude am Vernichten lernen, nicht im Spiel schon von Feindschaft, Haß, Rache, Tod sprechen, als verstehe sich dies alles von selbst!
Durch die Hand der Mutter dürfen solche Geschenke am wenigsten gehen. Wie könnte sie im Spiel vorbereiten, was al schauerlicher Ernst sie und alle Mütter der Welt am schwersten trifft.
Gaben an unsere Kinder sollen den aufbauenden Kräften dienen. Keine Bücher, Bilder, Spielsachen, die zerstörende Triebe fördern, von Haß und Rache sprechen solche Dinge in der Kinderstube werden einstmals wiederum die Menschheit ins Ver derben stürzen.
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Luft an Pflege und gestaltender Tätigkeit mögen unsere Gaben erweden, nicht an Zerstörung und Vernichtung. Wer schenkt, trägt eine große Verantwortung!
Ihr alle, die ihr Kinder beschenkt, tragt mit euren Gaben dazu bei, daß die Liebe in der Welt vermehrt werde.