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Die Gleichheit

Nach einer sehr ausgiebigen Diskussion wurden die von der Ges noffin Arning vorgelegten Richtlinien für die Arbeiterwohlfahrts. pflege im Bezirk Niederrhein   einstimmig angenommen. Ebenso gelangten eine Resolution der Genoffin Junk- Düsseldorf auf Frei laffung der zur Zeit der Hungerkrawalle in Fürsorgeerziehung über­gebenen Jugendlichen sowie eine Resolution der Genoffin Strat mann- Neuß auf Abänderung des§ 218 und gegen die Ausnahme. behandlung der unehelichen Mutter einstimmig zur Annahme.

2. Stratmann.

Vor einiger Zeit hielt der sozialdemokratische Parteiverein zu Leipzig   eine Boltsversammlung ab, in der Genoffin Ryned über ,, Die Tätigkeit der Frau in Staat und Gemeinde und die Sozial­demokratie" sprach. Rednerin führte in flaren deutlichen Worten den Anwesenden vor Augen, wie von jeher die Frau nur in unter­geordneter Stellung im Verhältnis zum Manne gelebt habe, wie fic bis zum Ausbruch der Revolution jedes Rechts entbehrte. Man stelite früher die Frauen mit den Idioten auf eine Stufe, denn im Bürgerlichen Gesetzbuch ist festgelegt, daß Frauen und Idioten nicht wählen dürften. Von allen öffentlichen Arbeiten in den Gemeinden hielt man die Frauen fern. Erst im Jahre 1908 wurde der Grund­stein gelegt, daß auch die Frau am Wohle für die Aermsten der Armen mitarbeiten durfte, indem eine Kinderschuhkommission ge­gründet wurde. Bald waren die Frauen auch als Armen- und Waisenpflegerinnen tätig. Während des Krieges mußten nun die Frauen die Arbeit der Männer machen, und als sie eingesehen hatten, daß sie es fonnten, wollten sie sich auch nach dem Kriege nicht wieder rechtlos beiseite schieben lassen. Nun haben ja die Frauen das Wahlrecht, aber leider haben wegen der politischen Un­reife weiter Frauenfreise bis jetzt gerade die Bürgerlichen den größten Nutzen davon gehabt. Genossin Ryned schilderte dann furz, welchen Standpunkt die bürgerlichen Parteien bei der Be­ratung des Gesetzes für den Schuh der unehelichen Mutter und ihr Kind eingenommen haben, und wie sie sich zu der beantragten Abänderung der§§ 218, 219 StGB. stellen. Sie gab der Hoffnung Ausdruck, daß es dem Reichstag   recht bald gelingen möge, ein Gesetz durchzubringen, das die unterschiedliche Behandlung der un­ehelichen Kinder beseitigt. In furzen Ausführungen streifte Rednerin noch andere wichtige und notwendige Gesetze, so das Jugendwohl­fahrtsgesetz. Leider lasse es so lange auf sich warten. Man beabsich­tige von bürgerlicher Seite, die Arbeit so lange als möglich hinaus­zuziehen, damit die Fortschritte der kommunalen Fürsorge unter­bunden werden. Dies sei ein ganz besonderer Grund, unsere Ver­treter in den in Frage kommenden Körperschaften zu Berhand­lungen zu drängen. Ferner sprach Genoffin Ryned davon, daß den Frauen auch die Befähigung als Schöffen zu fungieren, ab­gesprochen wird. Sie führte einige Fälle an, in denen die Frauen ganz besonders als Schöffen geeignet wären. Selbst beim Jugend­gericht will man sich nicht bequemen, die Frauen zuzulaffen, obwohl gerade die Frau die Berufenste dazu wäre. Zu der Frage der Bulaffung von weiblichen Schöffen und Geschworenen haben die Frauen auf Grund des Beschlusses in Görlig eine Entschließung ge= faßt, die dem Reichstag vorgelegt werden wird. Auch die Wähl­barkeit der Frauen zu den Kaufmanns- und Gewerbegerichten ist von den bürgerlichen Parteien, einschließlich der Demokraten, ab­gelehnt worden. Auch von der so wichtigen Ernährungs- und Wohnungsfrage wurde gesprochen. Die jetzigen Zustände sind die Folgen der freien Wirtschaft, und hier zeigt sich die verderbliche Politik derjenigen Parteien, die nicht früh genug die freie Wirtschaft einführen konnten. Dann sprach Rednerin noch über die Aufgaben der Frau in der Gemeinde. Die Ausführungen gipfeiten darin, daß, wenn die Frauen einen Haushalt in der Familie führen, sie auch in der Lage sein müßten, einen Hausstand in der Gemeinde führen zu können. Genoffin Ryneck verstand den Ver­sammelten flar zu machen, wie gerade die Frauen und Haus­frauen die Wirtschaftspolitik in erster Linie zu fühlen bekommen. Darum müssen bei allen Wahlen genügend Bertreter der Sozial­demokratischen Partei in die Parlamente entsandt werden. An der Diskussion beteiligten sich die Genossin Elfriede Schön, Genoffe Hagen und Genossin Hoyer.

Wohlfahrtspflege

Rückblick auf schöne Ferientage.

M. H.

Gerade jeßt, in diefen nebelgrauen naßfalten Novembertagen ist es gut, an den schönen Sommer, an die goldenen Herbstwochen, an lachende spielende Kinder auf grünem Rasen zu denken. Eine Reihe von Berichten liegen uns vor, die mit frohen Worten die Wanderungen, die Ferienfahrten mit den Kindern, die sonst feine

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Gelegenheit zum Land- oder Seeaufenthalt hatten, schildern. Es ist eine alte liebe Pflicht unserer Parteigenofsinnen, gerade diesen Kindern sonnige Tage zu verschaffen, und sie lassen sich diese Pflicht auch jetzt, wo durch die Arbeiterwohlfahrt das Aufgabengebiet größer geworden ist, nicht nehmen. Ueberall im Lande, in Dit­preußen und in Bayern  , in der Pfalz  , in Oldenburg   und Holstein, in Rheinland- Westfalen  , in Berlin   und Schlesien   kommen die Kinder in Scharen, wenn es heißt: Die Ferienfahrten der Arbeiterschaft beginnen. In den meisten Fällen wurde von der Stadtver­waltung ein Geldbetrag bewilligt, hier und da wurde von den Parteigenossen gesammelt. Aus den Beständen der Auslandshilfe wurde Mehl, Kakao und Milch für den Zweck bewilligt. Kinder jubelten, wenn ihnen freundliche Frauen schneeweiße Brötchen und Kakao, einen Teller Suppe oder sonst etwas Nahr. haftes brachten.

Die

Ein großes Programm hatte der Ausschuß in Hannover   für die Sommer- und Herbstferien aufgestellt, und man sah ein luftige Kindergewimmel, wenn man die Sammelpläge und die Orte, wohi abmarschiert wurde, besuchte. Der Glanzpunkt war die Fahrt nac Hildesheim  . Die schöne alte Stadt wurde ihnen gezeigt, und di Hildesheimer   Genossinnen schafften ihren kleinen Gästen eine frohen Tag. Arbeiterjugend, Arbeiterturner sind fast immer dabe: Und die Kinder fragten, ob es in den Weihnachtsferien wieder hinausgeht.

Lachende Gesichter schauen uns auf den Bildern entgegen, die der Ausschuß in Mülheim   a. d. Ruhr eingeschickt hat, und die Zahlen sind nicht mehr trocken, sondern sie erzählen mancherlei, wenn es heißt, daß an dem ersten Ausflug 80 Kinder teilgenommen haben, beim zweiten kommen schon 130 und beim fünften Ausflug sind es 215 Kinder.

Die Hamburger erzählen von ihrem Ausschuß, daß er nach fünf Vierteljahren noch in den Kinderschuhen steckt, aber die sind von riesigem Format. Und mit diesen Riesenschuhen marschiert er. faum selbst fest organisiert, schon an der Spiße der Wohlfahrts organisationen Hamburgs. 700 erholungsbedürftige Kinder konnten auf das Land geschickt werden.

In dem kleinen erzgebirgifchen Städtchen Aue sammelte der rührige Ausschuß für Arbeiterwohlfahrt die Kinder, in 3 wid au wanderten sie zweimal wöchentlich ins Freie und den Abschluß machte ein großer Kinderspieltag in den Anlagen des Naturheil

vereins.

In Brake  ( Oldenburg  ) fand man eine andere Form der Kinder­versorgung während der Ferien. Etwa 150 kränkliche Kinder be. famen täglich 2 Liter Milch und ein gutes Butterbrot. Das wurde in den Herbstferien fortgefeßt. Der Ausschuß in Halle a. d. S. machte Ferienwanderungen, die so viel Freude machten, daß aus ihnen regelmäßige Spielabende wurden. Der Ausschuß in Halberstadt   hatte auch in diesem Jahre über 50 Kinder zum Teil in Heimen, zum Teil bei Parteigenossen auf dem Lande unter. bringen können. Ludwigshafener   Arbeiterkinder wurden zweimal für je vier Tage in dem Ferienheim der ,, Naturfreunde" bei Elmstein   untergebracht. Von da aus wurde gewandert. Auch die Nürnberger   Genossen wanderten mit den Kindern und launig erzählt der Bericht von einem Nachmittag, als die Kinder im Freien saßen und auf das Besperbrot warteten, wie da ganz plötzlich große Tropfen auf die blonden und die braunen Köpfe klatschten, und wie sie schreiend und lachend flüchten mußten, weil auch noch Blitz und Donner folgten. Drinnen aber gab es Knad wurst und schönes weißes Brot und kalten Tee! Wer fragte ba noch nach dem Gewitter!

In Berlin   hatte das Jugendamt die Sache in die Hand ge nommen und die Arbeiterwohlfahrt stellte Helfer und Helferinnen. Die Vorortbezirke machten zum Teil eigene Veranstaltungen. So sammelte Steglitz   zweimal wöchentlich die Kinder in dem hübschen Barfrestaurant Südende". Auch die Lantwiter Kinder waren dabei. Schokolade gab es und zwei schöne weiße Schrippen.

Das sind nur wenige Beispiele aus der Fülle der Ferienver­anstaltungen im letzten Sommer und Herbst. Mancherlei Arbeit und Mühe war dabei, aber Arbeit mit dem Ziel: Sonnenbraune Kindergesichter, lachende Augen und frohe Herzen zu schaffen. Das ist bei Tausenden von Kindern gelungen. Und mancher Gedanke wandert aus den grauen Tagen zurück zu den fröhlichen sonnigen J. H. Stunden.

Verantwortlich für die Rebattion: Frau Klara Bobm- Schuch. Druck: Vorwärts Buchdruckeret. Verlag: Buchhandlung Vorwärts Paul Singer G. m. b. S. fämtlich in Berlin   SW 68, Lindenstraße 3