236 Die Gl«i6>heit Nr. 24 gerung der Produttion. Die Gegner, der größte Teil der Re- gterungsvertreter und nahezu sämtliche Arbeitgedervertreter, hielten eine Regelung der Arbeitszeit in der Landwirtschast sür unmöglich. Ein großer Teil der Gegner in dieser Frage verhielt sich übrigens ablehnend in sast allen Fragen und stimmte höchstens einem allgemein gehaltenen Vorschlage zu. Die Konserenz begnügte sich denn auch damit, in den Fra   gen des Schutzes der in der Landwirtschast tätigen Arbests» träst« allgemein gehaltene Borschläge zu beschließen. Nur in zwei Fällen, nämlich bei den Forderungen des Verbots der Beschäftigung von schulpflichtigen Kindern während der Schulstunden und für die Förderung des landwirtschaftlichen beruflichen Unterrichts wählte man die Form eines Ueberein- tommens. Auch auf der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf  hat sich gezeigt, daß überall Forderungen aus Schutzgesetze für die Arbeitskräfte in der Landwirtschaft aus noch größe ren Widerstand stoßen als Schutzgesetze für die Arbeitsträste in gewerblichen Betrieben. Für die Verhandlungen der Landarbeiterfragen waren aus einer Reih« von Ländern weiblich« technische Ratgeber entsandt worden, aus Deutschland   ein weiblicher Regierungs- Vertreter und eine Vertreterin der Arbeitnehmer. Als ein ziges Land hatte Norwegen   eine Frau unter den vier stimm berechtigten Vertretern. Die Verhandlungen der Internationalen Arbeitskonferen- zen werden sehr erschwert durch die Vorschrift, daß als ofsi- zielle Kongreßsprachen nur Englisch   und Französisch gelten und überhaupt durch die Schwierigkeiten gegenseitigen Ver- pehens, die auf allen internationalen Zusammenkünften zu tage treten. Eine weitere Schwierigkeit für das Zustande kommen günstiger Beschlüsse ist das Ueberwiegen der Re gierungsvertreter und der Arbeitgeber, die, wenn sie geschlos sen stimmen wie dies auf der Konferenz häufig der Fall war drei Viertel aller Teilnehmer ausmachen. Trotzdem darf man den Wert dieser Konferenzen nicht unterschätzen, der weniger in seinen Beschlüssen liegt als darin, daß es Vertre tern aus zahlreichen Ländern und aus sämtlichen Erdteilen möglich ist, sich durch persönliches Jnverbindungtreten über den Stand des Arbeiterfchutzes und über die Gründe, die zu feiner Einführung Veranlassung gegeben haben, in ganz an derer Weise zu überzeugen, als es auf schriftlichem Wege Möglich ist. Die organisierte Arbeiterschaft setzt außerdem noch die Hoffnung auf die auf diesem Wege bessere Verbrei tung der Erkenntnis, daß die beste Garantie für wirksamen Arbeiterschutz eine festgefügte Organisation der Arbeitskräfte ist, die ganz naturgemäß die Arbeiter der Länder mit weniger entwickelter Arbeiterorganisation dahin bringen muß. auch in ihren Ländern auf«ins festere Organisierung der Arbeits kräfte hinzuarbeiten. Gertrud Hanna  . Besprecht das Parteiprogramm! Don Hedwig Wachenheim  Eine kämpfende Schar muß immer wieder auf die letzt- vergangenen Etappen des Kampfes, ihre letzten Erfolge und Mißerfolge, deren Ursachen und Wirkungen zurückblicken. ihre und des Feindes Stellung und Waffen mustern, um nach dem Ergebnis solcher Betrachtung ihren Feldzugsplan neu auszustellen. Das gilt auch für den Kampf mit friedlichen Wittein, den die Sozialdenwkratische Partei führt. Ihr neuer Feldzugsplan ist das Görlitzer Programm. Nun ist aber die Kampfesweise der Sozialdemokratischen Partei anders wie die der Weltkriegsheere. Kein kommandierender General   stellt Pläne auf. denen die Massen zu folgen haben. Der Kampf der Sozialdemokratischen Partei ist eine Gemein schaftsarbeit, die auf der Tätigkeit jedes einzelnen beruht: deshalb ist es notwendig, daß jeder einzelne die rück- urid vorwärtsschauende Betrachtung für sich anstellt, um sein« Tätigkeit überall, sei es innerhalb der Partei oder auf seinem Platz in Staat und Gefellschaft danach»inzustellen. Dabei soll ihm die Parteiorganisation behilflich sein. Das geschieht am besten an der Hand des neuen Programms, das ja von sozialistisch geschulten, führenden Parteigenossen als das Er gebnis ihrer Betrachtung der gegenwärtigen gesellschaftliche« Verhältnisfe, der Lage des Proletariats innerhalb der Ge sellschaft, des Staatslebens und der Soziatdemokratische« Partei aufgestellt worden ist. Daß solch« Betrachtung auch den weiblichen Mitgliedern ermöglicht werden soll, braucht im Rahmen dieser Zeitschrift kaum gejagt zu werden. Der besondere Zweck dieser Zeilen ist. den Genossinnen einige Richtlinien zur Behandlung des Programms zu geben. Sie sind bei einem Frauenkurfus über das neue Programm in Neukölln von mir angewandt worden. Bei der Behandlung des allgemeinen Teils des Görlitzer Pwgramms habe ich das Entwicklungsgeichichtlich« in den Lordergrund geschoben und gleichzeitig Anregungen gegeben zur weiteren Beschäftigung mit der sozialistischen   Literatur und der Parteigejchichte auf etwa folgender Grundlage: Der allgemeine Teil kennzeichnet die kapitalistisch« Wirtschaft, den Klassenkampf, den Weg der Sozialdemokratie zum Ziel und das Ziel selbst, den Sozialismus. In leichtverständlicher Welse und doch mit einer überwälti genden Plastik der Sprache schildert das Kommunistische Manifest den Beginn der Entwicklung kapitalistischer Wirt schast. des Zeitalters der Herrschaft der Bourgeoisie, de» Bürgertums.(1. Bourgeois und Proletarier, Abs. 1 27.) Die hochinduftrielle Entwicklung in Deutschland   mit ihren großindustriellen Monopolen und ihrer Herrschaft des Fi nanzkapitals setzt allerdings erst nach dem Entstehen des Kommunistischen Manifestes(1847/1848) ein. Das Erfurter Programm, entstanden 1891, als nach dem Fall des Sozia listengesetzes das Gothaer Einigungsprogramm von 1874 durch neue Richtlinien für den politischen Kamps ersetzt wer den mußte, weist auf die neue wirtschaftliche Entwicklung, die Versilzung des Großkapitals hin, durch die immer mehr, trotz des riesenhaften Wachstums der Produktivität der menschlichen Arbeit die Vorteile der wirtschaftlichen Entwick lung nur Großkapitalistcn und Großgrundbesitzern zugute kommen. Für die anderen Schichten bedeutet diese Entwick lung wachsende Zunahme der Unsicherheit ihrer Existenz» ihres Elends, ihrer Ausbeutung und Unterdrückung. Die Grundlage dieses Zustandes ist das Privateigentum an Pro duktionsmitteln, das den wirtschaftlichen Verhältnisien und damit der gesamten Gesellschaft seinen Stempel ausdrückt. Es ist, wie Marx im Borwort zurPolitischen Oekonomie  " sagt:In der gesellschafUichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen un abhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktiv kräfte entspreche». Die Gesamtheit dieser Produktionsoer- Hältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Ueber- bau erhebt, und. welcher bestimmte gesellschaftliche Bewußt- seinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des mate riellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewußtsein der Menschen, das Sein, sondern umgekehrt ihr gesellfchast' liches Sein, das ihr Bewußtsein formt." Der Weltkrieg hat die Schäden der kapitalistischen   Wirt- fchaft noch verschärft. Das Kapitaleinkommen hat Schritt ge halten mit der Teuerung aller Lebensmittel, ja sie zum Teil übertroffen. Nicht Schritt gehalten hat dagegen das Arbeits einkommen der Arbeiter. Angestellten. Beamten. Angehörigen der freien Berufe. Neben der Berbbarsung der BertrustuN- gen und Monopolisierungen treteil ganz neue Formen indu strieller Angliederuugen und Verschmelzungen auf, die die Produktion von den Rohstoffen, aus denen das Produkt ent steht und die beim Vorgang seiner Herstellung gebraucht wer den, wie Kohle und Eisen für Maschinen, in eine Hand bria«