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Die Gleich beit

Das Diadem

Von Karl Henckell

Wer je erwählt den innern Thron der Dinge, Des Menfchenherzens majestätisch Gut, Und wahrte klar den Geiſt vor Uebermut, Daß er in falichem Wahn fich nicht verfinge- Er wird getragen frei auf fichrer Schwinge, Die er fich felber Schuf, ob Wind und Flut, Geborgen fchwebt er in der höchften but, Gleichwie gehalten von dem Ring der Ringe. In diefes Daleins rohen Stofflichkeiten, Wo oft als edel das Gemeine gilt,

Der hohle Tropf von Dünkel überquillt Und Larven keck in бermelinen schreiten, Ward ihm, zu überwinden Schmach und Leben, Das Diadem der feltnen Kraft gegeben.

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Drittels des Reichsnotopfers verzichtet, so ist das eine Jrre­führung, deren sich die Sẞ. aus agitatorischen Gründen schuldig macht. Das Reichsnotopfer ist in das Ber. mögenssteuergeset hineingearbeitet worden. Unserer Fraktion ist es dagegen gelungen, die beabsichtigte Erhöhung der Umsatzsteuer von 22 auf 2 Proz. herunterzudrücken. Ferner ist die Zuckersteuer mit 50 Mt. anstatt wie beab fichtigt mit 100 Mt. pro Doppelzentner angesetzt worden. Selbstverständlich hat die Sozialdemokratie das ganze Rompromiß nicht leichten Herzens geschlossen. Sie war sich vollkommen flar darüber, daß jede neue Abgabenerhöhung eine sehr starke Belastung des einzelnen darstellt. Sie ist diesen Weg aber gegangen, weil es einen anderen nicht gibt. Wir müssen Mittel und Wege finden, unsere Schulden abzutragen, die wir durch den verlorenen Krieg aufgepackt bekommen haben, und können uns dafür bei denen bedanken, die es zu dem Kriege haben kommen lassen. Heute fönnen wir nichts weiter tun, als für die arbeitende Ber völkerung soviel wie möglich herauszuschlagen, für sie zu retten, was zu retten ist. Das kann man aber nur erreichen durch praktische Mitarbeit, durch zähen Kampf um jeden Borteil. Wir können es uns unter den jezigen Verhältnissen nicht leisten, nur Agitationspolitik zu treiben, wie es die Unabhängigen tun. Mit ihrem in Leipzig gefaßten Beschluß fommen fie für praktische Arbeit überhaupt nicht in Betracht. Es ist freilich leichter, an allem, was in mühsamer Arbeit ge­schaffen wird, verneinende Kritik zu üben, als selbst mitzu arbeiten. Hätten die linabhängigen die bittere Notwendigkeitschaft zu Einfluß und Macht zu führen im Staats- und Birt ihrer Mitarbeit eingesehen und danach gehandelt, so wäre es gewiß nicht zu den skandalösen Vorgängen gekommen, die sich die Deutsche Volkspartei geleistet hat.

Diese Partei, die zusammen mit den Deutschnationalen immer recht laut von ihrer ganz besonderen Vaterlandsliebe spricht, hat es nämlich fertig gebracht, die zwischen ihr und den anderen Parteien zum Wohle des Landes getroffenen Bereinbarungen nach zwei Tagen umzustoßen, ihre einmal gegebenen Zusagen unter durchsichtigen Borwänden zurück­zuziehen und so das mühsam zusammengebrachte Kompromiß zu gefährden, ja vielleicht unmöglich zu machen. Zum Vor­wand diente ihr die Tatsache der Ernennung Dr. Ra then aus, der der Deutschen Bolkspartei äußerst mißliebig ist, zum Außenminister. Deutlich hat sich dabei heraus­gestellt, daß es dieser Partei bei ihrer Mitarbeit an dem Steuerkompromiß nur darum zu tun war, sich selbst in die wichtigsten Ministerposten zu setzen und damit die Führung der Politik der nächsten Zeit an sich zu reißen. Daß dann auf Erfüllung der gegebenen Zusagen in der Steuerpolitit zu rechnen ist, wird wohl niemand glauben, besonders nicht nach den soeben gemachten Erfahrungen. Sabotage der 3wangsanleihe, Sabotage der Steuerzahlung der Besitzenden wäre die Folge. Einzig und allein der Arbeitnehmer trüge die Lasten, und die von der Entente geforderte Ordnung des Staatshaushalts wäre unmöglich.

Wie sich die weiteren Verhandlungen um das Steuer fompromiß im Reichstag entwickeln werden, läßt sich zurzeit, da diese Zeilen in Drud gehen, noch nicht sagen. Unsfer Organ, die Gleichheit", muß leider immer ungefähr zehn Tage vor dem Erscheinungstag druckfertig gemacht werden, damit Zeit für die Expedition gewonnen wird. Bis zum Er. scheinen dieser Nummer wird sich die Situation aller Bor­aussicht nach sehr geändert haben. Das eine aber ist gewiß: Wenn sich die Unabhängigen nicht doch noch besinnen und burch tätige Mitarbeit die Front gegen die Machtgelüfte der Deatschen Volkspartei stärken, stehen uns sowohl inner wie außenpolitsch die schwersten Erschütterungen bevor. In den ersten Märztagen soll die Konferenz in Genua stattfinden. Wir brauchen dazu mehr als je eine feste, flare Linien führung in unserer Politik, die durch Regierungsneubildung und Reichstagsneubildung nicht aus dem Gleis gebracht werden darf.

Luise Zietz zum Gedächtnis*

Bon Clara Bohm- Schuch

In den frühen Morgenstunden des 27. Januar ist Lutse Zietz ihrem schweren, jahrelangen Leiden erlegen. Wie fie diese Krankheit zwang, wie der starte Wille immer wieder die Herrschaft über den siechen Körper davontrug, das kenn zeichnet das Wesen dieser unbeugsamen Frau. Solange fie lebte, schaffte fie; der Tod nur fonnte sie zur Ruhe zwingen. Mit der Arbeit war sie unlöslich verbunden; die Arbeiter

schaftsleben war ihr Ziel. Im Proletariat wurzelte ihre starte Persönlichkeit, aus diesem Boden sprang der Quell ihrer Kraft. Sie fühlte nicht nur alle Nöte und Leiden der Menschheit in bem buchstäblichen Kampf ums tägliche Brot, sondern sie kannte sie. Sie wußte, wie die feinen Flügelschläge der Seele zerbrochen werden von den Alltags­sorgen eines Proletarierlebens, fie mußte um die heiße Sehn sucht nach Wissen und Kultur, die Taufende junger Arbeiter finder durchglutet und die zerfallen muß im Lärm der Ma­schinen, in der Mühseligkeit des grauen Werktages. Aus dem Erleben tam bei Luise Zieh der Wille nach und zur Er lösung; darum konnte sie so vielen zur Befreierin werden. Ihr Weg führte steil und mühselig hinauf, viel Hindernisse waren zu überwinden, und daß dabei ihr Wesen oft hart und rauh werden mußte, verstehen wir alle, die die Schroffen und Schrunden des politischen Kampfes im eigenen Wesen tragen. Was mich am stärksten mit dieser Frau verband, war ihr Klassenbewußtsein, ihr stolzes Zusammengehörig. feitsgefühl mit der Arbeiterschaft und, hieraus entspringend, die innere Trennungslinie zur bürgerlichen Frauenbewegung. Sie war sich ohne Zögern und Schwanken in dieser Richtung ihres Weges bewußt, und diese innere Sicherheit und Ent schiedenheit gab ihren Reden sowohl wie ihren Schriften die Bolkstümlichkeit und die begeisternde Kraft, durch die sie wirkten. Auch da, wo sie mit außerordentlichem Fleiß an sich trockenes Material zusammentrug, verstand sie es so mit heißem lebendigen Atem zu durchdringen, daß es die Frauen packte. Ihre Broschüre über den Mutter- und Säuglings schutz, über den Kinderschuß, Die Frauen und der politische Kampf", ganz besonders aber die kleinen Agitationsschriften: Gehörst du zu uns?" und Bist du eine der unsrigen?" waren uns wertvolle Hilfen bei der Gewinnung der Frauen für den Sozialismus.

Viele von unseren Genofsinnen, die heute an führender Stelle in unserer Partei stehen, sind durch die Schule von Luise gegangen; die sozialistischen Frauen in ihrer Gesamt heit sind ihr zu großem Dant verpflichtet. Im Kriege trennte sich ihr Weg von unserer Partei, und wenn sie uns leiden schaftlich bekämpfte, so wollen wir ihr nicht vergessen, daß dies gerade aus ihrer Liebe zur gemeinsamen Sache der Arbeiterschaft entsprang. Wir halten die Politik der Unab

* Dem Borwärts" vom 2. Februar entnommen,