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Die Gleich beit

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worden ist, daß die Betreffende Mutter eines unehelichen Kindes ist. Erst kürzlich ist wieder auf dem Berliner Fern Sprechamt eine seit drei Jahren beschäftigte Krieger­witwe von der Bewerberliste für Beamtinnen gestrichen worden, weil man herausgefunden hat, daß ihr Kind im Jahre 1915 geboren ist, während die Eheschließung mit dem im Felde stehenden Vater erst 1917 erfolgt ist. Inzwischen ist zwar die Streichung rückgängig gemacht worden, doch muß eine Gewähr dafür gegeben werden, daß sich derartige Fälle nicht wiederholen können. Der bekannte Verband der deutschen Reichspost- und Telegraphenbeamtinnen jedenfalls fieht es für seine Pflicht an, dem obigen im Hauptausschuß gefaßten Beschluß mit allen Mitteln entgegenzuarbeiten. Der ,, Borwärts" veröffentlichte fürzlich zwei Briefe des genann ten Verbandes, in denen es wörtlich heißt: Wir müssen da. her alle Kraft daransezen, im Reichstag eine Mehrheit für unsere Auffassung, also für Ablehnung solches An­trages zu erzielen."

auch die des Wanderns. Die wandernden Handwerksburschen, oder nicht befördert worden, weil irgendwie bekannt ge­losgelöst von der glanzvollen Ueberlieferung des mittelalter­lichen Gewerbes und noch nicht feftwurzelnd in einer neuen Wirtschaftsepoche. waren das Element, in dem die neuen fozialen Lehren von der Gemeinschaft ihre ersten, wenn auch spärlichen Anhänger fanden. Deutsche Handwerker, die ins Ausland gingen, fanden rt eine andere geistige Welt, sie fanden auch die großen jozialen Lehrsysteme, von denen wir oben sprachen. Und sie bildeten in ihrer Art das eben Gelernte weiter fort, paßten es ihren Verhältnissen und An­schauungen an und trugen es dann als neue Ideenwelt mit fich, auch wenn sie wieder heimwärts ihre Schritte setzten. So kamen die ersten sozialistischen Apostel nach Deutsch land. Es war ein deutscher Schneidergeselle, der sich unter Jenen ,, utopischen Sozialisten" einen Namen gemacht hat, lange bevor von einer wirklich sozialistischen Arbeiterbewegung in heutigem Sinne geredet werden konnte. Wilhelm Weitling , aus Magdeburg gebürtig, hatte in Paris die neuen Lehren aufgenommen und sie ins Deutsche übersetzt, nicht allein der Sprache, vielmehr noch dem Geifte nach. Er hatte sie weiter entwickelt in seinen Schriften und bald eine große Gemeinde treuer Gesinnungsfreunde gesammelt, die in dem Bund der Gerechten" sich geheim zusammenfanden und für die Verbreitung dieser Lehren sorgten.

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Der Handwerksburschenkommunismus" war longe Zeit. bas Ideal der kleinen Zahl von deutschen Arbeitern, die über thre Tage hinaus dachten.

Es wird also nötig sein, der von unseren Genossen ein. gebrachten Entschließung den nötigen Nachdruck zu verleihen, um endlich einmal die amtliche Heze gegen uneheliche Mütter zu unterbinden.

Zur Frage der Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten

In der vorigen Nummer der Gleichheit" veröffentlichten wir den Brief eines parteigenössischen, seit langem auf dem Gebiete der Bevölkerungspolitik arbeitenden Abgeordneten an einen Genossen,

Der Kampf gegen die uneheliche Mutter der Chef einer großen Polizelverwaltung iſt. Heute liegt uns die

Im Hauptausschuß des Reichstages wurde eine Ent schließung unserer Genossen angenommen, wonach für weib­liche Beamte und Hilfskräfte die uneheliche Mutter. schaft ein Grund zur Entlassung oder zur Anstrengung eines Disziplinarverfahrens nicht sein kann. Auch die Be­förderung einer Hilfskraft zur Beamtin darf aus diesem Grunde nicht abgelehnt werden. Wie erinnerlich, sind verschiedentlich Beamtinnen und Hilfskräfte bei der Post und auch bei anderen Behörden aus dem Dienst entlassen

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Feuilleton

Er iſt's!

Frühling läßt fein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.

Veilchen träumen schon,

Wollen balde kommen!

Horch , von fern ein leifer бarfenton!

Frühling, ja du bift's,

Dich hab ich vernommen!

Das Schrecklichste

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Eduard Mörike .

Ein Kapitel aus Spießbürgerhausen von P. Haupt

Ma an flatschte und flagte zwar über die Berderbnis der heutigen Welt, man trug die Kunde mit allen Anzeichen sittlicher Ent­rüftung von Haus zu Haus, man besprach und verdammte den Fall zwar eingehend in allen Kaffeegesellschaften, aber schließlich nahm man es nicht so schwer. Mein Gott, man hatte ja ähnliche Fälle schon des öfteren erlebt. Nur, daß

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Ja, nicht daß die dreißigjährige Witwe ein Berhältnis" hatte, nahm man thr übel, nicht daß dieses Verhältnis" in der Nacht bei thr blieb, mehr schon, daß sie auch am hellichten Tage miteinander ausgingen. Daß sie aber die Folgen des Umganges ausreifen ließ, bas. war zu viel. Zum mindesten war es doch sehr dumm-

Man beruhigte sich, mit verständnisvollem Augenzwinkern, als bie Frau in die Sommerfrische" fuhr. Man fannte das, und ver­fchiedene liebwerte Spießbürgerinnen, die sich schuldbewußt an ähn

Antwort des letzteren und die darauf folgende Erwiderung vor. Der ganze Briefwechsel erörtert die in Betracht kommenden Gesichts. punkte bei der Behandlung der Fragen: Prostitution und Geschlechts­frankheiten so fachlich und gründlich, daß wir auch die beiden Ant­wortbriefe unseren Genosfinnen zur Kenntnis bringen möchten.

Lieber Doktor!

.... In der Bordellfrage weicht meine persönliche Ansicht von der Ihrigen ab. Das ist aber nicht erst seit meiner jetzigen Amts. führung der Fall, sie ist durch diese nur bestätigt worden. Wenn

liches Selbsterlebtes erinnerten, waren heimlich sogar froh, daß sich die Schar ihrer Schicksalsgenossinnen um eine vermehrt hatte.

Man war über die ganze Angelegenheit wie über ein ganz nettes Sensatiönchen in der kleinstädtischen Langeweile zur Tagesordnung übergegangen, als das Unglaubliche geschah: die junge Witwe fam zurück, und nicht allein Am hellen Tage war sie mit einem weißen Bündel im Arm vom Bahnhof zu ihrer Wohnung gefahren, am hellen Lage, man denke! Das war noch nicht dagewesen.

Als vierzehn Tage später bei dem alljährlichen Sommerfest ganz Spießbürgerhausen sich traf, waren die Freundinnen der jungen Mutter sich noch nicht darüber einig, wie sie sich ihr gegenüber ver halten sollten. In Spannung und Erregung standen sie bet sammen und erwarteten die Ankunft der besten" Freundin, die zu der Witwe gegangen war, um ein ernstes Wort mit der Un geratenen" zu sprechen.

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Diese hatte die Witwe ausgangbereit angetroffen. Aber auch das na ja, eben das schien zum Mitnehmen fertig gemacht zu sein. Froh, endlich eine ihrer Bekannten wiederzusehen und gleichzeitig gemillt, sich freie Bahn zu schaffen, lenkte fich das Ge. spräch auf das Kind. Die beste Freundin drückte sich verlegen herum und platzte schließlich heraus: ,, Du wolltest mit Deinem-

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dem Kleinen ausgehen?". ,, Aber natürlich, das muß doch auch an die Luft," trotte die Mutter.

Ja, mein Gott, willst Du es denn bei Dir behalten?" ,, Ist es bei mir nicht am besten aufgehoben? Meine Nachbarn fagen auch, es ist ein ganz reizender Bengel." ,, Aber Hilde- somas

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das tut man doch höchstens, aber spricht nicht davon und noch viel weniger Du machst Dich doch unmöglich, wenn Du das Dein-- es bei Dir behältst." Soll ich es weggeben zu irgendeiner schmutzigen Wirtin, die teuer ist und bei der das Kind keine Mutterliebe hat? Uebrigens heiraten wir in einem Jahr, wenn mein Berlobter fest angestellt ist."