Nr. 8

Die Gleich beit

Rom beherrschten Boltes, und der römischen Sklaven, Arbeiter und Soldaten verweisen. Aber die Religion, nicht der reine Gottes­glauben des einzelnen, sondern der gesellschaftliche Ausdruck, den dieser in der Religion findet, ist eben abhängig von den gesell. schaftlichen Verhältnissen. In den Jahrhunderten, die uns von ben Unterdrückten Roms trennen, ist das Christentum Staats­religion, Religion der Unterdrüder geworden, in dieser Zeit hat es sich geformt. Und dieses Christentum ist es, was die Kirche heute lehrt. Gewiß ist es ein Borläufer des Sozialismus, nicht nur in ein. zelnen Lehren, sondern auch im Gedanken das persönlichste Leben mit der Gemeinschaft zu verbirden, indem es alles Innere vor die unsichtbare Kirche, vor Gott stellt. Simmel, der das anführt, weist aber gleichzeitig auch darauf hin, daß dieser Gedanke fragmen. tarisch"( Stüdwerk) blieb. Er mußte es bleiben, weil die gesell. schaftlichen Verhältnisse gegen die äußere Gemeinschaft aller Men schen war, und auf der Basis der äußeren Gemeinschaft tann erst bie innere wachsen.

Und gerade daran, an der Bedeutung der äußeren Gestaltung für die innere der Mensch­heit, geht das Christentum vorbei. Aus dem welt­lichen Zukunftsglauben der Juden und des Urchristentums ist durch die Nichterfüllung der Jenseitsglaube des heutigen Christentums geworden. Das Diesseits ist nur ein Durchgang, nur der Weg der Erprobung. Daraus hat sich eine völlige Verleugnung des Dies. feits ergeben. Was wir hier tun, geschieht nur für das Dort. Und so gibt das Christentum heute uns für unser Streben auf der Welt, für unseren Willen, fie und mit ihr uns zu formen, feinen Mittelpunkt, von dem wir ausgehen, fein Gehäuse, in dem wir mit diesem Streben und Wollen daheim find. Max Weber hat hier aber auch gezeigt, wie diese Diesseitsverleugnung besonders im Puritanismus zur Mechanisierung und Rationalisierung des Daseins und damit zur Entfeelung der Arbeit und schließlich zur Entwicklung des modernen Kapitalismus beigetragen hat. Und ebenso ist in dieser Diesseitsverleugnung beschlossen der nüchterne Gehorsam des Untertans gegen den Staat.

Und darum ist die Frage, die hier zu stellen ist, für den Sozialisten: Sollen die Gottgläubigen unter uns Sozialisten in der Kirche bleiben, um bem Gedanken der Diesseitsgestaltung, als wahren religiösen Lebens, zum Durchbruch zu verhelfen?

Es kam mir darauf an, die Frage überhaupt erst einmal so zu stellen, wie sie meiner Meinung nach allein dem Problem gerecht wird.

Ich würde als Antwort geben: Die Aufgabe, wie ich sie gestellt

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Feuilleton

Zur Oſterzeit

Ift das ein Oitern! Schnee und Eis Bielt noch die Erde felt umfangen; Froftichauernd find am Weidenreis Die Palmenkätzchen aufgegangen.

Veritohlen durch den Wolkenflor Blitzt hie und da ein Sonnenfunken Es war, als fei in Weihnachtstraum Die fchlummermüde Welt verfunken.

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Es war, als follten nimmermehr

Ins blaue Meer die Seegel gehen,- Im Park ertönen Finkenschlag, Und Veilchenduft das Tal durchwehen.

Und dennoch, Seele, lei gewiß:

Wie eng fich auch die Feffeln fchlingen,

Es wird der Lenz, das Sonnenkind, Dem Schoß der Erde sich entringen.

Dann finkt dahin wie Пebelflor

Auch all dein Weh und deine Sorgen,

Und veilchenäugig lacht dich an

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Ein goldner Auferstehungsmorgen! Klara Müller- Jahnke .

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habe, würde eine Anteilnahme am kirchlichen Leben verlangen, die weit über das hinausgeht, was für Demokratisierung der Kirche genügt und die den ganzen Menschen, der sich ihr widmet, in An. spruch nimmt. Würden das viele von uns auf sich nehmen, so würde es eine ungeheure 3ersplitterung unserer Bewegung be. deuten. Ich glaube, wir sollten alles, was wir in uns tragen, zur Formung neuen Lebens in die sozialistische Bewegung münden lassen, hier unsere Kraft ausschütten, hier die Früchte pflegen. In einer Gemein­schaft, die dasselbe will wie wir, stärten wir in ihr und uns Kraft und Willen. Denn die sozialistische Bewegung, die Sozialdemokratische Partei , ist immer viel mehr gewesen als eine politische Partei. Sie ist politische Partei, weil zur Wegbereitung des letzten, höchsten Menschlichen die Politik und die Gestaltung des Wirtschaftslebens unerläßlia) ist. Aber sie ist vor allem die Gemeinschaft berer, die das Schlechte der Welt überwinden und die Menschheit ihrer wahren Bestimmung zuführen wollen. Ihr gehört deshalb ungeteilt unsere Kraft.

Im Sozialismus fönnen wir die Stätte finden, da unser Wünschen und Sehnen eine Heimat hat. Sozialismus ist Menschheitsgestaltung und beantwortet uns deshalb die Fragen unseres persönlichen Lebens, unserer Pflichten, Leiden und Freuden. Das alles ist in der heutigen Bewegung noch nicht offenbar. Wir müssen es noch herausbilden. Das halte ich für die Aufgabe der jenigen, die fühlen, daß über der Tagesarbeit und dem Tageserleben ein höchstes und Lehtes steht. Hedwig Wachenheim .

Die Weiterbeschäftigung verheirateter Lehrerinnen

Der preußische Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung hat im Januar bestimmt, daß den an öffentlichen Schulen endgültig angestellten verheirateten Lehrerinnen einstweilen nicht ge. kündigt werden darf. Diese Verfügung hat ihre Borgeschichte. In Artikel 128 Absatz 2 der Reichsverfassung ist bestimmt worden: ,, Alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte werden beseitigt." Folgt daraus, daß jede Lehrerin, welche sich verheiratet, das Recht hat, im Amt zu bleiben? Klarer wäre es, wenn es hieße: Sie sind beseitigt. Dann wäre die Bestimmung nicht nur eine Richtlinie für den Gesetzgeber, sondern sofort aktuelles Recht. Da die Ausnahmebestimmungen aber erst beseitigt werden

Neues Leben

Von Wilh. Lennemann

r. Korn faß in seinem Arbeitszimmer am Schreibtisch. Doch las er nicht und schrieb auch nicht. Er sah starr und ver funten auf eine Photographie, die in einem schmalen Rahmen auf der Schreibunterlage stand.

Es war das Bild seiner ersten Frau. Ein Jahr nur halte er glücklich an ihrer Seite gelebt, da war sie von einer tückischen Lungenentzündung in wenigen Tagen dahingerafft worden.

Zehn Jahre hatte er getrauert. Er hatte den Verlust nicht ver winden können. Der Gedanke allein, eine zweite Ehe einzugehen, war ihm schon wie eine Untreue erschienen.

Und doch war es geschehen. Als er seine jezige Frau kennen gelernt, war ein Seltsames in ihm wach geworden, eine dunkle Freude und ein startes, quellendes Lebensgefühl. Eine wunder. bare feelische Unterströmung hatte von ihm Befiß ergriffen und ihn allmählich ganz erfüllt Wie in einem wirren, seligen Rausche hatte er Wochen und Monde gelebt. Und dann geheiratet. Und dann dann war aus einer vergessenen Tiefe ein altes, liebes Bild aufgestiegen und hatte ihn reh und anklagend angeschaut. Und sein Gewissen formte wieder Worte, und Zweifel und Scham fraßen an seinem Herzen.

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Und doch war er seiner jetzigen Frau zugetan mit der ganzen Inbrunst einer restlosen, aufrichtigen Hingabe. Alle quälenden Nöte versanten, und alle fragenden und beunruhigenden Stimmen schwiegen in ihrer Nähe.

Aber in Stunden der Ruhe und Stille wurde es dann wieder in ihm schmerzlich lebendig, bohrte und nagte und trieb ihn immer tiefer in die Wirren seiner zwiefachen Liebe, daß er keinen Aus. weg fand.

Friß, ich bringe dir dein Frühstück!"