Nr. 11

Die Gleich beit

Vom Werden der Partei

Von Franz Klühs  

V. Der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein  Unter liberaler Führung hatte eine Anzahl deutscher   Ar­beiter im Jahre 1862 die Weltausstellung in London   besucht. Nach ihrer Heimkehr wurde in Versammlungen, in denen sie über ihre Eindrücke berichteten, der Gedanke eines Allg meinen Deutschen   Arbeiterkongresses erörtert und ein Berliner   Komitee mit den Vorarbeiten beauftragt. Als jedoch der erste Aufruf zur Beschickung des Kongresses erschien, fühlte sich die Fortschrittspartei durch die Veranstaltung in ihren Kreisen gestört. Auf ihr Betreiben wurde denn auch zunächst die Einberufung des Arbeitertages verschoben.

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In Leipzig   war inzwischen in dem Arbeiterbildungsverein, in dessen Vorstand u. a. der junge Drechsler August Bebel  saß, eine Spaltung eingetreten. Einige radikale Arbeiter, die von dem Weitlingschen Gleichheitskommunismus begeistert waren, hatten sich von dem Arbeiterbildungsverein gelöst und einen eigenen Verein unter dem Namen Vorwärts" ins Leben gerufen. Zu den Ausgeschiedenen zählten u. a. der junge Schuhmacher Julius Vahlte ich, der Zigarren macher F. B. Frische und der Chemiker Otto Dam­mert. Der Gedanke des Arbeitertages, auf dem u. a. die Frage der Freizügigkeit für alle Arbeiter und die Schaffung von Genossenschaften( oder Assoziationen, wie man damals fagte) für Kranken- und Invalidenversicherung besprochen werden sollte, hatte in Leipzig   schnell Wurzel gefaßt und eine von Mitgliedern der beiden Vereine besuchte Arbeiterver fammlung beschloß, eine Delegation nach Berlin   zu senden, um mit den dortigen Fortschrittsführern und mit den Ber­ liner   Arbeitern Fühlung zu nehmen. Bahlteich, Fritsche und Dammert wurden mit dieser Mission betraut. Durch den demokratischen Kaufmann, späteren Fabrikanten Ludwig Löwe   wurden sie insbesondere auf Lassalle   aufmerksam ge­macht, dessen Arbeiterprogramm" schon von dem Leipziger Verein Vorwärts" als Propagandaschrift verbreitet worden war. In einer Unterredung, die mit Lassalle   stattfand, wurde der Plan entworfen, wie Lassalle   den allgemeinen Arbeiter­tag mit seinen Ideen beeinflussen könne.

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Feuilleton Pfingſtſchauen

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Пun wogt das Goldlicht über Feld und Bäumen, Die Zweige duften und die бalme beben. Wie keimt und glüht, wie fingt und lacht das Leben, Das geſtern noch in dunklen Winterträumen! Die weißen Birken, wie den Weg fie fäumen Mit ihrer Häupter grünen Laubgeweben, Und hinter roten Ziegeldächern heben Sich Bügelgärten, die von Blüten fchäumen.

Das ift der Frühling! Und du stehit wie trunken Vor all dem Werden und mußt wandern, wandern Durch diefen Tag, der reiche бoffnung spinnt.

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Der Abend kommt... Dann denkit du wohl verfunken Der andern Keime alle, ach, der andern, Die lange vor der Zeit erfroren find.

Die Sternenfrau

Ernit Preczang.

Einem indianischen Märchen nacherzählt von Friß Zielesch V or langer, langer Zeit, als die Indianer noch die Prärien und Wälder Amerikas   durchstreiften, lebte ein junger furchtloser Jäger, der hieß Wupi, der Weiße Falke. Nie verfehlte sein Bogen das Ziel, und sein Auge wer so sharf, daß es den vorüberstreichen­den Wind eripähte.

An einem Frühlingstage war Wupi auf die Wildentenjagd ge gangen. Als er heimkam, standen schon die fiimmernden Sterne

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Auf die schriftliche Aufforderung antwortete Lassalle mit dem Offenen Antwortschreiben", das schon er­wähnt wurde. In ihm zeigt Lassalle   auss neue die geschicht­liche Mission der Arbeiterklasse in der modernen Gesellschaft und kommt zu dem Schluß, den Arbeitern zu empfehlen, sich als eine selbständige politische Partei zu organi sieren in einem Allgemeinen deutschen Arbeiterverein  " und als seine wichtigste politische Forderung das allgemeine und direkte Wahlrecht aufzustellen. Die Notlage der Arbeiter in der kapitalistischen   Gesellschaft sei begründet durch ein graufames ehernes Gesetz", wonach der Lohn des Ar beiters immer nur um das Mindestmaß der Lebensnotwen digkeit herumpendele. Jeder Versuch, die Lebenslage der Arbeiter zu verbessern, sei durch dieses eherne Lohngesetz von vornherein zum Fehlschlagen verurteilt. Eine solche Besserung fei nur möglich, wenn die Arbeiter ihre eigenen Unternehmer schaften) bildeten. Da den Arbeitern hierzu aber die not­würden und zu dem Zwecke große Assoziationen( Genossen­wendigen Kapitalien fehlen, so sei erforderlich, daß der Staat, als die große Assoziation" der Arbeiter, die Gelder seien. Da aber der gegenwärtige Staat mit seinen tapita­vorschieße, die zum Betrieb solcher Unternehmung notwendig listischen, bourgeoisen Machtverhältnissen nicht an die Gewäh rung solcher Staatshilfe denken merde, so sei eine Umgestal tung dieses Staates durch das allgemeine direkte Wahlrecht Allgemeine Deutsche Arbeiterverein   dienen, dessen Gründung erforderlich. Zur Propaganda für diesen Plan sollte der er empfahl und der por allem die Aufgabe haben müsse, alle Kräfte auf den einen wichtigsten Punkt, eben die Erringung des allgemeinen Wahlrechts, zu konzentrieren.

Das Antwortschreiben verfehlte seine Wirkung nicht. In einer Reihe von Orten mit industrieller Bevölkerung wurde in Arbeiterversammlungen dazu Stellung genommen und Delegierte zu einem Kongreß in Leipzig   entfandt, zu dem Lassalle auch als Redner besonders gebeten wurde. Diefe Konferenz fand am 23. Mai 1863 statt. Elf Städte( Darni­stadt, Dresden  , Düsseldorf  , Elberfeld  , Frankfurt   a. M., Har­burg, Hamburg  , Köln  , Leipzig  , Mainz   und Solingen  ) waren durch zusammen 12 Delegierte vertreten. Außerdem nahmen

am Himmel. Plötzlich stieg ous einem Waldabhang ein wunder samer Duft zu ihm auf, der war lieblicher und betäubender als alle Düfte des Frühlings, und eine weiche Musik klang ganz leise zu ihm herüber. Mupi wurde es seltsam zumute und er fürchtete sich zum ersten Male in seinem Leben.

Wie er aber in die Schlucht hinabschaute, sah er eine silberne Schale herniederfinken, darin waren zwölf Mädchen, schöner als alle, die er jemals gesehen hatte. Die sprangen leichtfüßig heraus und wirbelben in schnellem Tanz rund herum, fast ohne den Boden zu berühren. Ihre Gewänder waren weich und weiß wie die Milchstraße, aus ihren Augen fiel ein sanftes Licht wie Sternen­glanz und bei ihrem Gesang begannen die Vögel zu zwitschern, als sei die Morgenröte erwacht.

Wupi wagte kaum zu atmen. Da lachte das eine der Sternen­mädchen und ihr Lachen traf wie ein Pfeil Wupis Herz. Er wußte nun, daß er niemals wieder glücklich werden könnte, ehe nicht das Mädchen sein eigen würde. Es war aber unmöglich, den steilen Abhang hinabzuklettern, und wie Wupi noch überlegte, was er tun könne, flogen die Sternenmädchen schon wieder zum Himmel empor. Wupi fehrte traurig in feinen Wigwam heim, erzählte der Mutter alles, was er gesehen, und bat sie inständig, ihm zu helfen, das Mädchen zu fangen. Alles Bitten und Barnen brachte Wupi nicht von seinem Vorhaben ab. Da nähte ihm die Mutter ein Flügelgewand aus weißen Faltenfedern. Am nächsten Abend zog sie es Wupi an und sprach:" Du sollst deinen Willen haben, aber vergiß nie, daß du die Sternenfrau verlieren wirst, sobald du sie im Sternenschein allein läßt!"

Froh machte sich der Weiße Falte auf den Weg und verbarg sich in einem Baum über der Schlucht. Als nun die Sternenmädchen hernieberschwebten und ihren Tanz begannen, flog Wupi plötzlich mitten unter fie und umschlang die Ersehnte mit seinen Armen. Die Schwestern flohen erschreckt und schreiend in die Schale und schwebten zum Himmel hinauf.