Nr. 10
Für unsere Mütter und Hausfrauen
wußtsein, wenn wir erfahren, daß die Durchschnittsrate der Sterb lichkeit bei dieser Operation damals mindestens 60 Prozent, ja 80 Prozent betrug. Die Gebäranstalten waren Brutstätten ansteckenden Giftes, die keimfreie Wundbehandlung, die einen so großen Aufschwung der Chirurgie brachte, war noch unbekannt. In unserer Zeit hat diese Operation an Schrecken verloren. In großen Kliniken bei günstigsten Verhältnissen rechnet man, daß 5 Prozent, alles in allem im Durchschnitt bis 10 Prozent der Operationen mit dem Tode der Mutter ausgehen.
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Moderne Geburtshelfer äußern sich folgendermaßen:„ Die Beurteilung des Wertes des kindlichen Lebens ist eine durchaus individuelle und wird es auch bleiben."„ Wir selbst halten daran fest, daß der Kaiserschnitt durch die Eröffnung der Bauchhöhle eine ungleich schwerere Entbindung als die Perforation ist; wir gehen von dem Grundsatz nicht ab, den Angehörigen über den Ernst der Sachlage Aufschluß zu geben, und operieren nach folgender Anzeige: Wenn bei lebendem Kinde die natürliche Geburt nicht vorwärts geht, die Entwicklung des Kindes aber auf eine für das lettere unschädliche Weise( 3ange oder Wendung) unausführbar ist, so muß, wenn die Angehörigen der Mutter ihre Zustimmung bazu geben und die nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind, zur Rettung des Kindes der Kaiserschnitt gemacht werden."„ Den Angehörigen soll nicht verschwiegen werden, daß beim Kaiserschnitt die Mutter mehr gefährdet ist. Verübeln Sie es dann nicht, meine Herren, dem geängstigten Herzen eines Mannes, wenn er im Hinblick auf seine lebenden Kinder gern das noch ungeborene opfert, um ihnen die Mutter zu erhalten.... Denn während die tlinische Perforation alle Mütter rettet und gesund erhält, müssen bei der Klinischen Sectio caesarea( Raiserschnitt) um 93 bis 100 lebender Kinder willen mindestens 6 bis 13 Mütter ihr Leben lassen. Und da die Frau die Begründerin des häuslichen Glückes, die unent behrliche Pflegerin und Erzieherin von vielleicht schon vorhandenen Kindern ist, da sie ein ausgebildetes arbeitsfähiges Wesen von nationalötonomischer und ethischer Bedeutung repräsentiert,... da das Neugeborene also eine unsichere Afquisition ist, wüßte ich nicht, von welchem Gesichtspunkt aus es erlaubt wäre, so ohne weiteres 6 bis 13 Mütter zu vernichten, um annähernd 100 lebende Kinder, zum Teil von problematischem Werte, zu erhalten. Anders steht die Sache, wenn eine Frau, genau unterrichtet von den Gefahren des Kaiserschnitte, ihr Leben zugunsten ihres Kindes wagen will." Ein französischer Geburtshelfer stellte dagegen den Satz auf:„ Die Perforation des lebenden Kindes hat ausgelebt", er will in allen Fällen die Frau den Gefahren des Kaiserschnitts oder der Schamfugentrennung aussehen. Ihm folgt ein anderer französischer Geburts helfer, er schlägt vor, die Gebärende kurzerhand zu chloroformieren auszuführen. und die Operation also auch gegen ihren Willen! Hingegen äußert ein dritter:" über die theoretische Berechtigung, um das Leben der Mutter zu retten, das Kind zu verkleinern, braucht man ebensowenig zu diskutieren wie über das Streben, biese Eventualität auf eine möglichst geringe Zahl von Fällen zu beschränken."
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Schließlich weisen die meisten Geburtshelfer darauf hin, daß es in sehr vielen Fällen möglich wäre, dieser schwierigen 8wangslage zu entgehen, wenn jedes schwangere Weib beizeiten sein Becken untersuchen ließe. Bei zu engem Becken würde es dann möglich sein, die Frühgeburt zu einer Zeit einzuleiten, wo das Kind lebend erhalten werden kann und auch die Mutter feinen Schaden leidet. Das wäre sicher die einfachste Lösung, aber ihre Ausführung ist in absehbarer Zeit leider noch nicht zu erwarten.
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Für die Hausfrau.
Dr. B. Steininger.
Sirse. In früheren Zeiten war die Hirse ein weit verbreitetes Nahrungsmittel. Morih Hoernes schreibt darüber in seiner„ Natur und Urgeschichte des Menschen":" Um den Anfang des dritten Jahrtausends vor Christi Geburt baute man in China auch schon die Hirse, eine Nährpflanze, deren alter Anbau von dort aus durch ganz Mittelasten bis an den Pontus( Schwarze Meer) und nach Mitteleuropa reichte. Als ihre Heimat wird Ostindien angesehen. -Die Hirse, einst eines der wichtigsten Boltsnahrungsmittel, ist heute so gut wie ganz entihront. Römern, Griechen und Germanen nahezu fremd, hatte sie die größte Bedeutung für andere Teile der europäischen Bevölkerung. So für die Jberer( in Spanien ), Aquitanier( Südfrankreich ), Stelten, welche den Hirsebau auch in Ober Italien verbreiteten, und Thraker( im Norden Griechenlands auf der Baltanhalbinsel), bei denen nach Xenophon ein ganzer Stamm„ Die Hirseesser" hieß. Weiter östlich sind die Sarmaten( in den Ebenen Südrußlands) und die siythischen Schwarzemeervölker vorzüglich
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Sirfebauer, und aus der Geschichte der Hunneneinfälle lernen wir, daß auch die Ebenen Ungarns im späteren Altertum zumeist mit Hirse besät wurden. Die letzten und zähesten Verehrer dieser alts europäischen Baufrucht sind die Slawen, die Kaiser Mauritius( von Byzanz) schon um 600 ein hirfeefsendes Volk nennt, und bei denen der Hirsebrei als Hochzeitsfestessen noch immer im Ansehen steht. Aus Pfahlbaufunden ersehen wir, daß die Hirse schon in der jüngeren Steingeit eine beliebte Baufrucht unferer prähistorischen Ahnen bildete."
Bei uns kommt die Hirse heute regelmäßig nur noch in einzelnen ländlichen Gegenden Deutschlands und Österreichs als Hauptgericht auf den Tisch. Doch verdient sie diese zunehmende Geringschäßung in feiner Weise. Ihr großer Gehalt an Eiweiß und Fett machen sie zu einer außerordentlich nahrhaften Speise. Sie übertrifft hierin zum Beispiel den Reis, der ihr wiederum in bezug auf Verdaulich, feit überlegen ist. Während man zwei Stunden nach einer auss giebigen Reismahlzeit schon wieder hungrig wie ein Wolf sein fann, bildet die Hirse eine feste Grundlage im Magen, die vorhält, bis die nächste größere Mahlzeit normalerweise an der Reihe ist. Der einfache, derbe und gesunde Hirsebrei eignet sich also in erster Linie für förperlich arbeitende Personen.
Vor dem Kochen muß die Hirse mehrmals mit siedendem Wasser abgespült werden, um den ihr anhaftenden strengen Geschmack zu beseitigen.
Brühhirse bereitet man, indem man s Pfund Hirse in 1% bis 1% Liter kochender Brühe( zum Beispiel von Schweinefleisch) langs sam zwei Stunden lang ausquellen läßt. Etwas gehackte Zwiebel und Salz werden hinzugefügt. Eine Messerspitze Natron befördert das Weichwerden und die Verdaulichkeit der Hirse. Wenn die Brühe nicht sehr fett ist, muß man noch Butter, Palmin oder dergleichen hinzusetzen. In Ermangelung von Brühe kann man die Hirse in Wasser mit zwei bis drei Bouillonwürfeln garkochen oder beim Ans richten mit etwas Maggi würzen. Schweinefleisch und Bratwurst passen dazu.
Dicke Hirse mit brauner Butter. Die vorbereitete Hirse wird in Wasser oder Milch mit Fett und Salz gargetocht. Vor dent Auftragen wird braune Butter darübergegeben. Dieselben Beilagen wie vorher.
Süßer Hirsebrei./ Pfund Hirse wird in reichlich 1/2 Liter fochender Milch unter Hinzufügen von Zimt, Zitronen- oder Apfelfinenschale ausgequollen. Sie wird mit einer Mischung von Zucker und Zimt bestreut und mit brauner Butter begossen zu Tische ge geben. Backpflaumen bilden eine geeignete Beigabe.
Vorzüglich geraten alle Hirsegerichte in der Kochtiste. Sie brauchen hier drei Stunden zum Ausquellen, nachdem sie auf dem Feuer fünf Minuten lang angefocht wurden. M. Et
Feuilleton
Die Landstraße führt durch das Dorf Krodebeck, und jenseits des Dorses, dem Norden zu, liegt ein wenig abseits der Straße ein tleines ärmliches Haus oder vielmehr eine niederträchtige verwahr loste Hütte neben einem Wassertümpel und dem Kirchhofe: das Armen- und Siechenhaus der Gemeinde. Unmalerisch ist das Ding nicht. Die Eschen- und Holunderbäume des Kirchhofs bilden einen ganz freundlichen Hintergrund für das graue Strohdach; allein ein Bergnügen ist es teineswegs, in dem Siechenhaus von Krodebeck leben und dem Dorfe zur Last liegen zu müssen.
Die Hütte enthielt zwei Gemächer, das eine rechts, das andere links von der morschen Eingangstür; dazu eine sehr primitive Zigeunerküche und unter dem Dache einen engen Bodenraum, in welchen Wine, Regen und Sonnenschein nach Belieben eindringen fonnten. Manch liebes langes Jahr hatte an den schwarzen llebrigen Pfosten gerüttelt, und niemand zählte die schleichenden Schritte der Verlorenen, welche diese unglückselige Schwelle ausgetreten hatten. Von den kahlen Wänden hatte sich der Kaltüberwurf längst abgelöst. Die Scheiben in den niedrigen Fenstern schillerten in jenen ironischen Regenbogenfarben, welche ein so arger Hohn auf jenes lieblichste
* Wir bringen hier ein Stüd aus einem der Meisterwerke des großen deutschen Schriftstellers Wilhelm Raabe . Der Schüdderump ist ein Karren, auf den die Pestleichen fortgeschafft wurden. Die Wahl dieses symbolischen Titels tennzeichnet scharf den pessimistischen Standpunkt Raabes gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft.