Nr. 23 9l Fürsorgliche Ehefrauen können ihre unsoliden Gatten durch Dar bieten von schmackhafter saurer Milch leicht dem groben Bierkonsum entwöhne», da durch ihren Genuft das Bedürfnis nach alkoholischen Gelränken fast ganz schwindet. Or. Wiel sagt in seinemDiäteti schen Kochbuch":Saure Milch mit Karlosseln bildet das Abend essen derjenigen Bauern, welche nicht ins Wirtshaus gehen." Mit frischen oder gebratenen Kartoffeln wird saure Milch besonders gern genossen. Beliebt ist auch folgende Zubereitung: Schwarzbrot oder Zwieback wird gerieben und darüber gestreut, wozu oft noch Zucker und Zimmet kommen. Doch das sind Geschmacksachen, die keine große Rolle spielen. Jedenfalls steht vom gesundheitlichen Stand punkt als unumstößliche Tatsache fest: Saure Milch ist eine aus gezeichnet kühlende und zugleich sehr nahrhafte Commerspeise. kt». o o o Kygiene. Korsett und Herzkrankheiten stehen in einem beachtenswerten Zusammenhange, wie durch die Untersuchungen von Dr. Otto Brösa mlen-Tübingen nachgewiesen ist. Dieser stellte fest, daß bei Patienten, die wegen Kyphose, das heißt Verlrümmung der Wirbelsäule nach hinten, oder wegen Kyphoskoliose, Verkrüm mung der Wirbelsäule nach hinten und»ach der Seite, ein Stütz korsett trugen, zwei bis drei Jahre nach Anlegung des Stützkorsetts Herzerweiterungen, im besondern Vergrößerung der rechten Herz kammer, auftraten. Diese Schädigungen des Herzens machten sich namentlich bei weiblichen und mustelschwachen Personen bemerkbar. Zwar kommen bei Personen, die mit einer Verkrümmung der Wirbel säule behastet sind, an sich schon bisweilen Funktionsstörungen «nd krankhafte Veränderungen des Herzens vor, doch stels erst in vorgerückterem Aller von über fünfzig Jahren, und nur in schweren Fällen. Die von Brösamlen diagnostizierten Herzleiden, die sich durchweg bei jugendlichen und nur leicht verkrümmten Personen vorfanden, sind daher allein auf das Tragen des Stützkorsetts zu rückzuführen. Dieses Instrument, welches die Brust fast vollständig »nd den Bauch gleichfalls beinahe ganz mit einem starren Leder panzer bedeckt, beeinträchtigt stark die Atmung und hemmt nament lich die beim normalen Atmen staltfindende kräftige Verschiebung des Zwerchfells nach unten. Infolgedessen kann der Inhalt der Bauchhöhle durch das Zwerchfell nicht genügend zusammengepreßt werden, wodurch der automalische Zufluß des Blutes aus den Blutgefäßen des Unterleibs nach dem rechten Herzen erschwert und somit dem Herzmuskel eine dauernde Mehrarbeit aufgebürdet wird. Der Autor knüpft an seine Ausführungen den dringenden Rat, vor allem bei Kindern darauf zu achten, daß der Bauch bei solchen Stützkorsetts frei liegt oder doch wenigstens nur von elastischen Gummizügen bedeckt ist. Auch sollen junge Leute nicht beständig solche Korsetts tragen, denn so erwünscht die Geradhaltung des Körpers sein mag, sie darf nicht durch einen Herzschaden erkaust «erden. Es bedarf weiter keiner Phantasie, um aus diesen Vcob- »chtungen Schlüsse auf die Wirkung des modernen Korsetts der Frauen zu ziehen. Di» Folgen dieser naturwidrigen Hülse sind um keinen Deut günstiger als die des Stützkorsetts. Hat das Stützkorsett wenigstens seine Existenzberechtigung vom medizinischen Standpunkt aus, so kann das moderne Korsett den Anspruch darauf höchstens aus einer ästhetischen Geschmacksverirrung herleiten. Ebenso ist aber selbstredend auch der Leibbund zu verwerfen, der durch straffgezogene Bänder die Röcke über den Hüften festhält, da hier durch Schnürlebern und Stauungen im Blutkreislauf der Unter- leibsorgane verursacht werden. Nur das Miederleibchen vermeidet die Nachteile des Schnürleibs, ohne die Schäden des modernen Korsetts mit in Kauf zu nehme». S. ö. Feuilleton Lllenspiegel wird Turmbläser.* Von TharlcS de Coster. Der wallfahrende Ulenspiegel wäre gern Straßcnräuber gewor den, aber er fand die Steine zum Tragen zu schwer. Er wanderte auf gut Glück auf der Straße nach Audenaerde, wo sich dermalen eine Garnison flämischer Reiter befand; die hatten Befehl, die Stadt wider die französischen Streifscharen zu vertei digen, die das Land gleich Heuschrecken verheerten. * Aus Charles de Coster Tyll lllenspiegel". Verlegt bei Eugen Tiede richs, Jena . Der Hauptmann der Reiter war ein Friese von Geburt, des Namens Kornhuin. Auch diese durchstreiften das platte Land und plünderten das Volk, also daß es, wie bräuchlich, von beiden Seiten aufgefressen ward. Alles war ihnen recht, Hühner, Küken, Enten, Tauben, Kälber und Schweine. Eines Tages, da sie mit Beute beladen zurück kehrten, gewahrten Kornhuin und sein Leutnant am Fuße eines Baumes Ulenspiegel schlafend und von Fleischgerichten träumend. Was tust du, um zu leben?" fragte Kornhuin. Ich sterbe vor Hunger," antwortete Ulenspiegel. Was ist dein Handwerk?" Wegen meiner Sünden wallfahrten, die anderen arbeiten sehen, auf dem Seil tanzen, die hübschen Gesichter abkonterfeien, Messer griffe schnitzen, den Nommelpot spielen und die Trompete blasen." Wenn Ulenspiegel so kecklich vom Trompeten sprach, so war es, weil er erfahren hatte, daß die Stelle des Wächters vom Schlosse Audenaerde erledigt sei durch den Tod eines allen Mannes, welcher dieses Amt bekleidet hatte. Kornhuin sagte zu ihm:Du sollst Turnibläser sein." Ulenspiegel folgte ihm und ward auf dem höchsten Turme der Wälle in eine Warte einquartiert, die von allen vier Wänden wohl durchlüftet war, ausgenommen vom Südwind, der dort nur mit einem Flügel wehte. Es ward ihm anbefohlen, die Trompete zu blasen, sobald er den Feind anrücken sähe, und dieserhalb den Kopf freizuhalten und immer klare Augen zu haben. Zu dem Ende würde man ihm nicht zuviel zu essen noch zu trinken geben. Der Hauptmann und sein Kriegsvolk blieben im Turme und hielten den ganzen Tag Gelage auf Kosten des Landes. Da ward mehr als ein Kapaun geschlachtet und aufgefressen, dessen einzige? Verbrechen sein Fett war. Ulenspiegel, der allzeit vergessen ward und sich an seiner inageren Suppe genügen lassen mußte, ergötzt« sich nicht am Duft« der Saucen. Die Franzosen kamen und raubten viel Vieh, Ulenspiegel blies die Trompete nicht. Warum hast du nicht geblasen?" Ich spreche nicht das Gratias bei eurem Essen," sprach Ulen spiegel. Am folgenden Tage befahl der Hauptmann ein großes Mahl für sich und seine Soldaten, aber Ulenspiegel ward wieder vergessen. Sie wollten just zu schmausen anheben; Ulenspiegel blies, die Trompete. Kornhuin und seine Soldaten wähnten, daß die Fran zosen kämen, ließen Wein und Braten stehen, stiegen zu Pferde und ritten eilends zur Sladt hinaus; aber sie fanden auf dem Feld« nichts als einen Ochsen, der stund in der Sonne und käute wieder. Sie führten ihn mit sich. Derweilen hatte Ulenspiegel sich mit Wein und Fleischspeisen angefüllt. Beim Eintreten sah ihn der Hauptmann, wie er lächelnd und mit schlotternden Beinen an der Tür der Festhalle stand, und sagte zu ihm: Das heißt den Verräter spielen, Alarm zu blasen, wann du keinen Feind siehst, und nicht zu blasen, wann du ihn siehst." Herr Hauptmann," erwiderte Ulenspiegel,ich werde in meinem Turm solchermaßen von den vier Winden aufgebläht, daß ich oben schwimmen müßte wie eine Blase, hätte ich mich nicht durch Trom petenblasen erleichtert. Laßt mich jetzo henken oder ein andermal, wenn ihr einer Eselshaut für eure Trommeln bedürfet." Kornhuin ging, ohne«in Wort zu sagen. Indessen kam nach Audenaerde die Kunde, daß der gnädig« Kaiser Karl in sürnehmer Begleitung in diese Stadt einziehen wollte. Bei diesem Anlaß gaben die Schöffen Ulenspiegel«ine Brille, auf daß er besser sehen könnte, wann Seine Heilig« Maje stät ankäme. Ulenspiegel sollte dreimal inS Horn stoßen, sobald er den Kaiser auf Luppeghem zukommen sähe, welches ein« Viertel meile vom Burgtor ist. Also würden die in der Stadt Zeit haben, die Glocken zu läuten, die Böllerschüsse zu lösen, die Braten in den Backofen zu schieben und die Zapfen in die Fässer zu stoße». Eines Tages um Mittag, da der Wind von Brabant kam und der Himmel klar war, sah Ulenspiegel auf der Straße, die nach Luppeghem führt, eine große Schar Reiter auf stolzen Rossen; die Federn ihrer Barette wallten im Winde. Etliche trugen Banner. Der, welcher stolz an der Spitze ritt, trug eine Mütze von Gold brokat mit großen Federn. Er war in braunen Sammet gekleidet, der mit Brokatell besetzt war. Ulenspiegel setzte seine Brille auf und sah, daß dies Kaiser Karl der Fünfte war, der denen von Audenaerde gestattete, ihm ihre besten Weine und ihre besten Braten vorzusetzen. Die ganze Schar ritt sonder Eile und sog die frische Luft ein, welche den Hunger anreizt. Aber Ulenspiegel gedachte, daß sie ge meiniglich fetten Schmaus hielten und wohl einen Tag fasten könnten, ohne zu verscheiden. Also sah er sie kommen und stieß nicht ins Horn.