Für unsere Mütter und Hausfrauen

Nr. 22° O O O O O O O

Beilage zur Gleichheit oooooooo

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Inhaltsverzeichnis: Freie Liebe  . Von John Henry Mackay  . Etwas von der Kinderkleidung. III. Hygiene. Feuilleton:

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Hamza und Hanifa. Von Gustaf Janson.  ( Fortsetzung.)

Freie Liebe  .

Von John Henry Mackay  .

Frei fei die Liebe! Reine Rette binde

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Die Hände, die der freie Wille fügt!

Vielleicht, daß einst das Auge dir, das blinde, Die Wahl des ersten heißen Fühlens rügt.

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Dann sollst du frei sein! tommen soll und gehen Der Mann zum Weibe, und das Weib zum Mann, So frei wie droben frei die Winde wehen! Frei sei die Liebe!- Wahrlich dann erst, dann:

Dürft ihr von Liebe sprechen, Sittenwächter, Die ihr uns unser Liebesglück nicht gönnt, Und echter Lebenslust arme Verächter Zu tadeln wagt, was nicht verstehn ihr könnt.

Sinweg mit euch! gezählt find eure Tage. Natur, die starke, ist in uns erwacht, Und sie zermalmt mit einem Flügelschlage Gesetze, Sitten, euch und eure Macht!

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Etwas von der Kinderkleidung.*

III.

Bei der Oberkleidung der Kinder ist die Versuchung für die liebe Muttereitelkeit besonders groß, dem Modegößen und seinen Launen zu opfern. Mein Mädel soll nicht auffallen, mein Junge darf hinter seinen Schulfameraden nicht zurückstehen." Das ist recht oft der bequeme Vorwand dafür, daß eine Mutter gedankenlos oder auch als Sklavin von Vorurteilen nur das eine Bemühen kennt: ihre Kinder in der Kleidung nach der neuesten Mode" herauszustuzen. Um jeden Preis! Zunächst wird meist die Zweckmäßigkeit der Ober­kleidung außer acht gelassen, die Zweckmäßigkeit, deren oberstes Gebot die Rücksicht auf Gesundheit und gesunde körperliche Betäti­gung und Entwicklung ist. Tann wird die Haltbarkeit der Gewan­dung darangegeben und alle praktischen Anforderungen, die ge­rade vom Standpunkt des proletarischen Geldbeutels und der Be­dingungen des Arbeiterlebens Gehör verdienen würden.

Es klingt ganz leidlich, ja bestechend, daß das Kind durch seine Kleidung nicht auffallen und nicht als geringer" erscheinen soll als die Schul- und Spielgenossen. Jedoch der Wunsch darf nicht be­zahlt werden mit der Aufhebung oder auch nur Ginengung der Be­wegungs- und Spielfreiheit der Kinder, mit der Haltbarkeit der Kleidung gegen die Einflüsse von Sonne, Regen und Wind. Und noch eine wichtigere Erwägung kommt hier in Betracht. Gewiß muß die Mutter von klein auf im Kinde den kameradschaftlichen Geist pflegen, der sich später zum bewußten Solidaritätsgefühl entfalten soll. Allein sie darf trotzdem ihre Jungen und Mädchen von zartester Jugend an nicht daran gewöhnen, dem man sagt" und man tut" usw., kurz der gang und gäben Meinung eine zu große, bindende Bedeutung beizulegen. Auch nicht für äußerlich­feiten, wie es die Kleidung ist. Für recht viele Menschen bleiben solche äußerlichkeiten zeitlebens bestimmend für den inneren Men­schen. Das Kind muß schon früh lernen, sich und fachlich begründete Ansichten und Dinge fachlich zu behaupten und zu verteidigen. Deshalb soll die Mutter nicht über unpraktische, häßliche, kostspielige Moden seufzen und spotten, aber ihnen trotzdem die Kleider ihrer Kinder gehorsam anpassen, weil es nun mal doch nicht gut anders geht, wenn man nicht schief angesehen werden will". Sie muß den Mut finden, das als unschön und unzweckmäßig erkannte ent­schieden abzulehnen.

Es ist naheliegend, daß sie bei dieser Praris schmeichelnden Bitten ihrer Kinder Widerstand entgegenzusehen hat, daß es nicht immer ohne Schmollen und ohne Tränen der lieben Jugend ab= geht, zumal der heranwachsenden Mädchen. Aber eine Mutter

* Bergl. Nr. 14 und 17 der Frauenbeilage.

1913

findet schon die liebevollen und klugen, ernsten und heiteren Worte zum Herzen und Verstand der Kinder. Es ist nichts Unmögliches, ihnen flarzumachen, daß es um ihrer Gesundheit und Kraft willen gilt, gegen den Strom des Herkömmlichen und der Modelaunen zu schwimmen; daß der versagte überladene Spitzenputz am Kleide viele Stunden ungezwungenen Spiels bedeutet, das nicht durch Ängste vor Hängenbleiben und Fleckenmachen" getrübt wird. Die Kinder erhalten dabei den Anstoß, zu beobachten, zu ver­gleichen, selbständig nachzudenken, die Lebensführung mit Bewußt­sein zu erfassen; sie lernen es ertragen, anders" zu sein als die übrigen und ihr Anderssein vor den Spielgefährten zu recht­fertigen. Wahrscheinlich bleibt es ihnen nicht erspart, daß Hinz oder Kunz ihnen einmal wegen ihrer absonderlichen" Kleidung nachschaut, und daß Mine oder Trine darüber lacht. Aber auch das soll die Mutter nicht irremachen. Es schadet nichts, wenn das Kind früh erfährt, daß das Vernunftgebotene und Zweckmäßige sich nicht immer glatt, chne Leiden und Kampf durchsetzt. Was übrigens den Verkehr der Kinder untereinander anbelangt, so spricht für dessen Gestaltung und Ton die körperliche und geistige Tüchtigkeit der Kinder ein entscheidendes Wort mit. Das fräftige, gewandte und fluge Kind, das nicht überhebend und brutal ist, wird unter seines gleichen im allgemeinen als Kamerad und Freund gesucht und ge= schätzt werden. Kurz, wenn die Mutter bei der Bekleidung ihrer Kinder konsequent handelt, so wird sie ihnen alles in allem un­endlich mehr geben als nehmen. Und zwar nicht bloß für ihren leiblichen Menschen, sondern auch für die Entwicklung von Ver­stand und Charakter.

Die Bewunderung vor dem Modischen" verleitet manche Mutter zu einer besonders verwerflichen Torheit: der Oberkleidung ihres Kindes weit mehr Aufmerksamkeit zu schenken, mehr Mittel für sie aufzuwenden als für die Leibwäsche, Strümpfe usw. Wie häufig sieht man gerade Mädchen, für deren Anzug das Wort des Volksmundes gilt: Oben hui, unten pfui!" Eine ganz minder­wertige, wenn nicht gar unordentliche und unsaubere Unterklei­dung wird durch ein flottes, reich mit allerlei Schnickschnack ver­ziertes Kleid nach der neuesten Mode gedeckt. Das Mißverhältnis ist namentlich dort zu beobachten, wo man das Bestreben hat, es der feinen Gesellschaft" gleichzutun, aber nicht das gefüllte Porte­monnaie zu den entsprechenden Ausgaben. Für das Wohlbefinden der Kinder jedoch und ihre Gesundheit ist eine gute Unterkleidung viel wichtiger als die schönsten Obergewänder, die zum Teil mehr dem Schmuck als dem Bedürfnis dienen. Das leuchtet ohne weiteres ein, wenn man bedenkt, daß die Stücke der Unterkleidung den Körper unmittelbar umgeben, ihn wärmen und schützen sollen. Eine Mutter dürfte nicht früher an ein schickes Sonntagskleid" für das Töchterchen denken, bis sie diesem so viel ordentliche Leib­wäsche angeschafft hat, daß damit recht oft gewechselt werden kann. Eine Bevorzugung der Oberkleidung auf Kosten der unteren Klei­dungsstücke müßte noch durch einen anderen Grund verwehrt wer­den als durch die Rücksicht auf Reinlichkeit und Hygiene allein. E3 steckt ein großes Stück Unwahrhaftigkeit, Verlogenheit in ihr, ein Trachten nach dem falschen Schein, ein Huldigen vor Äußerlichem und Wertlosem. Je mehr die kapitalistische Welt mit ihrem Um und Auf diese Laster keimen und in die Halme schießen macht, um so achtsamer muß sich die proletarische Mutter davor hüten, ihnen in irgend einer Beziehung der Lebensgestaltung ihrer Kinder Nah­rung zu geben.

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Nun zur Oberkleidung der Kinder selbst. Was deren Stoff, Schnitt, Machart und Auspuh anbelangt mag es sich um Knaben oder Mädchen und eine beliebige Altersstufe handeln so muß ein Gesichtspunkt festgehalten werden. Nämlich daß die Kleidungsstücke sich leicht und gut reinigen, waschen und bügeln lassen. Darunter verstehen wir nicht bloß, daß sie Wasser, Sonne usw., kurz den Reinigungsprozeß ohne Schaden vertragen, sondern daß dieser selbst der Mutter nicht mehr Zeit und Mühe kostet als notwendig ist. Man mißverstehe das nicht! Die Kleidungsstücke selbst können kaum je zu viel gelüftet, geflopft, gewaschen usw. werden. Für das besonders mühsame Reinigen von Stoffen, die nicht besser als andere, aber gerade Mode" sind; für das Auf­frischen von Schleifen, die ein Kleid geputzt, aber nicht schön machen; für das Plätten und Fälteln eines ganzen Falbelwaldes, der dem Gewand seine Leichtigkeit nimmt: ist jede Minute der Arbeiter­frau zu biel. Die Einfachheit der Kleidung und ihres Auspuhes