Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 9
oooooooo Beilage zur Gleichheit ooooooo oo 1915
Inhaltsverzeichnis: Herder über den Patriotismus. Einiges vom Blute. Von Dr. Aler. Lipschüß. Die Naturforscherin Amalie Dietrich . Von Anna Blos . Für die Hausfrau. leton : Der Jäger. Von Olive Schreiner. ( Schluß.)
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Herder über den Patriotismus.
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Feuil
Der Patriotismus muß sich notwendig immer von Schladen reinigen und läutern. Jede Nation muß es fühlen lernen, daß sie nicht im Auge anderer, nicht im Munde der Nachwelt, sondern nur in fich, in sich selbst groß, schön, edel, reich, wohlgeordnet und glücklich werde; und daß sodann die fremde wie die späte Achtung ihr wie der Schatten dem Körper folge.... Lächerlich und verächtlich muß er werden, wenn Einheimische sich über ausländische Angelegenheiten, die sie weder kennen noch verstehen, in denen sie nichts ändern können und sie gar nichts angehen, sich entzweien, haffen, verfolgen, verschwärzen und verleumden.... Jede Nation muß allgemach es als unangenehm empfinden, wenn eine andere Nation beschimpft und beleidigt wird; es muß allmählich ein ge= meines Gefühl erwachen, daß jede sich an der Stelle jeder anderen fühle. Hassen wird man den frechen übertreter fremder Rechte, den Zerstörer fremder Wohlfahrt, den kecken Beleidiger fremder Sitten und Meinungen, den prahlenden Aufdränger seiner eigenen Vorzüge an Völker, die diese nicht begehren. Unter welchem Vorwand jemand über die Grenze tritt, dem Nachbar als einem Sklaven das Haar abzuscheren, ihm seine Götter aufzugzwingen und ihm dafür feine Nationalheiligtümer in Religion, Kunst, Borstellungsart und Lebensweise zu entwenden: im Herzen jeder Nation wird er einen Feind finden, der in seinen eigenen Busen blickt und sagt:, Wie, wenn das mir geschähe?' Wächst dies Gefühl, so wird unvermerft eine Allianz aller gebildeten Nationen gegen jede einzelne anmaßende Macht."( Briefe zur Beförderung der Humanität.)
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Einiges vom Blute.
Bon Dr. Aleg, Lipschils.
Unser Körper besteht aus tausend und abertausend Zellen. Jede dieser vielen Zellen ist ein lebendiges Wesen für sich, gleichsam wie ein Bakterium oder sonst ein kleines Lebewesen, daß man nur mit dem Mikroskop zu sehen vermag, und jede dieser Zellen braucht Nahrung und braucht Sauerstoff zum Leben. Woher sollen aber alle diese kleinen Zellen die Nahrung und den Sauerstoff be= fommen, wenn sie in großen, dichten Haufen in unserem Störper beisammenliegen? Da muß es im Störper viele Straßen geben, auf denen den Bellen alles zugeführt werden kann, was sie an Nährstoffen und Sauerstoff brauchen. Und wirklich, die Zellen unferes Körpers find an ein ganzes weitverzweigtes Netwerk solcher Straßen angeschlossen. Dieses große Mezwerk von Zufuhrstraßen für Nährstoffe und Sauerstoff wird von den Blutgefäßen gebildet, und das Blut ist es, das den stofflichen Verkehr zwischen den vielen Zellen unseres Körpers und der Außenwelt vermittelt.
Wie sieht das Blut aus? Es ist eine dunkelrote Flüssigkeit, etwas dicker als Wasser das weiß jedermann. Aber über unseren Körper fann man nur richtig aussagen, wenn man ein Mikroskop zu Hilfe nimmt. So machen wir es auch beim Blute. Ein Tröpfchen Blut unters Mikroskop, und wir bekommen etwas ganz neues zu sehen. Wir sehen, daß das Blut gar nicht bloß eine Flüssigkeit ist, sondern cine Flüssigkeit mit fleinen runden Körperchen, kleinen runden, roten Scheiben darin. Diese roten Scheiben sind die sogenannten roten Blutkörperchen. Soviel sind von den roten Blutförperchen in jedem Tröpfchen Blut enthalten, daß sie sich in der Blutflüssigkeit drängen und wie die Münzen einer Geldrolle eng aufeinander liegen. Die roten Blutkörperchen werden auch als rote Blutzellen bezeichnet, unterscheiden sich aber von den sonstigen Zellen in unserem Körper durch ein wesentliches Merkmal. Die eigentlichen Zellen enthalten in ihrem Innern stets einen Stern. Die roten Blutkörperchen haben keinen Kern; aber Zellen sind sie ihrer Entstehung nach doch: sie gehen aus fernhaltigen Zellen hervor. Untersucht man das Blut eines menschlichen Embryo, der Frucht im Leibe, unter dem Mikroskop, so bemerkt man, daß hier die roten Blutkörperchen Kerne haben, Zellen sind, wie die Zellen sonst in unserem Körper. Bei den Vögeln haben auch die roten Blutkörperchen der erwachsenen Tiere ihre Kerne. So ist es eben
falls beim Frosch und überhaupt bei allen Wirbeltieren mit Ausnahme der Säugetiere. Die roten Blutkörperchen des menschlichen Blutes sind also Bellen, die ihren Kern eingebüßt haben.
Welche Aufgabe haben die roten Blutkörperchen in unserem Störper? Die roten Blutkörperchen sind, wie wir heute wissen, die Vermittler bei der Atmung der Zellen in unserem Körper. Im Blutstrom werden die roten Blutkörperchen durch die Herzpumpe in die Lungen getrieben, hier entnehmen sie Sauerstoff aus der beim Atmen eingesogenen Luft und werden dann mit diesem Sauerstoff beladen in alle Teile des Körpers getragen. Den Sauerstoff geben die roten Blutkörperchen an die Zellen ab, die seiner zum Unterhalt des Stoffwechsels bedürfen. Von den Zellen gelangen die roten Blutkörperchen wieder in die Lungen, nehmen dort abermals Sauerstoff auf und bringen ihn zu den Zellen: und so geht der Kreislauf fort ohne Ruh und ohne Rast. Daß die roten Blutkörperchen solche Tausendkünstler sind, das verdanken sie dem roten Farbstoff, der in ihnen enthalten ist. Der Blutfarbstoff ist dadurch ausgezeichnet, daß er sich sehr gierig mit Sauerstoff verbindet und daß er ihn leicht wieder abgibt
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so gelingt es den roten Blutkörperchen, Sauerstoff aus der Atemluft aufzu= nehmen und ihn an die Zellen abzugeben.
Der Körper eines erwachsenen Menschen enthält ungefähr fünf Liter Blut, und in jedem Liter Blut gibt es fünf Billionen, das heißt fünf Millionen mal Million roter Blutkörperchen. Wir haben also eine gehörige Menge davon! Aber außer den roten Blutförperchen sind im Blut noch farblose vorhanden, die sogenannten weißen Blutkörperchen. Das sind schon richtige kleine Lebewesen: jedes farblose Blutkörperchen enthält nicht nur einen Stern, sondern ist auch freibeweglich. Die Aufgaben, die den weißen Blutkörperchen im Blute zukommen, sind natürlich ganz anderer Art als die der roten Blutkörperchen. Aber was die weißen Blutförperchen in unserem Körper zu tun haben, das ist heute noch eine Streitfrage, so recht weiß man es noch nicht. Aber mancherlei weiß man schließlich doch bereits davon, so unter anderm, daß die weißen Blutkörperchen dort überall im Körper auftauchen, wo es etwas wegzuräumen gibt, wo Fremdstoffe, zum Beispiel Bakterien, in den Körper hineingelangt sind. Und zwar vermögen sie zu diesem Zwecke die Wandungen der Blutgefäße zu durchbohren und in die Körpergewebe einzuwandern. Sind Bakterien in den Körper eingedrungen, so kommen die weißen Blutkörperchen heranspaziert und fressen die Batterien einfach auf. Und wenn sie einmal das gerade nicht tun- denn manche Bakterien sind auch für weiße Blutkörperchen nicht zu verdauen- so scheiden sie Stoffe aus, die die Bakterien töten. Jedenfalls verstehen es die weißen Blutförperchen besser als die anderen Zellen im Körper, mit schädlichen Dingen fertig zu werden, die in den Körper hineingeraten. Die Eiterflüssigkeit, der Eiter, ist an solchen weißen Blutförperchen besonders reich. Der Eiter entsteht ja überall dort im Körper, wo bestimmte Bakterien erscheinen. Und wo Bakterien sind, da sind auch die weißen Blutkörperchen da. Sie kommen, wie gesagt, um jene zu fressen, oder um sie durch ihre Ausscheidungen zu töten.
Das alles hatten wir mit dem Mikroskope dem Blute abgeguckt. Aber was wir noch vom Blute erfahren wollen, das kann uns nicht mehr das Mikroskop sagen- da müssen wir uns an den Chemiker wenden. Der gibt uns weitere Auskunft über die Zusammensezungen des Bluts. Zunächst sagt uns der Chemifer, daß im Blut sehr viel Eiweiß enthalten ist. Eiweiß? Da schüttelt mancher das Haupt: Eiweiß kennt er ja bloß vom Hühnerei her. Eiweiß im Blut? Ja, Eiweiß im Blut, damit die Zellen im Körper etwas zu essen haben. Die lebendige Substanz besteht zum größten Teil aus demselben chemischen Stoff, aus dem das Weiß des Hühnereies besteht, und wenn die Zellen den Verbrauch decken sollen, den sie im Lebensprozeß erfahren, so brauchen sie eben Eiweiß als Nahrung. Dieses Eiweiß bringt ihnen das Blut ins Haus. Und nicht nur Eiweiß auch Zucker und Fett. Ferner enthält das Blut Salze, Stochsalz vor allen Dingen, in Hülle und Fülle. Aber wie und woher kommen denn diese Stoffe ins Blut hinein? Durch die Verdauung aus dem Darm. In der Nahrung werden all die verschiedenen Nährstoffe, die die Zellen unseres Körpers brauchen, in den Darm aufgenommen, verdaut und von dort ins Blut hineingesogen die Nahrung, die wir essen, wird einfach zu Blut.
Der wunderbaren Erscheinungen im Blute sind jedoch noch viel mehr. Jedermann weiß, daß das Hühnerei beim Kochen fest wird: