Nr. 9

Für unsere Mütter und Hausfrauen

den ganzen Tag auf seinen Forschungswanderungen begleiten, wurde von ihrem Mann im Aufbewahren der Pflanzen und Tiere unter­richtet, im Ordnen der Sammlungen, und bald bekam sie eine große Geschicklichkeit im Zusammenstellen der Namen, Klassen und Ord­nungen. Dietrich konnte sich keine gelehrigere Schülerin, keine in­telligentere Gefährtin wünschen, als er in seiner Frau gefunden hatte. Seine Verwandten freilich waren sehr unzufrieden, daß er das arme ungebildete Dorfmädchen geheiratet hatte. Natürlich blieb der jungen Frau bei der Arbeit, die sie ihrem Manne leistete, keine Zeit, sich um ihren Haushalt zu kümmern. Diese Sorge nahm ihr ihre Mutter vollständig ab. Aber gleich im Beginn der Ehe stellten sich finanzielle Schwierigkeiten ein. Die wertvollen Sammlungen Dietrichs brachten fein Geld ein. Dazu kam die große Hungersnot von 1847, von der namentlich Sachsen schwer betroffen wurde. Die einfachen Beutlers­leute mußten schließlich den vornehmen Schwiegersohn noch unter­stützen, so gut sie konnten. Darunter litt Dietrich sehr. Er wurde wieder besserer Stimmung, als Amalie sich Mutter fühlte, denn er wünschte sich einen Sohn und Geisteserben, den er im Sinne Goethes, Humboldts und der berühmten Dietrichs zum Naturforscher erziehen wollte. Um so größer war seine Enttäuschung, als ihm ein kleines Mädchen geboren wurde. Er kümmerte sich gar nicht um das Töchter­chen und nahm nach wie vor die Hilfe seiner Frau so sehr in An­spruch, daß das Kind, das den Namen Charitas erhielt, ganz der Sorge der Großeltern überlassen blieb.

Es ging alles gut, solange Amaliens Mutter lebte. Aber sie starb, als die kleine Charitas vier Jahre alt war. Nun sollte die junge Frau zu ihren sonstigen Pflichten noch die Sorgen des Haushaltes auf sich nehmen und für das Kind sorgen. Dazu fehlte ihr nicht nur die Zeit, sondern auch die Erfahrung. Sie verstand es meister­haft, Herbarien anzulegen und die Insekten zu konservieren, aber sie hatte sich nie um die Arbeit und Leitung des Haushaltes ge­fümmert. Dabei war Dietrich auch darin anspruchsvoll und geriet außer sich über eine verspätete oder mißratene Mahlzeit oder über einen fehlenden Hemdenknopf. In ihrer Not geriet Amalie auf den Ausweg, eine Stüße für den Haushalt zu suchen. Sie fand ein junges, hübsches Mädchen, das ihr für die Stellung geeignet schien. Die Gehilfin im Hause verstand es aber bald, Dietrich so zu fesseln, daß die junge Frau sie entließ. Das Mädchen reiste ab, aber Dietrich folgte ihm. Als Amalie von seiner Treulosigkeit erfuhr, entschloß sie sich zur Trennung. Sie, die in allen praktischen Dingen so unerfahren war, verschaffte sich mit großer Mühe einen Paß und machte sich mit ihrem fleinen Töchterchen auf, um nach Bukarest zu ihrem Bruder zu reisen.

Was ein solche Reise in damaliger Zeit bedeutete, davon kann man sich heute schwer eine Vorstellung machen. Sie war um so schwieriger, da Frau Dietrich nur sehr geringe Geldmittel besaß. Von Siebenlehn ging die Reise im Omnibus bis nach Dresden , von da im Bummelzug über Prag nach Wien . In Wien mußte sich Amalie Dietrich einen türkischen Paß verschaffen und konnte dann mit der Bahn weiterreisen bis Budapest . Dort mußte sie mit einem Dampfer weiterfahren. Zum Glück machte sie die Bekanntschaft eines ungarischen Kaufmanns, der auf der langen Fahrt sich freund­lich ihrer und ihres fleinen Mädchens annahm. Über Belgrad ging es bis zum Eisernen Tor . In Giurgewo erwarteten Ochsen­wagen die Reisenden nach Bukarest . Tagelang fuhren sie nun auf schlechten Wegen durch die Walachei. Endlich erreichten fie Bukarest , und ein halbwüchsiger Bursche geleitete auf die Weisung des Ungarn Frau Dietrich und ihr Kind durch viele Straßen mit fremdländischen Namen. Schon gab Amalie die Hoffnung auf, ihren Bruder zu fin­den, da leuchtete ihr ein deutsches Schild entgegen: Karl Nelle, Handschuhmacher." Wie groß war ihre Freude!( Fortsegung folgt.)

Für die Hausfrau.

Kürbis- Orangenmarmelade. Da Sürbis selbst teinen ausgepräg­ten Geschmack hat, nimmt er leicht jedes Fruchtaroma an. Man kann deshalb andere Marmeladen in rationeller Weise durch Kürbiszusag verbilligen. Seit Anfang Dezember erscheinen die ersten Apfelsinen aus Italien auf den Märkten. In ähnlicher Weise wie bei der in Nr. 6 beschriebenen Kürbis- Zitronenmarmelade kann man durch Zu­satz von Apfelsinen eine Marmelade herstellen, die im Geschmack der von vielen hochgeschätzten Orangenmarmelade sehr nahe kommt. Auf jedes Pfund geschälter Kürbisstückchen rechnet man etwa eine Apfel­fine. Die gelbe Schale einiger Früchte wird feingerieben, am besten auf hartem Zucker, und der breiweich gefochten Kürbismasse zugesetzt. Alles Pelzige und Weiße wird sorgsam von den geschälten Apfel­finen entfernt. Dann schneidet man sie quer durch, nimmt die Kerne heraus und schneidet die einzelnen Spalten in feine Scheiben. Dies

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alles tocht man nun mit dem nötigen Zucker, wie in Nr. 6 angegeben, zu einem dicken Fruchtbrei. M. Kt.

Sauce and Milch von grünen Heringen gibt zusammen mit Salz oder Bellkartoffeln ein billiges und wohlschmeckendes Gericht. Die Milch wird mit feingeschnittenen Speckwürfeln und etwas Zwiebel zusammen unter fleißigem Umrühren gedünstet, dann mit Pfeffer und Salz abgeschmeckt und kurz vor dem Anrichten mit ein wenig Wasser oder Fleischbrühe usw. aufgelassen. Man muß darauf achten, daß die Milch so fein wie möglich zerrührt wird, damit man eine gut ge= bundene gleichmäßige Sauce erhält. Wer einen pikanten Geschmack liebt, kann der Sauce einen Schuß Essig oder etwas Zitronensaft hinzufügen.

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Feuilleton

Der Jäger.

Bon Olive Schreiner .

E. W.

( Schluß.)

Er wandte sich zum Gehen, aber johlend umkreiste ihn das Volk. " Tor, Hund, wahnsinniger Narr!" schrien sie. Wie konntest du wagen, den Käfig zu zertrümmern und die Vögel fliegen zu lassen?"

Der Jäger sprach; doch sie hörten ihn nicht.

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" Wahrheit", was ist das? Vermag sie Hunger zu stillen oder Durst zu löschen? Wer hat sie gesehen? Deine Vögel aber waren Wirklichkeiten: alle konnten sie singen hören! O du Narr, häßliches Reptil, Atheist," schrie es durcheinander, du verpestest die Luft!"

,, Steiniget ihn," riefen einige. Was geht es uns an," sagten andere. Laßt den Simpel laufen," und sie gingen fort. Die Zu rückbleibenden aber hoben Steine und Kot auf und bewarfen ihn. Gebrochen und verwundet schlich der Jäger endlich in den Wald. Es dämmerte um ihn her. Weiter und weiter wanderte er, und die Schatten wurden tiefer und tiefer; jetzt befand er sich an den Grenzen des Reiches ewiger Nacht. Da er eintrat, umfing ihn tiefe Dunkelheit, und er tastete mit seinen Händen umher; doch jeder Ast brach unter seiner Berührung, und der Boden war mit Asche bedeckt. Sein Fuß sant bei jedem Schritt ein, und kleine Wölkchen leichter Asche wirbelten in sein Gesicht.

Er wandelte in Finsternis.

Endlich ließ er sich auf einen Stein sinken und vergrub sein Ge­sicht in den Händen, um hier mitten im Reiche des Zweifels und der Verneinung zu warten, bis es Licht würde.

Und auch in seinem Herzen war es Nacht.

Aus den Sümpfen zu beiden Seiten stiegen falte Nebel auf, ein feiner, unsichtbarer Regen fiel und sammelte sich in großen Tropfen in seinem Haar und auf seinen Kleidern. Sein Herz schlug schwach, und seine Glieder fingen an zu erstarren. Als er einmal aufsah, tanzten zwei lustige Irrlichter heran. Er erhob den Kopf und schaute zu, wie sie näher und näher heranhuschten. Sie glichen kleinen Feuersternen, wie sie so glühend und schimmernd daherkamen. Dicht vor ihm machten sie Halt. Ein lachendes Frauenantlitz mit Grüb­chen und wallendem Goldhaar blickte ihm aus dem Herzen des einen Flämmchens entgegen, während der Kern des anderen leicht bewegt schien wie perlender Wein im Glase. Und sie tanzten um ihn her.

Wer seid Jhr," fragte der Jäger, die Ihr allein mich aufsucht in Einsamkeit und Finsternis?"" Wir sind die Zwillinge Sinn­lichkeit. Unseres Vaters Name ist Menschliche Natur, und unsere Mutter nennt sich 2 ust. Wir sind so alt wie Berg und Fluß, so alt wie der erste Mensch, und wir verlöschen nie," so ficherten sie.

" Laß dich in meine Arme schließen," lockte die eine; sie sind weich und warm. Ich will dein erstarrtes Herz wieder schlagen machen. Komm! o komm zu mir!"

Meine heiße Lebensglut will ich dir einhauchen," zischelte die andere. Dein Hirn ist stumpf, und deine Glieder sind starr, aber freies, ungestümes Leben soll sie durchströmen. O laß dich damit erfüllen."

" Folge uns", lockten sie, und lebe mit uns. Edlere Herzen noch als das Deine, die in Finsternis Harrten, sind zu uns gekommen und wir zu ihnen, und nie mehr haben sie uns verlassen, nimmer­mehr."" Alles andere ist nur ein Wahn, aber wir sind wirklich, wir sind wahrhaftig. Wahrheit ist ein Wahn; in den Tälern des Aberglaubens spielt man ein Bossenspiel; die Erde ist Staub und Asche die Bäume alle verfault; aber wir berühr uns wir leben! Uns kannst du nicht anzweifeln; fühle, wie warm wir sind; komm, o fomm zu uns, komm!"

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