Nr. 25
Für unsere Mütter und Bausfrauen
solche Sitten ficher Abwehrmaßregeln der Geister gewesen. Man wollte der Totenseele soviel wie möglich Annehmlichkeiten ins Jenseits mitgeben, um fie freundlich zu stimmen und ihr Heimweh nach der schönen Erde zu verringern.
Die Furcht vor der fortlebenden Seele hat auch eine andere Art von Handlungen hervorgerufen, die wir als Trauerbräuche bezeichnen und die doch nichts anderes sind als Abwehrmaßnahmen. So die Trauerkleidung, die von der gewöhnlichen, mehr oder weniger bunten völlig abweicht, meist ganz weiß oder ganz schwarz ist. Sie soll den Träger der abgeschiedenen Seele unkenntlich, vielleicht ganz unsichtbar machen und ihn so vor ihren Belästigungen schüßen. Besonders die Witwen verschleiern sich überall sehr dicht. In Kamerun ist die Trauertoilette, wenigstens für die Weiber, völlige Nacktheit; in der Tat sind dann auch die Einzelpersönlichkeiten recht schwer zu unterscheiden. Anderswo schert man sich die Haare- auch das macht unkenntlich. Den Juden der Bibel wurde das verboten, dafür sollten sie eine bestimmte Zeit lang die Haare wachsen lassen. Auch diese Vorschrift hatte denselben Zweck, genau so, wie das vielfach übliche Nichtwaschen.
Von der Trauerkleidung der Deutschen sowohl im Altertum wie im Mittelalter wissen wir recht wenig; Frauen verhüllten um 1350 den Kopf nach Nonnenart und trugen ein dunkles Kleid. Die eigent liche Trauerfarbe war violett. Um 1500 fam die schwarze Trauertracht auf. Die Männer zu Augsburg trugen zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zum Zeichen der Trauer eine regelrechte Verkleidung, nämlich sogenannte Nebel- oder Gugelfappen, eine Art schwarze Kapuzen, die das Gesicht ganz oder größtenteils verdeckten. Ähnlich gehen ja noch gewisse Mönche, besonders bei Begräbnissen oder Prozessionen angezogen, mit vorn völlig geschlossener Kapuze, die nur für die Augen zwei Löcher aufweist. Man gibt diesem Aufzug heute natürlich eine symbolische Bedeutung. Das Schwarz und der Schleier sollen die ernste Abkehr von den weltlichen Zustbarkeiten darstellen. Der Ursprung dieser Sitten liegt aber zweifellos in der Geisterfurcht.
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Zu den häufigsten Abwehrhandlungen gehört auch die Vermeidung des Namenszaubers.„ Namen bedeuten" heute freilich nur noch dem Naturmenschen. Wir mit unseren abgeschliffenen und ab= gegriffenen Sprachen vermögen die Bedeutung der Worte ohne wissenschaftliches Studium überhaupt nicht mehr zu erkennen Tennen die meisten doch nicht einmal die Bedeutung ihrer eigenen, ihnen bei der Taufe beigelegten Namen. Hier ist uns alles mechanisch geworden. Aber der Wilde kennt die Bedeutung seines Namens, dent das ist sein Ich, sein Selbst, seine Seele. Viele Naturmenschen verhehlen deshalb auch ihre Namen, weil man glaubt, wer diesen wisse, erhalte eine Gewalt über dessen Träger, sei es ein Mensch, sei es ein Geist. In einem Kriege der Engländer mit dem indischen Lande Nepal fing man einen Brief von dessen Fürsten an seine Untertanen ab, der anbefahl:„ Sucht den Namen des britischen Generals zu erfahren, schreibt denselben auf ein Stück Papier , nehmt dieses mit etwas Reis und Safran und sprecht darüber dreimal die große Beschwörungsformel. Ist das geschehen, so laßt Pflaumenholz kommen und verbrennt alles miteinander." Auch heute noch legen christliche Gesundbeter und ähnliche Leute Wert darauf, daß der Name genannt werde, als ob der liebe Gott seine Geschöpfe nicht auch ohne Namen tennen könnte.
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Die Verstorbenen kennen ihre Verwandten mit Namen und können ihnen so durch Zauber schaden deshalb legen diese oft, wie sie sich schon in der Kleidung unkenntlich machen, auch ihre alten Namen аб nunmehr werden Seele wie Zauber sie einfach nicht mehr auffinden. Darum erhalten auch, so bei den Eskimos, Schwerkranke einen anderen Namen, damit der plagende Geist, meinend er sei an falschem Plage eingelehrt, ausfahre und den Richtigen" suche. Darum besitzen die Jakuten überhaupt zwei Namen: einen richtigen, der aber nur im Notfall angewendet wird, und einen anderen zur Täuschung der Geister.
Aber umgekehrt wird auch der Name eines Verstorbenen bei den Unkultivierten selten genannt; der Australier spricht ihn immer nur mit Scheu aus. Man glaubt mit dem Aussprechen des Namens die Seele zu rufen und will doch mit ihr so wenig wie möglich zu tun haben. Bei den Polarvölkern erhalten deshalb alle, die wie der Tote heißen, einen neuen Namen. Bei den südamerikanischen Indianern, vielen Südseestämmen, nordasiatischen Völkern und Kaffern dürfen sogar meist die einzelnen Silben des Namens von Verstorbenen nicht gebraucht werden, und man muß für Dinge, deren Namen die verbotenen Silben enthalten, neue Namen erfinden, was meist Sache der bejahrten Frauen ist. Aus dieser Ursache sind auch die Sprachen vieler benachbarten Gruppen oft so verschieden voneinander und ändern sich binnen wenigen Jahrzehnten völlig in ihrem Wortschatze. Als auf der Insel Tahiti die Königin Bomare gestorben
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war, entstand große Verwirrung, weil man auch das Wort Po, das die Nacht und die Nachtgottheit bezeichnet, nicht mehr gebrauchen durfte. Bon unangenehmen, besonders das Geisterreich angehenden Dingen möglichst wenig zu reden, ist fast überall allgemeine Volksfitte. Auch bei uns warnt das Sprichwort:„ Wenn man den Wolf nennt, kommnt er gerennt," vor unnötigem Erwähnen der Geister. Der Wolf ist ein und jedenfalls das unangenehmste Geisttier bei den alten Germanen. Bis in die Neuzeit glaubt das Volk, daß schlimme Menschen, besonders Heren, sich in„ Werwölfe" verwandeln. Auch heute noch erwähnt man in Boltstreifen bei uns Verstorbene möglichst wenig; ist man dazu genötigt, so nennt man sie nicht beim Namen, sondern braucht Umschreibungen, von denen die christliche Form der Selige die häufigste ist, ein Beweis, wie lange fich Vorstellungen, Redensarten und Gebräuche noch erhalten können, deren wirklicher Zweck und ursprüngliche Bedeutung längst vergessen ist. Fast alle religiösen und abergläubischen Zeremonien sind überlebsel und Weiterbildungen einstiger Mittel, mit denen der Urmensch seine Geister zu bannen suchte. Die Gespensterfurcht des Urmenschen war ein Produkt seiner Unwissenheit und Schreckhaftigkeit, die ihn in allen Vorgängen der Natur und Gesellschaft das Walten unsichtbarer Seelen erblicken ließ. Je mehr die Menschen den Vorgängen in der Natur und in der menschlichen Gesellschaft wissenschaftlich auf den Leib rücken, desto weniger Neigung ist mehr vorhanden zu Gespenstergeschichten, Herenwahn und mystischem„ Gruseln".
Feuilleton
Beim Gemeindevorsteher.
( Fortsetzung)
Der Nachmittag ist herangekommen, und mit einemmal geht ein heftiger Plazregen über den Acker nieder. Schon lange hatten Per und die anderen Kartoffelgräber mit mißtrauischen Blicken die dicken Regenstreifen beobachtet, die im Südosten hingen, den Kettenfäden eines Riesengewebes gleich.
Die schweren Tropfen fallen zischend und flatschend in die schwarzen Kartoffelstauden und dringen den zur Erde Gebückten bis auf die Haut. Sie schütteln sich ein bißchen und kriechen dann wie erschreckte Igel zusammen. Als aber der Regenschauer länger anhält, legen sie wieder Hand an die schwarzen, kantigen Kartoffelstengel.
Wolle Skajbaek drückt seine Befriedigung aus, daß sie doch dem Wetter den Rücken zukehren.
„ Ja, der kann's noch am ehesten aushalten," meint die GaloppSofie.
Fort und fort schüttet es vom Himmel herunter. Nun ist der Acker lauter Morast. Die Erde legt sich wie Brotteig zwischen die Finger. Der Stoß an den Kleidern der Frauen schleppt in langen Streifen und bildet eine kleine Rille im Sande hinter jeder von ihnen. Rücken und Füße sind wie Eis; auch die Zunge ist förm= lich eingefroren, niemand spricht mehr ein Wort; selbst das Fallen der Kartoffeln wider die nassen Dauben schallt nun tot und dumpf. Die Augen des alten Ywer rinnen immer stärker, jeden Augenblick erhebt er sich auf den steifen Knien und klopft sich mit den Pulswärmern unter die Achselhöhlen, wie ein Gänserich auf dem Teich sich mit den Flügeln schlägt. Die blasse Line hüstelt nun ohne Unterlaß.
Das Fallen der Kartoffeln schallt immer toter, und die Stille wird nur durch den Klang der eisernen Henkel unterbrochen, wenn ein Eimer über die Stauden hingeworfen wird.
Per schlägt der Regen gerade ins Geficht. Die Tropfen zerplazen an seinem Müßenschirm und seinen braunen Fingerfnöcheln und rinnen in klebrigen Strömen am Forkenschaft hinab. Die anderen schauen zu ihm auf, ob er die Arbeit denn wirklich unter solchen Verhältnissen fortsetzen wolle. Per blickt nach der grauen Wolkenwand hin.
" Ist das eine überschwemmung!" sagt er und spuckt das in den Mund gefickerte Regenwasser aus.
„ Na, höher als bis zum Bauche reicht's doch noch nicht!" meint die Galopp- Sofie.
" Ist wahrhaftig auch mehr als genug," erklärt Wolle Skajbaek mit Nachdruck.
" Ich hab geglaubt, es wird gleich, wieder aus sein," bemerkte Per. Und hat man mit dem Arbeiten ausgesezt, so sind dann die Glieder gar zu steif, wann's wieder dran gehen heißt."
" Nja- a!" brummen alle.
,, Könntet euch vielleicht für eine Weile beim Wagen unterstellen?" Dazu waren alle schnell bereit. Unter den schüßenden Brettern des schweren Leiterwagens stellt sich bald wieder etwas von jenem