2Z Für unsere Muller und Äausfrauen Nr. 6 den Flecktyphus, der gerade jetzt so ungeheuer viele Opfer for dert. Trotzdem ma» in den Organen oder in den Ausscheidungen der Patienten keine Bakterien gefunden hat, die für die betreffende Krankheit charakteristisch find, so müssen wir diese Krankheiten doch zu den Infektionskrankheiten rechnen, weil uns der Augen schein lehrt, datz sie von einem Patienten auf den andern über tragen werden. Wenn zum Beispiel ein Kind, das Masern hat, mit einem gesunden Kinde auch nur ans kurz« Zeit zusammen ist, so wird letzteres mit Masern angesteckt. Dasselbe gilt für den Schar lach und für die anderen erwähnten Krankheiten. Ansteckende Krankheiten können von einschneidender Bedeutung für das ganze Volksleben sein; es sei hier cm erster Stelle erinnert an die Bedeutung, die die P e st im Mittelalter gehabt hat. Die Pest ist eine ansteckende Krankheit, die in unserer Gegend heute vollständig erloschen ist, während sie in Asien , im tropischen Amerika und in anderen tropischen Gegenden auch heute noch vor kommt. Im Mittelalter dagegen war die Pest ein unheimlicher Gast in Europa . Ganze Städte starben aus, ganze Länderstriche von Deutschland , Italien und der Schweiz wurden menschenleer. Stadt und Land waren von Leichen bedeckt. Es war derschwarze Tod", den Meister Holbcin in so grauenvoller Weise gezeichnet hat. In dem Haupthcrde der Pest, in Indien , fordert sie auch heute noch Millionen von Opfern. Sehr verbreitet ist in Indien auch heute noch eine andere Infektionskrankheit, die bei unS nur noch selten vorkommt, die Cholera. Sie hat sich in Nussland augenscheinlich ziemlich festgesetzt, wo von Zeit zu Zeit stärkere Choleraausbrüche vorkommen. Von Rußland werden auch einzelne Fälle von Cholera nach Deutschland verschleppt. Dank den verschiedenen Vorbeugungs- maßregeln, die man im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte gegen diese ansteckenden Krankheiten in Europa ergriffen hat, kommen sie hier nur vereinzelt vor oder in kleineren Epidemien, die durch ein zelne verschleppte Fälle hervorgerufen werden. Sobald aber die Vorbeugungsmaßregcln nachlassen, gewinnen diese Infektions krankheiten ihre alte verderbliche Bedeutung für das Leben der Völker. Man denke sich einen einzelnen Typhusfall, der nicht in einer Isolierbaracke von der Außenwelt abgeschnitten wird. Sofort ist die Möglichkeit gegeben, datz die ganze Stadt vom Typhus be fallen wird. Man denke sich, datz die Geschwister eines scharlach- krankcn Kindes in die Schule kommen und mit anderen Kindern verkehren die ganze Schule erkrankt an Scharlach . Besonders deutlich sieht man das jetzt während des Krieges. Da ist es natür lich ausgeschlossen, datz man alle jene Vorbeugungsmatzregeln er greift, die in normalen Zeiten möglich sind. Wir sehen deshalb über all Infektionskrankheiten, wie Cholera, Dysenterie, Typhus , Fleck typhus usw., stärker auftreten, als eS sonst der Fall ist. Schon allein die Ansammlung ungeheurer Mcnschcnmassen, die der moderne Krieg mit sich bringt, das Zusammenwürfeln verschiedener Nationen bei der Gefangennahme größerer Truppenmassen usw., unterstützen die Verbreitung von Infektionskrankheiten. (Schluß folgt.) o o o Weihnachtsgaben. Weihnachten steht vor der Tür. Ein blutiges, freudloses Weih nachten. Nur die Augen der Kinder leuchten in alter Weihnachts hoffnung; und im Ausmalen der Weihnachtsherrlichkeiten, in, Auf stellen heimlicher Wunschzettel, im zweifelnden Bangen, ob das Christkind auch wirklich sie nicht vergessen werde, nehmen ihre Herzen sich das beste und reinste Stück der Weihnachtsfreude ahnungslos vorweg. In wje mancher Kanimer wird diesmal der heilige Abend düster und frostig sein! Wie viele proletarisch« Mütter und die Zahl ist Heuer weit größer als sonst werden mit leeren Händen vor ihren Kindern stehen und zu allem anderen Kummer hin den Schmerz empfinden, ihren Lieblingen nicht« schenken zu können! Gewiß werden überall ein Dutzend oder mehr wohltätiger Vereine sich auch dieses Jahr anstrengen, um den.armen Kindern" eine Weihnachtsfreude zu bereiten. Man wird ermitteln, wer es.nötig hat", und in einem großen Saal werden ein paar große Lichter bäume stehen mit elektrischen Glühkerzen natürlich und an langen Tischen werden allerhand nützlich« Gaben hübsch geordnet der Verteilung harren. Es wird vielleicht auch nicht an bescheidenen Spielsachen und etwaS Backwerk fehlen, auch nicht an einer kleinen erbaulichen Ansprache und erbaulichen Liedern. Damen und Herren werden mit süßen Mienen sich in christlicher Nächstenliebe und.so zialer Hilfstätigkeit" üben und der ehrlichen Meinung sein, an diesem einen Abend ihr redliches Teil zur Qberbrückung der Klassengegen sätze geleistet zu haben. Man wird später in den Vereinsberichten lesen, datz während des Krieges soundso viel tausend oder gar zehn lausend.arme Kinder" reichlich beschenkt wurden. Gewiß, die Herren und Damen meinen cS gut, und eS wird ja auch Proletariereltem geben, die dankbar sind für dieBrosamen, die von des Reichen Tische fallen". Diese Arme-Lazarusseelen sind schon zu mürbe gemacht und abgestumpft, um daS Demütigende solcher WeihnachtSalmosen noch voll zu empfinden. Sie sehen keine Beleidigung darin, daß ihnen hier ein Mitgefühl bewiesen werden soll, das die harte Not des Lebens doch täglich Lügen straft. Mouche Proletariereltern freilich gehen nur hin um ihrer Kinder willen. Sie wollen ihnen die Weihnachtsfreude nicht ganz versagen, und da sie selber nichts geben können, so sollen die Kinder hier wenig stens froh werden. Wer könnte sich in die Seele solcher Mütter nicht hineinfühlen? Wer seine Kinder lieb hat, dem ist es kein geringer Schmerz, ihnen eine Freude, eine langgehegte Erwartung versagen zu müssen, lins Alte lehrt die erbarmungslose Schule des Lebens auf Freuden ver zichten. Aber Kinder haben ein Recht auf Freude. Freude ist für die kindliche Seele, was der warme Mairegen für ein frisch bepflanztes Beet ist. Alle Geistes- und Körperkräfte gedeihen erst vollkommen unter dem belebenden Regenschauer der Freude. Aber die Eltern dürfen nicht vergessen, daß nicht alle Freude gleich gut ist. Es gibt auch Scheinfreuden, die wie billige Fabrikware sind, wie Zucker zeug, das man mit giftigen Farbstoffen vermengt hat. Derart sind die genannten Christbescherungen. Sollen wir denn wirklich unser- Kinder dazu anleiten,.Wohltaten" zu empfangen, garWohle taten" zu erwarten, und zwar aus den Händen einer Gesellschaft, die nur durch unsere eigene Arbeit und Armut in den Stand ge setzt wird, Wohltaten zu spenden? Wo bleibt da unser proletarischer Stolz, unser sozialistischer Anspruch auf vollen Anteil an allen Lebensgütern? Hier wird Freudeversagen zur gebieterischen Pflicht für proletarische Eltern zugunsten einer besseren, höheren Freude, die darin besteht, daß wir unsere Kinder schon frühe mit dem trotzigen Geiste der Selbsthilfe, mit dem schönen Stolze erfüllen, der auf alle Bettelsiippen verzichtet, und seien sie noch so verlockend und mit noch so süßen Worten dargereicht. Viele Eltern wähnen auch mir, sie seien nicht imstande, ihren Kin dern eine Weihnachtsfreude zu bereiten. Sie zählen die wenigen Groschen, die sie verdienen und die gerade zum Allernötigstcn aus reichen, manchmal nicht einmal dazu. Sie lesen die Preise der Spiel waren in den Schaufenstern, aber alles, was schön und gut und verlockend aussieht, ist unerschwinglich teuer. Wie herzlich wenig verstehen diese Eltern von Spiel und Wesen des Kindes! Als ob es darauf ankäme, was ein Ding kostet, als ob dieKunst", die der Hersteller daran verschwendet hat, maßgebend sei für den Spiel wert des Gegenstandes! Ist es nicht oft gerade umgekehrt? Wir Er wachsenen beurteilen die Spielwaren allzusehr nach unserem mehr oder minder verdorbenen Alten-Geschmack, schätzen sie von unserem Standpunkt aus, glauben, was unS gefällt, müsse auch als Spiel zeug in den Händen unserer Knaben und Mädchen das Beste sein. Sehen wir uns einmal ein großes, modernes Spiclwarenschau- fenster an. Da kreisen elektrische Bahnen durch Tunnels, die mit Glühbirnen elektrisch erleuchtet sind. Alles, der Bahnhof, die Weichen-" wärterstelle, die Signale, die Güter- und Personenwagen, die Loko motive und der Tender sind bis ins kleinste eine peinlich genaue Nachahmung der Wirklichkeit. Gewiß, eine Leistung, die unsere Be wunderung hervorrufen mutz. Und auch die Kinder werden mit Staunen, ja Interesse vor dem Schauspiel stehen bleiben. Eignet sich das teure Machwerk darum zum Spielzeug? Freilich, man cher Knabe wird seufzen:Ach, wenn ich das nur hätte!" und der Jubel würbe kein Ende nehmen, könnten wir ihm eine solche Eisen bahn auf den Weihnachtstisch legen. Aber beobachten wir doch nach her, was daS Kind damit anfängt! ES hat im besten Fall eine Uirterhaltung, einen Zeitvertreib. Spiel soll aber weit mehr sein; das wahre Spiel ist eine Qbung aller Kräfte, ein geistiges Arbeiten des KindeS mit kindlichen Mitteln. ErfindungSgeist, Phantasie, Hand fertigkeit, Selbstvertrauen, Gewandtheit, tausend kleine, aber wich tig« Lebenserfahrungen vermittelt das Spiel, das echte, gute Spiel dem Kinde. Aber was arbeitet die Phantasie des Kindes, wenn es die Eisenbahn dreißigmal im Kreise laufen läßt? Noch weniger sind jen« anderen teuern Spielzeuge wert, die eigentlich nur zum Anstaunen da sind, mit denen daS Kind überhaupt nichts anfangen kann. Bon der erschreckend rohen Idee, künstliche Schlachtfelder vor dem kindlichen Auge aufzubauen, wollen wir ganz schweigen. Dieses aber ist daS Haupterfordenns jedes Spielzeugs: das Kind nwß etwas damit anfangen können, mutz ungeniert damit herum hantieren dürfen. Ein Spielzeug, daS zukostbar" dazu ist, hat keinen Sinn, ist eben gar kein Spielzeug. ES soll damit durchaus nicht gesagt werden, daß eS nicht auch brauchbare, teure Spielsachen, zumal für ältere Kinder gibt, zum Beispiel manche Werkzeug- und Baukästen zur Selbstherstellung einfacher Maschinen, elektrischer Ap-