Nr. 10
Für unsere Mütter und Hausfrauen
Auch das so gefürchtete Strychningift, das Morphin und zahlreiche andere Gifte gehören in dieselbe Gruppe; ebenso das Nikotin, das in den Tabakblättern enthalten ist und beim Rauchen in den Körper aufgenommen wird. Davon genügen schon ganz geringe Mengen, um unseren Körper zu vergiften. Vom Strychnin zum Beispiel genügt schon ein Milligramm oder der tausendste Teil eines Gramms, um ein Kaninchen zu töten. Gegen geringe Mengen dieser Gifte ist unser Organismus aber gefeit, und zwar durch den guten Dienst, den die Leber ihm leistet. Wenn man nämlich in derselben Weise, wie wir es oben beschrieben haben, die Leber eines eben getöteten Tieres mit Blut durchspült, dem man geringe Mengen von Gift hinzugefügt hat, so verliert das Blut allmählich an Giftigkeit. Die Leberzellen fangen diese Gifte zum Teil heraus, um fie zu zerstören. Wie prompt in dieser Beziehung die Leber arbeitet, zeigt folgender Versuch: Tropft man einem Frosch eine sehr geringe Menge von Nikotin auf die Haut, so tut das dem Frosch nichts. Wenn man ihm aber das Blutgefäß unterbindet, das vom Darm in die Leber führt, die sogenannte Pfortader, die wir schon mehrfach erwähnt haben, und dann dieselbe Menge Nikotin auf die Haut tropft, so geht er dabei zu Grunde. Einfach darum, weil nach der Unterbindung der Pfortader das Nikotin, das durch die Haut in das Blut kommt, nicht mehr in die Leber hineingelangen fann und ungestört seine verheerenden Giftwirkungen auf den Körper des Tieres auszuüben vermag.
Wie mit den Giften, die im Körper selbst entstehen, und mit zahlreichen Giften, die von außen in den Körper hineingelangen, so verfährt auch die Leber mit einem anderen Gift, das sich in der menschlichen Gesellschaft ganz besonderer Beliebtheit erfreut, mit dem Alkohol. Auch das Alkoholgift wird zum Teil von den Leberzellen abgefangen, um hier chemisch verarbeitet, verbrannt zu werden. Aber nicht aller Alkohol, der in den Magen und Darm und von hier in die Leber gelangt, wird hier festgehalten; ein Teil geht durch die Leber hindurch und gelangt zu allen Organen des Körpers, wo er dann seine verheerenden Wirkungen ausüben kann. Im übrigen darf auch den Leberzellen nicht allzuviel zugemutet werden. Auch die Leberzellen selber leiden unter dem Alkohol, auch fie unterliegen seiner Giftwirkung, und es ist eine bekannte Tatfache, daß die Alkoholiker sehr häufig an Leberkrankheiten leiden. Die Leberzellen erkranken infolge der Giftwirkung des Alkohols und tun ihre Arbeit nicht mehr wie sonst. Das schadet nicht nur ihnen, sondern auch allen anderen Organen im Körper, da jetzt die Schutzwirkung der Leber fortbleibt.
Wir haben gesehen, was die Leberzellen in unserem Körper alles tun können. Da gilt es, den roten Blutfarbstoff, der aus den roten Blutförperchen in den Kreislauf hineingelangt ist, chemisch zu verarbeiten; Stoffe zu bereiten, die bei der Fettverbauung mittun; es gilt, sich am Zucker- und am Eiweißhaushalt in unserem Körper zu beteiligen, und schließlich gilt es, all die vielgestaltigen Gifte, die im Haushalt des Körpers entstehen oder von außen in den Körper hineingelangen, unschädlich zu machen. Fürwahr, eine Fülle von Arbeit! Man wird nach alledem wohl verstehen, daß alle Schädigungen, die die Leber treffen, von größtem Einfluß sein müffen auf die Gesundheit des ganzen Körpers. Der kundige Arzt erkennt schon am Aussehen des Patienten, daß er eine Leberkrankheit hat. Und da wir gehört haben, daß auch das Alkoholgift von einer so schädlichen Wirkung ist auf die Leberzellen, so haben wir alle Veranlassung, die Kenntnis, die wir über die Leber erworben haben, auch zu verwerten im Kampf gegen den Alkoholteufel.
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Ein Mensch.
Das französische sozialistische Frauenblatt 2'Equite " bringt unter diesem Titel eine Würdigung Nomain Rollands, des großen französischen Dichters, dessen Jean- Christophe" ein so inniges Verständnis deutschen Wesens atmet. Die Verfasserin des Artikels, Marcelle Cap y, schreibt:
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Wenn es zur jeßigen Stunde einen Mann gibt, der den guten Ruf Frankreichs rettet, ist es Romain Rolland . Ich spreche hier nicht von den Kämpfenden. Sie geben ihr Blut dahin. Aber die anderen, hinter der Front, hätten diese nicht eine andere Aufgabe gehabt, als Haß zu säen?... Aus Dummheit, aus Wahnwit und auch sogar meistens aus Eigennut wollten sie nicht verstehen, daß, wenn man zu schwach ist, um seine Brust darzubieten, der einzige Vaterlandsdienst darin besteht, die moralischen und materiellen übel, unter denen das Land leidet, zu lindern. Die Fran zosen , die stolz darauf sind, an der Spitze der Zivilisation zu marschieren, sollten sie nicht ihren unerschütterlichen Glauben an die Versöhnung der von Tyrannei und vorzeitlicher Bestialität be
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freiten Menschheit bekennen?... Nur Romain Rolland hat das getan. Er hat den Titel des großen Franzosen", den seine Freunde ihm zuerkannten, damit verdient. Während so viel armselige Nichtswisser ihre Ohnmacht und Dummheit verbergen hinter Abhandlungen über Politik, wovon sie keinen Dunst haben, während soviel Unfähige ihre Schwäche mit heroischem" Truggold verbrämen, bescheidet er sich damit, ganz einfach ein Mensch zu sein, stolz auf seine Menschlichkeit. Er schreibt:„ Das Ende des Krieges hängt nicht von uns ab, aber von uns hängt es ab, ihm von seiner Bitterkeit zu nehmen. Wie es Ärzte für den Körper gibt, so sollte es Ärzte der Seele geben, die die Wunden des Haffes und der Rache heilen, die unsere Völker vergiften. Dieses Amt haben wir, die wir schreiben. Und während das Rote Kreuz gleichsam als Bienenstock Honig aus den Kämpfen zieht, wie in der Bibel die Bienen in Rachen des toten Löwen , versuchen wir doch, es ihm gleichzutun und dem Liebeswerk an den Verwundeten des Schlachtfeldes das unfere, im Reiche der Gedanken, an die Seite zu stellen."
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Geballte Fäuste, von Wut verzerrte Gefichter, das war die Antwort! Weil er Mensch geblieben war innerhalb des allgemeinen Wahnsinns, hat die Meute der Toren, der Gewinnsüchtigen, der Bynifer getobt. Indem fie fich wohl hüteten, ihren gläubigen Lesern die beredten Säße, die sie verschrien, zu lesen zu geben, schleuderten die traurigen Helden vom Schreibtisch" niederschmetternde Beschimpfungen gegen den, der sie kritisiert hatte. Was haben sie nicht alles gesagt!... Ist man nicht sogar so weit gegangen, ein Flugblatt zu veröffentlichen, dessen Titel schon eine Niedrigkeit ist: " Romain Rolland gegen Frankreich ."
Zum Glück ist in unserem Lande nicht jeder Edelmut erstorben, nicht jeder Gedanke versflavt, nicht jedes Herz stumpf geworden. Güte und Gerechtigkeit sind nicht ausgelöscht. Und ihm, der gesagt hat:" Ich spreche, um mein Gewissen zu erleichtern, und ich weiß, daß ich damit gleichzeitig das von tausend anderen erleichtere, die dem in diesem Lande nicht reden können oder zu reden wagen" wendet sich die Sympathie aller Wohlgesinnten zu. Je mehr er an= gegriffen wird, je mehr wird er geliebt. Dankbarkeit und Bewunderung der Besten mögen ihn trösten, wenn ein Mann wie er des Trostes bedarf. Und mit welcher Liebe habe ich seinen Namen oft nennen hören!
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Die Frauen fonnten seinem edlen Freimut nur Beifall zollen. Von Natur sind sie unverföhnliche Gegnerinnen der Gewalt. Von Natur find sie für das Opfer und gegen den Henker. Alle, die ihre Mission als Frau noch erkennen und es ablehnen, sich in einer lächerlichen Walkürenrolle zu gefallen, hörten bewegt der Stimme Romain Rollands zu, wenn sie sprach:
" Zwischen dem Kreuzfeuer der Bomben der beiden Armeen gingen die Winzer der Champagne ihrer Ernte nach. Sammeln wir die unsere! Sie bedarf der Arme aller derer, die dem Kampfe entrückt sind. Mir scheint, daß die Schriftsteller Besseres zu tun haben, als ihre blutige Feder zu schwingen und an ihrem Tische fißend immer weiter zu schreien:„ Töte! Töte!... Die würdigste Aufgabe derer hinter der Front ist, die Gefallenen aufzurichten und sich während des Kampfes des schönen allzu oft vergessenen Wahlspruchs, Inter arma caritas' zu erinnern."
Welche Frau teilt diese Gedanken nicht? Welche Frau bekennt sich nicht zu diesem Wahlspruch?... Und daher stehen sie auch, ob gebildet oder nicht, ob reich oder arm, ob jung oder alt, zu dem Manne, der den Mut hatte, dem Ausdruck zu geben, was sie empfinden: Mit dem Leben gegen den Tod, mit dem Frieden gegen den Krieg.... Trotz allem!
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Feuilleton
Vier Tage auf dem Schlachtfeld.
( Schluß.)
Die Sonne ist aufgegangen. Ihre große Scheibe, völlig durchschnitten und zerteilt von den schwarzen Zweigen der Sträucher, ist rot wie Viut. Heute wird es scheinbar heiß werden. Mein Nachbar was wird mit dir? Du bist schon jetzt fürchterlich.
Ja, er war schrecklich. Seine Haare begannen auszufallen. Seine Haut, schwarz von Natur, war bleich und gelb geworden; das aufgedunsene Geficht hatte sie so angespannt, daß sie hinter dem Ohre geplakt war. Dort regten sich Würmer. Die Füße, mit Stiefeln befleidet, waren geschwollen und zwischen den Halen der Stiefeln waren große Blafen hervorgekrochen. Und er war wie ein Berg ge= schwollen. Was wird die Sonne heute aus ihm machen?
So nahe bei ihm zu liegen ist unerträglich. Ich muß weiterfriechen, was es auch koste. Aber werde ich es können? Ich kann