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Für unsere Mütter und Hausfrauen
Bei allen diesen Beobachtungen blieben wir noch innerhalb unseres Sonnensystems und sahen, wie wenig uns die direkte Beobachtung zur Erforschung der Oberfläche der Himmelsförper berhelfen kann. Schon in nächster Nähe versagen unsere jetzigen Hilfsmittel, und wir dürfen nicht hoffen, jemals auch nur die Grenzen unseres Sonnensystems einigermaßen zu beherrschen. Was sollen wir da erst erwarten, wenn wir in Figsternräume eintreten? Wir wissen, daß die nächsten Firsterne etwa 200 000 Sonnenentfernungen von uns abstehen, daß das Licht selbst Jahre braucht, um von ihnen bis zu uns zu gelangen. Daß wir da noch Oberflächenbeobachtungen machen wollen, ist natürlich einfach ausgeschlossen. Und würden wir bei einem Firstern Wahrnehmungen über Gestalt und Ausdehnungen machen, selbst bei den unmöglichen Vergrößerungen von 2000 oder 5000, so müßten diese Körper Dimensionen haben, welche diejenigen unseres riesigen Sonnenballs noch ganz weit hinter sich laffen würden. Glücklicherweise ist das für den Fortschritt der Wissenschaft nicht unbedingt nötig, weil wir andere Methoden haben, die uns zwar nicht alles, aber doch außerordentlich viel leisten.
Wir dürfen mit unseren Feststellungen über das Erkennen nicht die Wahrnehmungsmöglichkeit von Gegenständen verwechseln. Denn wir nehmen die meisten Himmelskörper wahr, ohne sie als räumliche Gebilde sehen zu können, wir sehen sie nur gestaltlos! Das Wesentliche aber ist, daß wir sie doch wahrnehmen. Und für dieses Wahrnehmen gibt es eigentlich faum Grenzen. Alles hängt nämlich von der Stärke des Lichtes ab, das ein Körper aussendet. Darum fann auch ein fast beliebig weit entfernter Körper zur Wahrnehmung gelangen, wenn nur sein Licht dazu stark ge= nug ist. Einen wesentlichen Anteil daran nimmt die Unvollkommenheit, mit der unser Auge gebaut ist. Auch ein verschwindend kleiner leuchtender Bildpunkt, der seiner Ausdehnung nach für unser Auge unerkennbar wäre, gelangt doch zu unserem Bewußtsein, weil der Reiz einer Nervenfaser, auf die allein der Lichtstrahl vielleicht fällt, so stark ist, daß er weitere mit anzuregen vermag. Wir sehen dann eigentlich nur noch die Öffnung unseres eigenen Auges im Lichte jenes Gegenstandes.
Unter diesen Umständen können wir also scheinbar außerordentlich kleine Körperchen sehen. Ein gutes Beispiel dafür sind die Marsmonde, die im Jahre 1877 entdeckt wurden. Phobos , der innere, dem Mars nähere, hat einen Durchmesser von 9/2 Kilometer, Deimos , der äußere, gar nur von 8 Kilometer. Wenn wir aber auf dem Mars nach unseren vorhergehenden Feststellungen nur noch Gebilde sehen können, die mindestens 18 Kilometer groß sind, warum sehen wir dann die noch nicht halb so großen Monde überhaupt? Nun, eben weil sie lichtstark genug sind! Mit denselben Hilfsmitteln, die sie entdeckten, würden wir sie auch sehen, wenn sie noch fleiner wären.
Die Firsterne haben nun gewöhnlich eine verhältnismäßig sehr viel intensivere Leuchtkraft. Daher senden uns aus den unmeßbaren Fernen des Weltalls so viele Sonnen ihre Lichtbotschaften zu. Schon die mit bloßem Auge sichtbaren Sterne haben vielfach Entfernungen, die das Licht drei Jahrhunderte unterwegs sein laffen müssen, um zu uns gelangen und gesehen zu werden. Würde solch ein Stern jetzt plötzlich erlöschen, wir würden's erst nach dreihundert Jahren merken! Aber das ist noch wenig! Schreiten wir bis zu den äußersten Grenzen unseres Fixsternsystems- die Milchstraße vor, in deren Mitte wir etwa stehen, so braucht das Licht etwa 22 000 Jahre, um uns davon Kunde zu geben!
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Um nun die Zahlen anzugeben, was das heißt, sei folgendes be= merkt: Das Licht legt in einer Sekunde eine Wegstrecke von 300 000 Kilometer zurück. Da nun ein Jahr 365 X 24 X 60 X 60= 31 536 000 Sekunden hat, legt ein Lichtblik innerhalb dieser Zeit 31 536 000 X 300 000 9 460 800 000 000 Kilometer zurück, das heißt rund 9/2 Billionen Kilometer. Dreihundert Lichtjahre wären also rund 2900 Billionen Kilometer, 22 000 Lichtjahre 209 000 Billionen Kilometer!
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Der Andromedanebel, der vielleicht ein gleiches Sternsystem darstellt wie unser Milchstraßensystem, ist von uns etwa zwanzigmal so weit entfernt als die äußersten Grenzen der Milch straße , das sind rund eine halbe Million Lichtjahre( 4 250 000 Billionen Kilometer). Und der Spiralnebel in den Jagdhunden, den wir wahrscheinlich auch als ein gleiches System ansehen müssen, ist vielleicht noch dreihundertmal so weit, also 6/2 Millionen Lichtjahre( 61% Trillionen Kilometer).
Diese Entfernungen sind unvorstellbar, gerade so gut wie schon diejenige von uns bis zur Sonne. Wir erkennen aber, daß die Tiefe unserer Blicke in den Himmel in der Tat so gut wie unendlich ist. Und in den ungeheuren Entfernungen des Andromedanebels und des Nebels in den Jagdhunden sehen wir sogar noch
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Gestaltungen! Ja sogar Gestaltungs änderungen bemerken wir, wenn auch nicht in so großen Fernen in kurzer Zeit. Aber der neue Stern vom Jahre 1901 hat uns solche Wandlungen in Tagen gezeigt. Wir erkennen daraus, daß die dort vor sich gehenden Prozesse und die in ihnen tätigen Kräfte von einer unbe= schreiblichen Gewaltigkeit sein müssen. Die Geschwindigkeiten, die dabei auftreten müssen, übersteigen alle in unserem Sonnensystem bekannten. Trotzdem bemerken wir von solchen Veränderungen an vielen Gebilden nichts; sie scheinen ewig unveränderlich zu sein. Und dennoch sind sie es nicht. In diesen Entfernungen vermögen selbst die ungeheuerlichsten Geschwindigkeiten nicht, sich unseren Meßwerkzeugen, auch den feinsten ihrer Art nicht, bemerkbar zumachen; Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende gehören dazu. Und erst die Vergleichungen unserer Feststellungen mit denjenigen nach Jahrhunderten und Jahrtausenden vermögen Änderungen. erkennen zu lassen- ein guter Trost für den Zukunftkurs dieser unserer scheinbar zwedlosen Gegenwartarbeit!-
Um so wunderbarer ist es, daß wir schon heute in der Spektralanalyse, die auf der Zerlegung des von den Körpern ausgestrahlten Lichtes beruht, eine Methode befizen, die uns in Verbindung mit anderen Untersuchungsarten tiefe Einblicke gewährt in die Entwicklungs- und Gestaltungsprozesse der Weltkörper, und uns Vorgänge enthüllt, die wir sonst wahrscheinlich nie zu unserer Kennt nis hätten bringen können. Dabei ist die Entfernung schon in hohem Maße ausgeschaltet; die Eigenart der Methode ersetzt, was uns die räumliche Anordnung versagt. Dürfen wir wohl hoffen, daß uns die physikalische Forschung noch weitere ähnliche Methoden beschert, die sich ebenso furchtbar erweisen wie die Spektralanalyse? Nach den schönen neuen Errungenschaften möchte ich sagen: Mir scheint's so!
Gleichberechtigung in der Kinderstube.
Der dreijährige Ali wird zu einem Spaziergang angekleidet. Da es ungewöhnlich kalt ist, will ihm seine Mutter ein Kopftuch um= binden. Er verwahrt sich aber dagegen:" Da werden alle Leute glauben, daß ich ein Mädchen bin."" Nun, und," sagt die Mutter, ,, ist es denn eine Schande ein Mädchen zu sein?" Ali stampft mit dem Fuß auf:„ Ein Bub ist ein Bub und ein Mädel ist ein Mädel." Wer wüßte nicht ein ähnliches Geschichtchen aus der Kinderstube, das zeigt, welch starkes männliches" Selbstbewußtsein diese kleinen Bürschchen, die kaum plappern und laufen können, besitzen. Mitleidig, stolz oder begönnernd betrachten sie das Schwesterchen, ja oft auch die große Schwester und die Mutter, die nur Weiber" sind. Und wer kennt nicht das Gegenstück dazu: das kleine Mädchen, das weint, weil es kein Bub ist, und die Mutter bittet, Hosen tragen zu dürfen wie der Bruder.
Daß es so ist, daß schon kleine Kinder, deren Vorstellung von der Verschiedenheit der Geschlechter doch ganz unklar ist, es für erniedrigend halten, eine Frau zu sein, ist ganz natürlich. Denn früher noch als sprechen, lernt das Kind beobachten. Und da ist nun eine Erscheinung unseres gesellschaftlichen Lebens, die sich ihm tagtäglich auf der Gasse, im Hause, überall geradezu aufdrängen muß: der Vorrang des Mannes. Mit ehrfürchtigem Staunen be= trachtet das Kind den Straßenbahnschaffner mit seiner Knipszange, den säbelrasselnden Offizier, den allmächtigen Schuhmann. Manch sehnsüchtig bewundernder Blick trifft den Kutscher auf seinem erhöhten Siz. Dem Vater verleiht seine Tätigkeit, mag er nun daheim ein Handwerk betreiben oder ins Geschäft oder in die Fabrik gehen, in den Augen des Kindes eine besondere Würde, die ihn über die Mutter erhebt, die vielleicht„ nur“ die Hausarbeit versieht. Am entscheidendsten aber wird das Urteil des Kindes beeinflußt von dem, was es von dem gegenseitigen Verhalten der Eltern wahrnimmt. Es hat bald heraus, ob der Vater die Mutter als gleichwertigen Menschen behandelt oder ob er sich auf den Herren hinausspielt und fie tyrannisiert. Hat das Kind Gelegen. heit, das letztere zu beobachten, so wird, wenn nicht seine Sympathie, so doch seine Furcht, sein Respekt dem Vater gelten. In ihm, dem Manne, wird es den Starken, den überlegenen sehen, in der Mutter, der Frau, die Schwache und Untergebene. Aber auch dann, wenn Vater und Mutter in gutem Einvernehmen leben, wird das Kind meist beobachten können, daß es der Vater ist, der anordnet und bestimmt, und die Mutter, die sich fügt. Es wird daraus den Schluß ziehen, daß der Mann zum Befehlen, die Frau zum Gehorchen da ist. Oft ist es die Mutter selbst, die dem Kinde die Herrenstellung des Mannes bestätigt. Wart, ich werd's dem Vater sagen", droht sie, und bedenkt nicht, daß sie, indem sie den Vater zur obersten Instanz erhebt, ihre eigene Macht und Autorität in den Augen des Kindes herabsetzt.