Für unsere Mütter und Hausfrauen
Nr. 17 oooooooo
Beilage zur Gleichheit oooooooo
Inhaltsverzeichnis: Glaubt an euch selbst und eure Kraft! Gedicht von Otto Meier . Wer verteuert die Lebensmittel? Von A. W. -Notizen. Feuilleton: Luch Stone.( Fortsetzung.)
Glaubt an euch selbst und eure Kraft!
Wenn euch in wilder Zeiten Laufe Der Strom der Meinung arg umtost, Wenn euch verläßt der große Haufe, Dann glaubt und hoffet nur gefrost, Daß euer Wirken Gutes schafft: Glaubt an euch selbst und eure Kraft! Wohl drohn dem Kämpfer oft Gefahren In dieser schweren, dunklen Zeit. Doch wollt in Ehren ihr bewahren, Auf daß sich noch die Nachwelt freut, Was ihr errungen und errafft: Glaubt an euch selbst und eure Kraft! Laßt nicht erlahmen eure Stärke, Die sich im Kampfe oft erprobt. Bleibt freu dem guten, edlen Werke, Daß, wenn auch Krieg die Welt durchlobt, Ihr nie ermüdet und erschlafft:
Glaubt an euch selbst und eure Kraft!
Einst muß die Finsternis vergehen,
Drum sorget, daß am jungen Tag
Nur Licht und Wahrheit bleibt bestehen. Trotz allem, was da kommen mag; Daß in die Halme schießt der Saft:
Wer verteuert die Lebensmittel?
Um keine andere Ware wird ein so erbitterter Kampf unter den Interessenten ausgefochten wie um die Lebensmittel, Gehören sie doch zu dem, was der Mensch unbedingt zu seiner Erhaltung gebraucht, während er auf andere Dinge unter Umständen gänzlich verzichten oder seinen Bedarf daran einschränken fann. Bei den Lebensmitteln aber ist ein gänzlicher Verzicht völlig ausgeschlossen und eine Einschränkung bis zum gewissen Grade nur unter Gefährdung der Gesundheit möglich. Jeder einzelne Mensch ist demnach gezwungen, sich Lebensmittel zu verschaffen, und sofern er sie nicht selbst erzeugt, muß er sie irgendwo gegen Geld oder andere Waren eintauschen. Den Eintausch gegen andere Waren finden wir in kultivierten Ländern nur noch selten, im allgemeinen ist dort der Verkauf gegen Geldzahlung üblich.
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Die Art des Verkehrs zwischen Erzeugern und Verbrauchern der Bebensmittel ist nun ganz verschieden; er kann direkt- von Person zu Person vor sich gehen oder indirekt durch mehr oder weniger Vermittler so daß der Verbraucher nicht einmal weiß, aus welchem Lande die Ware stammt, die er verzehrt. Die lettere Art des Verkehrs ist heute am gebräuchlichsten. Mit der Grschließung aller Weltteile hat sich der Welthandel zu entwickeln begonnen, der jetzt auf einer ungeahnten Höhe angelangt ist und den Austausch der Waren unter sämtlichen Völkern der Welt übernimmt. Aus der Vermittlung dieses Warenaustausches ziehen Hunderttausende von Handelsfirmen ihren Nutzen. Ehe die Ware von ihrem Ursprungsort in die Hand des Verbrauchers gelangt, hat sie schon verschiedene Male in den Speichern und Lagerräumen mehrerer dieser Handelsfirmen gelegen; von dorther bezieht dann erst der Kleinhändler die Ware, um sie an die Konsumenten abzugeben. Aus dieser Art des Warenverkehrs ergibt sich ohne weiteres, daß sie auf den Preis der Waren verteuernd einwirken muß. Jeder Händler, der die Ware in die Hände bekommt, will daran berdienen, und zwar möglichst viel. Nur durch die Konkurrenz läßt er sich die Höhe seines Verdienstes beschneiden, und da innerhalb der einzelnen Händlergruppen trotz aller Reibereien doch das Be
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streben besteht, unter einen bestimmten prozentualen Geschäftsgewinn nicht herunterzugehen, bleibt immer noch ein erheblicher Bruchteil des Warenpreises beim Handel fleben. Schlimmer ge= staltet sich die Sache noch, wenn bei den Lebensmitteln Knappheit eintritt, was wir jetzt in der Kriegszeit so gut beobachten können. Zu dem sogenannten legitimen Handel gesellt sich dann blitzschnell ein Heer von Spekulanten, die so schnell wie möglich die noch vorhandenen Waren aufzukaufen suchen, um sie dann mit Wuchergewinnen wieder abzusehen. Elemente, die keinen Pfennig Geld, aber ein desto weiteres Gewissen und regen Geschäftsgeist besiten, werfen sich auf die Vermittlung dieser Waren und verdienen oft in kurzer Zeit große Vermögen. Die Waren werden von den spetulativen Händlern so lange zurückgehalten, bis die Preise infolge der immer lebhafter werdenden Nachfrage eine Höhe erreicht haben, die einen äußerst gewinnbringenden Absatz verspricht. Hiergegen haben selbst die Höchstpreisfestsetzungen wenig vermocht, denn entweder schmiegten diese sich den schon überreichlich hohen Preisen an, oder die Händler zogen ihre Waren vom Markt zurück und warteten auf die Erhöhung der Höchstpreise, die denn auch häufig vorgenommen wurde. Dieser Spekulation fielen aber auch ungeheure Mengen von Waren zum Opfer, die infolge schlechter Lagerräume oder ungeeigneter Behandlung dem Verderben ausgesetzt waren. Das ist zwar ein Risiko für den einzelnen Spekulanten, wird aber gewöhnlich durch hohe Gewinne an anderen Waren vielfach wieder gutgemacht, während der Verlust für die Volfsernährung unerseßlich ist.
Das Problem der Lebensmittelversorgung ist nun in der Kriegszeit ganz besonders in den Vordergrund gerückt. Dadurch, daß nicht nur die unteren Volksschichten, deren politischer Einfluß zur Umgestaltung der Verhältnisse noch nicht weitreichend genug war, sondern auch weite Kreise des bessergestellten Bürgertums von der Lebensmittelnot betroffen wurden, hat sich auch deren Interesse für die Ausmerzung der Schäden der privaten Lebensmittelversorgung lebhafter gestaltet. Aber auch in den Reihen der Christlichsozialen und Hirsch- Dunckerschen, ja sogar bei den„ wirtschaftsfriedlichen" Arbeiterverbänden hat sich durch die Vorgänge auf dem Lebensmittelmarkt ein Umdenkungsprozeß vollzogen, von dem man nur hoffen kann, daß er sich nach dem Kriege auch erhält. Die von ihren parlamentarischen Vertretern unterstützte Wirtschaftspolitik, die vorgab, zum Schuße des Mittelstandes notwendig zu sein, wird aufgekündigt und dafür eine tatkräftige Konsumentenpolitik gefordert. Von dem„ Segen" des Zollschutes ist man auch in jenen Kreisen jetzt furiert, und auch das liberale Prinzip, wonach Angebot und Nachfrage den Warenmarkt in richtiger Weise reguliere, soll in die Rumpeltammer geworfen werden. Eine Mittelstandsretterei, wie sie vor dem Kriege von den bürgerlichen Kreisen betrieben wurde, wollen auch die bürgerlichen Konsumenten nicht mehr mitmachen.
Wie ist nun dieser Umdenkungsprozeß zustande gekommen? Bi3 zum Ausbruch des Krieges unterstützten alle bürgerlichen Parteien mehr oder weniger die deutsche Schutzollpolitik, deren Krönung die Erhebung von Zöllen auf alle aus dem Ausland eingeführten landwirtschaftlichen Produkte bildete. Begründet wurde diese Po= litik einerseits mit der als notwendig erachteten Erhaltung eines fräftigen, wirtschaftlich möglichst starken Bauernstandes, aus dem das deutsche Volf die gesunden Säfte zur Erhaltung seines Volfstums saugen könne, andererseits glaubte man die Ernährung des deutschen Volkes vom Ausland gänzlich unabhängig machen zu können, indem man durch die Sicherung eines lohnenden Ertrags zum Anbau möglichst vielen Bodens anzureizen suchte. Beide Voraussetzungen sind aber durch die Schutzollpolitik nicht erreicht worden, worüber sich die Sozialdemokratie übrigens vor dem Kriege schon klar war. Die Wehrfähigkeit ist bei der Landbevölkerung nicht viel stärker als bei der städtischen, und wenn nicht durch die infolge der Zollpolitik verteuerte Lebenshaltung die Ernährung der städtischen Bevölkerung so stark benachteiligt wäre, dann könnte in der Stadt sogar eine höhere Militärdiensttauglichkeit als auf dem Lande erzielt werden. Ferner ist trop eines so starken Zollschutzes, wie er durch das Zolltarifgesetz von 1902 geschaffen wurde, kein erhöhter Bodenanbau vorgenommen worden. Nach dem Ergebnis der landwirtschaftlichen Betriebsstatistik vom Jahre 1907, deren letzter zusammenfassender Band im November 1912 bom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegeben ist, betrug die